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Kann eine Schule ohne Schulnoten funktionieren?

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Kann eine Schule ohne Schulnoten funktionieren?

Am Montag will der Kantonsrat erneut darüber diskutieren, wie die Bewertung in den Zürcher Schulen künftig aussehen soll und ob man hier punktuell auf Noten verzichten könne. Die Meinungen der Experten gehen dabei weit auseinander. Das sind die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente.
13.06.2022, 06:1813.06.2022, 09:29
Lothar Josef Lechner Bazzanella / ch media
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In anderen Kantonen und auch im Kanton Zürich gibt es einige Schulen, die in bestimmten Fächern Noten zum Beispiel durch Symbole oder Farben ersetzt haben. Auch aus diesem Grund haben mehrere Kantonsräte im Frühjahr 2020 eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Kein Verzicht auf Schulnoten» eingereicht. Das Ziel: Damit soll festgeschrieben werden, dass an den bekannten Notenzeugnissen festgehalten wird.

Zwar sollen neben den Noten auch Bewertungssysteme in mündlicher oder schriftlicher Form – auch mit Symbolen und Farben – verwendet werden dürfen. Zwingend sei jedoch, dass die definitiven Zeugnisnoten transparent hergeleitet werden können und «für die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern nachvollziehbar sind.»

Meinungen gehen weit auseinander

Die Debatte über diese Initiative beschäftigt den Kantonsrat bis heute. Nicht zuletzt, weil die Kommission für Bildung und Kultur KBIK für die Debatte dutzende Expertinnen und Experten befragt hat. Von Lehrerverbänden über Schulleiterinnen bis hin zu den Ausbildungsstätten. «Wie zu erwarten war, sind die Stellungnahmen divers ausgefallen», heisst es hier im Bericht. Wir haben die wichtigsten Argumente für und gegen das bestehende Notensystem zusammengetragen.

Pro

  • Noten geben eine klare Aussage

Es gehört sicherlich zu den häufigsten Argumenten in der Diskussion um die Noten. Sie sind in der Regel klar und deutlich, schon lange in der Schultradition verankert und vermitteln transparent, wie gut die jeweilige Leistung war.

  • Noten spornen an

Auch dieses Argument wird häufig gebracht. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten nachvollziehen können, wofür die jeweilige Note steht, kann man sich so auch besser mit anderen vergleichen. Während von vielen Pädagogen gerade dieser Aspekt harsch kritisiert wird, streichen ihn Parteien wie die «SVP», «FDP» oder «Die Mitte» gerne heraus. Schülerinnen können sich über die Noten mit anderen messen und werden angespornt, mehr für eine bessere Note zu leisten.

  • Noten gehören zum Leben

Die Praxis, für erledigte Aufgaben Noten und Zeugnisse zu vergeben, gehört in den allermeisten Aspekten des Lebens, vor allem aber im Berufsleben zum Alltag. Gerade deshalb argumentieren viele Experten, dass die Schule der beste Ort ist, um Kinder langsam an die Notengebung der Zukunft heranzuführen.

  • Noten zeigen Leistung

Durch ihre Klarheit zeigen Noten sowohl auf, wo Lernende sicher und gut sind und wo hingegen Aufholbedarf besteht. Laut Befürwortern lernen Kinder dadurch ihre Stärken und Schwächen kennen und mit Niederlagen umzugehen.

Contra

  • Noten setzen unter Druck

Das wohl häufigste Argument gegen das bestehende Notensystem ist jenes, dass junge Lernende dadurch unter ordentlich Druck geraten. Die Anforderungen und der Stress für die Schüler würden in den Noten gipfeln und zum allgemeinen enormen Leistungsdruck beitragen.

  • Noten bewerten nur einen Teil der Fähigkeiten

Häufig wird ausserdem argumentiert, dass Noten nur einen Bruchteil der Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern bewerten können. Andere Fähigkeiten könnten sie im festen Benotungssystem nicht entfalten oder würden dafür sogar mit schlechten Noten bestraft. Das könne das Selbstvertrauen schmälern und falsche Anreize setzen.

  • Schulnoten reduzieren die Lernenden auf das Ergebnis

Dieses Argument hängt stark mit dem Vorherigen zusammen. Viele Experten sind der Meinung, Noten reduzieren das Kind auf seine schulischen Leistungen. Fähigkeiten und Talente wie Neugierde, Humor oder Gelassenheit würden hier untergehen.

  • Noten geben nur Prüfungsfähigkeiten wieder

Dieses Argument wird vor allem in skandinavischen Staaten gerne gebraucht, wo schon in vielen Teilen des Schulsystems auf Noten verzichtet wird. Es besagt, dass Noten vor allem Auskunft darüber geben, wie gut Schüler unter Zeit- und Leistungsdruck agieren. Wie gut der Schüler den Stoff tatsächlich beherrscht, wird hier weniger berücksichtigt.

Ähnlich sieht dies Philippe Wampfler, selbst Lehrer und einer der härtester Verfechter der notenfreien Schulen im Kanton. Auf Nachfrage von ZüriToday schreibt er: «Noten lenken vom Lernen ab – sie führen zu Prüfungen, die wenig nachhaltig sind. Schüler bereiten sich intensiv darauf vor, vergessen dann aber danach sofort wieder, was sie gelernt haben.»

Fazit

Es gibt sowohl für das Pro und Contra stichhaltige Argumente. Jedoch scheinen sich die Pro-Noten-Argumente aktuell weiterhin zu halten. Dieser Ansicht sind auch die jeweiligen Behörden im Kanton. So schreibt die zuständige Kommission, dass eine Mehrheit der Befragten «sich dafür ausspricht, zumindest vorderhand an Zeugnisnoten festzuhalten.»

Auch der Bildungsrat selbst teilte mit, dass zwar «Vorbereitungen für eine Anpassung des Bewertungssystems liefen, dass aber keineswegs die Abschaffung der Notenzeugnisse angestrebt werde.» Diese seien in der Gesellschaft tief verankert und Teil einer lang gewachsenen Tradition in und ausserhalb der Schule.

Sie spiegelten die Erwartungen der Gesellschaft und der Wirtschaft und ermöglichten eine bilanzierende, verständliche Aussage über die erbrachten Leistungen. Scheint also, dass der Bildungsrat hier eine klare Meinung hat. Siehst du das genauso? Stimme jetzt ab und schreib uns deine Meinung in die Kommentare.

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