Je heisser es ist, desto grösser wird der Kampf um Parkplätze. Im Sommer waren sämtliche Parkplätze an der Seestrasse in Herrliberg regelmässig innert Kürze besetzt. Da der Ort auch bei Tauchenden beliebt ist, brauchten Badegäste auch zu Randzeiten Glück, um einen Parkplatz zu finden. Im Parkplatz-Kampf erdreistete sich so mancher Autofahrer, dort den einzigen Behindertenparkplatz zu besetzen.
Der zumindest im Sommer regelmässig besetzte Behindertenparkplatz an der Seestrasse ist nur die Spitze des Eisbergs im Kanton Zürich. Monatlich stellt die Kantonspolizei rund 24 Bussen aus, weil Fahrzeuge unberechtigt auf Behindertenparkplätzen parkiert wurden, wie es auf Anfrage heisst. Dazu kommen monatlich rund 60 Bussen alleine in der Stadt Zürich. Rund 16 monatlich registriert die Stadtpolizei Winterthur.
Menschen mit Behinderung haben damit zu kämpfen. Der Zürcher SP-Gemeinderat und Nationalratskandidat Islam Alijaj sitzt wegen einer Zerebralparese im Rollstuhl. Die Behindertenparkplätze seien so gelegen, dass Menschen mit einer Gehbehinderung einen kurzen Weg zum Eingang von Gebäuden hätten, sagt Alijaj. Wenn diese Parkplätze von Lenkerinnen und Lenkern ohne Behinderung besetzt würden, sei es für Menschen mit Behinderungen sehr umständlich, einen passenden Parkplatz zu finden.
«Gefühlt hat das Problem mit unberechtigt besetzten Behindertenparkplätzen in den letzten Jahren leider zugenommen», sagt Alijaj. Vor allem benutzten Geschäfte und Baustellen diese Parkplätze als Umschlag- oder Lagerplatz. Die Zahlen der Stadtpolizei Zürich bestätigen seinen Eindruck. Zwischen 2021 und 2023 stieg die Zahl der monatlichen Bussen von 30 auf 60.
Wer unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz parkiert und erwischt wird, kassiert bei einer Parkdauer bis 60 Minuten eine Busse von 120 Franken. Besetzt das Auto den Parkplatz länger, leiten die Strafverfolgungsbehörden ein ordentliches Strafverfahren ein. Islam Alijaj geht das zu wenig weit. «Es braucht klarere Vorgaben und auch strengere Kontrollen der Polizei», fordert er.
Aber letzten Endes ist der Umgang mit Behindertenparkplätzen laut Alijaj nur ein Symptom dafür, wie die Gesellschaft insgesamt mit dem Thema umgeht. «Menschen mit Behinderungen sind in der Politik dramatisch unterrepräsentiert und wir akzeptieren teilweise skandalöse Zustände.» Der barrierefreie Ausbau des ÖVs in Zürich beispielsweise müsste längst abgeschlossen sein. «Aber bis heute kann ich mit meinem Rollstuhl nur jedes dritte Tram nehmen.»
FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel unterstützt die Forderung. «Die Polizei müsste die Behindertenparkplätze engmaschig kontrollieren», fordert das Mitglied der kantonalen Verkehrskommission. «Es geht schliesslich um den Schutz einer schwächeren Bevölkerungsgruppe.»
Eine Parkkarte für Gehbehinderte berechtigt, das Auto auf einem Behindertenparkplatz zu parkieren. Laut Rueff-Frenkel soll die Polizei auch Autos kontrollieren, die über eine solche Karte verfügen. «Die Karte wird oft missbraucht.» So besetzten manchmal auch Lenkerinnen und Lenker ohne Rollstuhl-Mitfahrerin oder -Mitfahrer Behindertenparkplätze. «Niemand kontrolliert, ob die gehbehinderte Person dabei ist, überhaupt noch gehbehindert ist, geschweige denn, noch lebt.»
Seit einem schweren Skiunfall ist der Zürcher Mitte-Nationalrat Philipp Kutter auf einen Rollstuhl angewiesen. «Wenn so oft falsch parkiert wird, würde ich schärfere Kontrollen begrüssen», sagt er. Dies, sofern die Polizei über die Kapazitäten verfüge. «Die Polizei muss die Forderungen ja auch noch umsetzen können.»
Zurückhaltend äussert sich SP-Kantonsrat Markus Bärtschiger. Er bedauert, dass Lenkerinnen und Lenker Menschen mit Behinderung Rollstuhl-Parkplätze wegschnappen. «Das ist natürlich ein grosser Ärger. Ich verstehe die Probleme der Betroffenen absolut», sagt er.
«Mögliche Lösungen wären strengere Kontrollen und höhere Bussen», sagt das Mitglied der kantonalen Verkehrskommission. In der Praxis hätten solche Forderungen aber kaum Chancen. «Am Ende ist es eine Ressourcenfrage der Sicherheitsbehörden.»