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«Ihre Körper sind nicht verschwunden»: Kampagne soll Leute zu mehr Respekt anhalten

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«Ihre Körper sind nicht verschwunden»: Kampagne soll Leute zu mehr Respekt anhalten

Auf dem Friedhof Sihlfeld fanden in der Vergangenheit immer wieder Aktivitäten statt, die so gar nicht zur andächtigen Ruhe zwischen den Gräbern passen wollten. Die Stadt hat nun mit ungewöhnlichen Massnahmen reagiert.
13.07.2023, 04:5717.07.2023, 11:53
Loric Lehmann / ch media
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Zürichs grösste Grünfläche ist ein beliebter Ruhepol in der geschäftigen Stadt. Beim Spazieren im Friedhof Sihlfeld lassen sich die schönen Blumen und riesigen, alten Bäume, die die Wege säumen, so richtig geniessen. Auf einigen Wiesen abseits der Gräber liegen Leute in der Sonne, lesen, telefonieren oder trinken zu zweit ein Bier bei ruhigen Gesprächen.

Fahnen mahnen an Ahnen

In letzter Zeit stechen dem geneigten Spaziergänger seltsame Fahnen ins Auge. Auf gewissen freien Flächen stehen diese und erinnern daran, dass in der Erde darunter verstorbene Menschen liegen. Der ganze Text geht so: «Ihre Grabsteine sind verschwunden, nicht aber ihre Körper. Hier ruhen noch immer die Gebeine verstorbener Menschen, welche vor 2002 bestattet wurden.»

Dies lässt aufhorchen: Welches Interesse hat die Stadt Zürich daran, die Verweilenden an die Toten zu erinnern? Will sie damit den Sonnenbadenden die gute Laune verderben?

Stadt verlangt nach mehr Rücksichtnahme

Die Stadt verspricht sich etwas anderes: mehr Respekt. Denn in der Vergangenheit entbrannten rund um die Nutzung des Friedhofs Sihlfeld regelmässig Diskussionen, wo in einem Fall gar der Bezirksrat eine Entscheidung fällen musste: Ein Anwohner klagte gegen den Stadtrat, um die Schliessung des Friedhofs in der Nacht durchzusetzen.

So wurde dies im Januar 2022 verfügt. Allerdings hob das Verwaltungsgericht im Dezember gleichen Jahres die nächtliche Schliessung wieder auf. Nun soll das Bundesgericht entscheiden. Dies steht noch aus.

Gebrauchte Präservative auf Gräber

Hintergrund: Nächtliches Treiben auf dem Friedhof. Berichte über leere Champagnerflaschen oder Präservative neben oder gar auf Gräbern schürte Wut bei Angehörigen von Verstorbenen, wie SRF berichtete. Aber auch halbnacktes Sonnenbaden, wildes Sporttreiben oder Grillieren war nicht gern gesehen.

Die Stadt hat nun also reagiert. Seit dem Frühling dieses Jahres informieren die besagten Fahnen. Weitere Massnahmen, die der Stadtrat getroffen hat, um den Friedhof Sihlfeld als einen Ort der Einkehr und der Trauer zu schützen, sind die Schliessung der WC-Anlagen am Abend sowie die gezielte Bepflanzung zur besseren Trennung zwischen Flächen mit Gräbern und Flächen, die auch anderweitig genutzt werden können.

Wie kommt dies bei der Bevölkerung an? Eine Sprecherin des Präsidialdepartements der Stadt Zürich, denen die Friedhöfe unterstellt sind, schreibt: «Der Stadtrat bedauert es, wenn die Gefühle von Friedhofsbesucher*innen verletzt werden, weil sich Personen aus ihrer Sicht respektlos und unangemessen verhalten.»

Rückmeldungen sind laut Stadt positiv

Bis jetzt sei zu beobachten, «dass die Texte auf den Fahnen gelesen werden». Offenbar gab es Gespräche zwischen Friedhofbesuchenden und Angestellten. Die Rückmeldungen seien «grossmehrheitlich positiv», so die Sprecherin.

Ob sich jetzt am Verhalten der Friedhofsbesuchenden tatsächlich aufgrund der Fahnen etwas verändert habe, lasse sich aber noch nicht sagen. Spazierende geniessen bis dahin weiterhin den Friedhof – oder liegen respektvoll im Schatten der mahnenden Fahnen.

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