Direkt vor dem Lift war für Islam Alijaj Endstation. «Eine Abschrankung versperrte mir den Weg zum Lift», sagt der Zürcher SP-Nationalrat zu ZüriToday. Am Mittwochmorgen wollte Alijaj, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, in der Halle Bahnhofplatz im Zürcher Hauptbahnhof zum Gleis 31 hinunterfahren.
Damit er den Intercity nach Bern um 7.32 Uhr doch noch erwischte, musste er einen Umweg über einen anderen Lift nehmen. Dies habe ihn sieben Minuten gekostet. «Wäre ich nicht extra früher gekommen, hätte ich den Zug verpasst und wäre zu spät zur Session gekommen.»
Der Zwischenfall, über den Alijaj auch in einer Instagram-Story berichtete, löste bei ihm ein Déjà-vu aus. «Ich dachte: nicht schon wieder!», sagt er. Allerdings bremste ihn am Montag keine unerwartete Baustelle, sondern ein Tram aus. «Anstatt des Niederflurtrams kam ein 2000er-Tram, in das ich nicht einsteigen kann.» Die App habe hingegen ein Niederflurtram angekündigt. «Seither nehme ich immer ein Tram vorher, wodurch ich am Mittwoch genug Zeit für den Umweg hatte.»
Immer früher aus dem Haus zu gehen, um für Hindernisse am Hauptbahnhof gewappnet zu sein, ist für den 37-Jährigen auf Dauer aber keine Lösung. «Ich muss Lebenszeit hergeben, um am Ziel pünktlich anzukommen», sagt er resigniert. Plötzliche Hindernisse lösten zudem eine Kettenreaktion für ihn aus. Wer eine Einstieghilfe für den Zug benötigt, muss diese mindestens eine Stunde vorher reservieren. «Verpasse ich den Zug, kann ich nicht davon ausgehen, dass ich auf der nächsten Verbindung eine Einstieghilfe bekomme.»
Die SBB bestätigt das Hindernis auf Anfrage. «An den Schrägliften im Zürich HB werden voraussichtlich noch bis am 14. Juni unumgängliche Reparaturarbeiten durchgeführt», sagt Mediensprecherin Sabrina Schellenberg. Es werde immer nur ein Lift gleichzeitig gesperrt sein und es stünden immer Lift-Alternativen zur Verfügung auf Perron Gleis 6/7 und Perron Gleis 8/9 als Zugang zu den Gleisen 31 bis 34. «Wir danken den Kundinnen und Kunden für das Verständnis für die Einschränkungen.»
Islam Alijaj ist enttäuscht über das Schneckentempo bei der vollen Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr. «Wir sind noch nirgends», sagt er. Laut dem Behindertengleichstellungsgesetz muss der öffentliche Verkehr grundsätzlich autonom nutzbar sein. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) kommt zum Schluss, dass die Unternehmen die gesetzliche Frist von Ende 2023 bei rund 500 der insgesamt 1800 Bahnhöfe und Bahn-Haltestellen nicht eingehalten haben.
Der Zürcher Nationalrat fordert vom Bund eine Taskforce für ein Monitoring der Barrierefreiheit im ÖV. «Damit man sieht, wo es für Menschen mit Behinderungen welche Probleme gibt.» Auch brauche es eine Konferenz mit allen wichtigen Akteuren, um diesen Problemen auf den Grund zu gehen. Schon viel geholfen wären Menschen wie ihm, wenn die SBB-App live über Hindernisse informieren würde, sagt Alijaj. «Lauert für Menschen im Rollstuhl irgendwo ein Hindernis, erfahren wir dies meist nur, weil wir einander in Whatsapp-Gruppen warnen.»
Die SBB verspricht Anpassungen. «Wir werden die Kund:inneninformation so bald wie möglich verbessern», sagt Sabrina Schellenberg.
