Fussball ist auch in Indien beliebt. Die englische Premier League, die spanische Primera Division oder die europäische Champions League erreichen sehr gute Einschaltquoten. Aber Indiens Fussball? Alles, was wir davon wissen, ist: Die wollten doch mal barfuss an die WM, durften nicht und sagten daher ab.
FC Pune City unveiled their team jersey for the upcoming #HeroISL season today!
Do Pune fans like it? pic.twitter.com/55umisaJwV
— Indian Super League (@IndSuperLeague) 22. August 2014
Das ist allerdings auch gefährliches Halbwissen. Die Geschichte stimmt zwar im Ansatz, soll sich aber leicht anders abgespielt haben. Indien qualifizierte sich 1950 tatsächlich für die WM in Brasilien. Zwar nur, weil die Gegner in Asien (Burma, Indonesien und die Philippinen) sich vor der Qualifikationsphase zurückzogen, aber egal.
Die Reise trat die Mannschaft dann doch nicht an. Angeblich, weil die Fifa nicht erlaubte, dass die Spieler barfuss antreten dürfen. Dies stimmt allerdings nicht ganz. Die indischen Spieler hätten zwar gerne ohne Schuhe gespielt, aber der Hauptgrund sei gewesen, dass die WM einfach nicht als genügend wichtig eingeschätzt wurde, die Vorbereitung entsprechend mies war und man dann keine Lust hatte, um die halbe Welt zu reisen, nur um dreimal «ausgekügelt» zu werden.
"I am a big Barca fan, but we have our own team now. We'll create our own Messis, and they will come for our players soon!"- Ranbir #HeroISL
— Indian Super League (@IndSuperLeague) 30. August 2014
Es gibt Einige die sagen: Wäre Indien an der WM 1950 gewesen, wäre alles anders gekommen. Sepp Blatter erklärte Indien längst zum «schlafenden Riesen». Tatsache ist: Die Nationalmannschaft des Riesenreiches dümpelt im FIFA-Ranking um Rang 150 herum – hinter den Malediven, Antigua und Barbuda, dem Tschad oder Neukaledonien. Beim Asien Cup 2011 setzte es in drei Spielen drei Niederlagen (Torverhältnis 3:13) ab, für die Kontinentalmeisterschaft 2015 konnte sich die Equipe nicht qualifizieren.
Auch ansonsten ist Indien auf der sportlichen Landkarte praktisch nirgends zu finden. An den Olympischen Sommerspielen 2012 nahmen 81 Athleten teil und brachten sechs Medaillen (je zwei im Ringen und Schiessen, eine im Badminton und Boxen) heim und sorgen damit für die mit Abstand erfolgreichsten Spiele.
Zum Vergleich: Die Schweiz sandte 102 Athleten nach London. Das ist einer von 68'000 Bürgern, von den Indern war nur einer in 16 Millionen dabei. Und bei den Winterspielen 2014 in Sotschi war logischerweise kein Inder dabei. Dafür ist Cricket gross. Riesengross. Die Indische Premier League gilt als beste der Welt, jeder Cricket-Spieler will dort hin.
Es hört sich verrückt an, aber genau die Stellung von Cricket soll mit Fussball nun herausgefordert werden. Eine völlig neue Liga und ausländische Altstars im Spätherbst ihrer Karriere (oder teilweise schon aus dem Winterschlaf reaktiviert) sollen dabei helfen.
Die Indian Super League (ISL) wird vom 12. Oktober bis 20. Dezember aus acht neu gegründeten Teams ihren Meister küren. Aufgebaut ist die Liga nach amerikanischem Vorbild mit Drafts und keinem sportlichen Abstieg. Das Produkt läuft neben der eigentlichen Fussballliga I-League, die aber für die Zeit des Retortenprodukts unterbrochen wird.
Als Zugpferde wurden europäische Altstars verpflichtet. Alessandro Del Piero wagt sich genauso auf den Subkontinent wie David Trezeguet, Joan Capdevila, Manuel Friedrich, Luis Garcia oder Goalie David James. Robert Pires und Freddie Ljungberg sollen gar aus dem Ruhestand aktiviert werden. Und neuerdings soll auch Ronaldinho für ein Gastspiel nach Indien wechseln.
Die Teams sind zwar beinahe fertig zusammengestellt, aber vieles bleibt zwei Monate vor dem Start unklar. Einige Vereine haben noch kein Logo, andere den definitiven Namen erst kürzlich gewählt. Friedrich erklärte gegenüber der «Bild»: «Ich weiss bislang fast nichts. Ein echtes Abenteuer.»
Das Abenteuer ist von den Machern allerdings professionell geplant. Neben den «Zugpferden» muss jedes Team sieben weitere Ausländer verpflichten, erhält 14 indische Spieler, wobei vier aus der eigenen Stadt stammen müssen und in der Startelf müssen mindestens fünf Einheimische stehen.
Zudem darf die Liga mit breiter Unterstützung rechnen sowie aus vollen Kassen investieren. Bollywood-Stars, wichtige Geschäftsmänner, Cricket-Stars und Vereine wie Atlético Madrid (Atletico de Kolkata), Fiorentina (Pune City), Inter Mailand (Team Chennai) und Feyenoord Rotterdam (Dehli Dynamos FC) sind mindestens Miteigentümer der Teams. Die Homepage wirkt aufgeräumt und modern, das Fernsehen garantiert Sendezeit, erste Klubs haben ein Vereins-TV gegründet und ein Ligasponsor konnte auch gefunden werden. So nennt sich das Produkt jetzt «Hero Indian Super League».
Das hört sich zumindest ein wenig besser an als «Raiffeisen Super League», aber ob die Qualität wirklich auch mithält? Neben den Altstars wurden 49 internationale Spieler auf die Teams verteilt. Diese stammen zwar aus Spanien, Portugal, Frankreich, Brasilien oder anderen grossen Fussballnationen, sind allerdings alle völlig unbekannt. Oder kennt jemand Borja Fernandez, Henrique Dinis Oiveira Dias oder Pedro Adriano Veloso Gusmao?
Streit mit der «normalen» Liga war natürlich auch vorprogrammiert. So weigern sich noch immer einige indische Nationalspieler bei der ISL mitzuspielen und die Liga fürchtet sich davor, dass der neue Wettbewerb sie in den Schatten stellen wird.
Dabei ist das Ziel ein hehres. Fussball soll zum Volkssport werden, Ausbildungszentren sollen geschaffen, Stadien renoviert oder gebaut werden und irgendwann Cricket als Nationalsport abgelöst werden. Nita Ambani, einer der Macher, entgegnet Kritik gelassen: «Die Cricket-Liga war einst auch belächelt worden, jetzt will jeder dort spielen.»
Ach ja, fast hätten wir es vergessen: Barfuss zu spielen, ist in der Indian Super League nicht erlaubt.