Dank ihrem beeindruckenden Lauf hat die Torfabrik Red Bull Salzburg während der letzten Wochen Anerkennung aus ganz Europa eingeheimst. Schon die nackten Zahlen der Mozartstädter lassen Fussballfans schwindlig werden: Nach zehn Siegen in Folge führen sie die heimische Tabelle mit 25 Punkten Vorsprung an.
Das Torverhältnis lautet 88:23 – 3,3 Tore buchen die Bullen im Schnitt. Schon nächste Woche, zehn Runden vor Schluss, kann die österreichische Übertruppe die Bundesliga vorzeitig für sich entscheiden.
Natürlich könnte man an dieser Stelle problemlos die Nase rümpfen und auf die mangelnde Qualität der Gegnerschaft aus Grödig, Wien und Ried verweisen. Doch die Art und Weise, wie Salzburg im Sechzehntelfinal der Europa League das ruhmreiche Ajax Amsterdam mit einem Gesamtskore von 6:1 demontiert hat, spricht eben doch sehr stark dafür, dass es auch international ein Wörtchen mitreden kann.
Was erwartet den FC Basel also heute Abend im St. Jakob-Park? Druck, Druck und noch mehr Druck. Denn Red Bull Salzburg hat das Pressing seit dem Amtsantritt von Sportdirektor Ralf Rangnick quasi zur Klubreligion erkoren.
Ballbesitz war gestern, Hauptsache der Gegner kommt gar nicht aus der eigenen Hälfte raus. So scheint das Motto der Bullen 2014 zu lauten. Und dafür verwandeln sie ihre Spiele in regelrechte Sprintveranstaltungen. Ständig wird der Gegner schon beim Spielaufbau von einem oder mehreren Salzburgern attackiert. Gelingt die Balleroberung, dann ist der Weg zum Tor nicht mehr weit.
Was diese Taktik für verheerende Auswirkungen haben kann, zeigte sich in der ersten Halbzeit des Hinspiels gegen Ajax. Trotz lediglich 38 % Ballbesitz lagen die Österreicher in der Amsterdam Arena schon nach 35 Minuten vorentscheidend mit 3:0 in Front.
Auch die Bayern mussten in der Saisonvorbereitung gegen Salzburg unten durch. Nach dem 0:3 im Testspiel zeigte sich sogar Pep Guardiola beeindruckt von den Österreichern: «Ich habe in meiner Karriere noch nie gegen eine Mannschaft gespielt, die mit so einer hohen Intensität gespielt hat wie Red Bull Salzburg.» Ins gleiche Horn bläst der Ex-Basler Aleksandar Dragovic gegenüber Sky Sport Austria: «Das Salzburger Pressing ist schlicht sensationell.»
Entsprechend sind alle Transfers der Bullen auf das Hochdrucksystem ausgerichtet. Die Spieler müssen laufen können, bis der Arzt kommt. Ralf Rangnick in der Aargauer Zeitung: «Wir sind schwerpunktmässig nur an Spielern zwischen 17 und 23 Jahren interessiert.»
Gegen Ajax betrug das Durchschnittsalter der Bullen 23 Jahre – der Schweizer Aussenverteidiger Christian Schwegler gehört da mit 29 schon zu den Oldies. Zum Vergleich: Das Durschnittsalter von Basel gegen Maccabi lag fast drei Jahre höher. Jugendliche Power gegen Routine lautet die Affiche für das Duell von heute Abend.
Ein Detail am Rande: Red Bull, und damit auch Salzburg, setzt auf die Dienste des deutschen Sportmediziners Bernd Pansold. In der DDR war er für den Aufbau eines staatlichen Dopingprogramms beteiligt. 1998 wurde Pansold vor dem Landgericht Berlin wegen Dopings von Minderjährigen in neun Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein Schelm, wer im Zusammenhang mit den brutalen physischen Anforderungen des Salzburger Spielsystems Böses denkt.
Bei dieser Ausgangslage sehen die Buchmacher den FC Basel als klaren Aussenseiter. Den 3,3-fachen Einsatz erhält, wer auf einen Sieg der Bebbi wettet und recht behält. Für einen Erfolg der Österreicher gibt es nur die Quote 2,1.
Und bekanntlich spielt der FC Basel gegen Salzburg nicht nur um den Einzug in den Viertelfinal der Europa League. Auch beim Länderduell zwischen Österreich und der Schweiz im Fünfjahresranking der UEFA wird der Ausgang matchentscheidend. Wenn der FCB gegen die Bullen taucht, brauchen die Österreicher noch einen Sieg im Viertelfinal, um der Schweiz den 13. Platz – und damit den direkten Platz in der Champions League – abspenstig zu machen.
Deshalb die gute Nachricht zum Schluss. Nicht nur der FCB plagt sich mit Verletzungssorgen. Neben Kay Voser und den fraglichen Marco Streller und Serey Die wird einer heute definitiv fehlen. Der Brasilianer Alan, die eine Hälfte des kongenialen Sturmduos der Salzburger, konnte die Reise nach Basel wegen einer Muskelverhärtung nicht antreten.
Die Bullen werden ihren zweitbesten Skorer (29 Saisontore) wohl schmerzlich vermissen. Umso mehr ruhen ihre Hoffnungen jetzt auf dem Spanier Jonatan Soriano, der in der laufenden Saison in Pflichtspielen schon 37 Mal ins Schwarze getroffen hat.