Wirte, Werber und Journalisten gelten als die Berufsgruppen mit dem schlechtesten Image, Autoverkäufer haben prestigemässig ebenfalls ein gröberes Problem. Seit der Finanzkrise haben sie alle jedoch prominente Konkurrenz um die Position des meistgehassten Berufes bekommen: Die Banker.
Der Filialleiter in der ländlichen Niederlassung, der dem Schreinermeister eine neue Werkstatt und dem Dorflehrer sein Eigenheim ermöglicht, ist Nostalgie. Das Bild der Banken prägen heute die Investmentbanker, die per Mausklick dreistellige Millionenbeträge um den Erdball schicken und dafür mehr als fürstlich entlohnt werden. Aus dem einst noblen Bankier ist der skrupellose Bankster geworden.
Nicht nur das Image der Banken ist angekratzt, auch ihre Bedeutung als Vermittler zwischen dem Spargeld der Bürger und dem Geldbedarf der Unternehmen wird kleiner. Seit 2008 hat in den USA der Anteil der Firmen, die ihren Kapitalbedarf mit Bankkrediten decken, von 50 auf 36 Prozent abgenommen, in Europa von 69 auf 61 Prozent. «Bankkredite werden nicht verschwinden», kommentiert John Authers in der «Financial Times». «Aber die Rolle der Banken als Zwischenhändler wird stetig untergraben.»
Anstelle der Banken treten in der Sharing Economy neue Finanzierungsformen. Crowdfunding und Peer-to-Peer-Lending sind inzwischen mehr als nur Hype. Die Internet-Plattform Kickstarter ist inzwischen eine Institution geworden. Dort können sich Jungunternehmer nach dem Motto: «Auch Kleinvieh macht Mist» Risikokapital beschaffen.
Anstatt dass ein einzelner Wagniskapitalgeber ein Startup finanziert, tut dies eine grosse Zahl von Mini-Venturekapitalisten mit Beträgen, deren Verlust auch für Otto Normalverbraucher verkraftbar ist.
Umgekehrt locken auch die gewaltigen Gewinne, die bisher in die Taschen der etablierten Player und der Banken geflossen sind. Das Vorzeige-Projekt von Kickstarter ist der 3D-Brillen-Hersteller Oculus Rift. Das Unternehmen startete mit 2,4 Millionen Dollar, die per Crowdfunding zusammengekratzt wurden. In diesem Frühjahr wurde es von Facebook für zwei Milliarden Dollar gekauft. Wer da mitgemacht hat, hat einen schönen Batzen kassiert.
Luke Johnson bezeichnet in der «Financial Times» Crowdfunding bereits als «Revolution im Finanzwesen». «Die Anzahl der Projekte, die auf diese Weise finanziert werden, wächst exponenziell», stellt Johnson fest. «Hunderte werden täglich lanciert. Und ich rate jedem, der heute ein Startup-Unternehmen gründen will, die Crowdfundig-Szene sehr gründlich zu inspizieren.»
Künstler tun dies bereits im grossen Stil. Rockbands lassen ihre CDs, Schriftsteller ihre Romane und Maler ihre Ausstellungen von der Crowd finanzieren. Dabei sind die Geldgeber nicht nur altruistisch motiviert, sondern auch auf der Suche nach Rendite. Auf den Finanzmärkten ist in den Zeiten der Nullzinsen wenig zu holen. «Natürlich ist es riskanter, sein Geld in ein Crowdfunding-Projekt zu stecken, als es auf der Bank zu lassen», stellt Johnson fest. «Aber es macht auch viel mehr Spass.»
Ein naher Verwandter des Crowdfunding ist das Peer-to-Peer-Lending: Wer Geld braucht, sucht sich potentielle Geldgeber auf den entsprechenden Plattformen ohne Umweg über die Banken. Beide Seiten gewinnen: Den Betrag, den die Bank für ihre Vermittlungsdienste kassiert hätte, können sich Geldgeber und Nehmer aufteilen.
Der kometenhafte Aufstieg der Social Media fördert das Peer-to-Peer-Lending. Facebook & Co. wird zunehmend zum Albtraum der Banken. In Online-Foren und spezialisierten Chatrooms können Investoren sich gegenseitig Tipps geben und Geldgeber und Nehmer können zueinander finden. Die Banken als Intermediäre werden überflüssig. Bereits hat die CS reagiert und für Privatkunden eine Art Anleger-Facebook angekündigt. Dort soll die reiche Klientel unter kundiger Anleitung von CS-Beratern Investitionsmöglichkeiten diskutieren.
Die Banken haben ein wachsendes Legitimationsproblem. Nicht nur Laien können ihre Geschäftstätigkeit oft nicht mehr nachvollziehen. Was waren synthetische CDO’s anderes als Lottoscheine für Investmentbanker? Wo liegt der volkswirtschaftliche Nutzen von High Frequency Trading und Darkpools? Selbst der legendäre Investor Warren Buffett schüttelt den Kopf und spricht von «Massenvernichtungswaffen der Finanzmärkte».
Es hilft dem Image der Banken auch nicht wirklich, dass fast täglich neue Skandale bekannt werden. Inzwischen gibt es wahrscheinlich keinen Zinssatz mehr, der nicht von korrupten Bankern manipuliert worden wäre. Nicht nur die Bussen dafür werden immer höher, auch die Regulierungsbehörden greifen härter durch.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat soeben angekündigt, dass die Banken ihr Eigenkapital massiv erhöhen müssen, um besser gegen künftige Schocks auf den Finanzmärkten gewappnet zu sein. Die EZB ist neuerdings direkt für die Überwachung der 120 grössten Banken in Euroland zuständig.
Anderen geht selbst dies zu wenig weit. Der ehemalige Chefökonom der Deutschen Bank, Thomas Mayer, fordert in seinem soeben erschienen Buch «Die neue Ordnung des Geldes», dass den Banken generell verboten wird, per Kredit selbst so genanntes Fiat-Money zu schaffen. Eine höhere Eigenkapitalquote würde das System nur ändern, aber nicht abschaffen. Die Kritiker der Banken, so Mayer, «verteidigen in Wirklichkeit nur das Privileg der privaten Geldschöpfung der Banken und den damit verbundenen Gewinn.»
In die gleiche Richtung zielt eine Volksinitiative, für die derzeit in der Schweiz Unterschriften gesammelt werden: Die Vollgeldinitiative. Auch sie will den Banken verbieten, per Kredit Geld aus der Luft zu kreieren und damit die Geldmenge aufzublähen. Dieses Privileg soll künftig einzig der Zentralbank überlassen sein, und die dadurch erzielten Gewinne sollen den Bürgerinnen und Bürgern zukommen.