In seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im EU-Parlament hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Verteilung von weiteren 120'000 schutzbedürftigen Flüchtlingen vorgeschlagen. Auf diese Weise sollen Italien, Griechenland und Ungarn entlastet werden.
Juncker appellierte am Mittwoch in Strassburg an die EU-Staaten, sich solidarisch zu zeigen. Man könne die betroffenen Länder nicht alleine lassen, sagte er.
«Wollen wir wirklich, dass Familien an Bahnhöfen schlafen - wie in Budapest?», fragte er in die Runde der EU-Parlamentarier. Mit den bereits von der EU-Kommission vorgeschlagenen 40'000 Flüchtlingen würden insgesamt 160'000 Personen umverteilt.
Gleichzeitig kündigte der EU-Kommissionspräsident einen permanenten, fixen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen an. Dabei erinnerte Junker an die Geschichte Europas, die geprägt ist von Menschen auf der Flucht. Er erwähnte die Nazi-Zeit, die Jugoslawien-Kriege und die Zeit des Eisernen Vorhangs mit dem Ungarn-Aufstand und dem Prager Frühling.
Auch verwies Juncker auf die vielen Europäer, die vor noch nicht so langer Zeit aus wirtschaftlichen Gründen ihr Glück in Amerika suchten. Mit Blick darauf plädierte der Kommissions-Chef für Möglichkeiten einer legalen Migration.
Juncker droht mit Prozessen
Brüssel werde erneut gegen jene EU-Staaten Strafverfahren einleiten, die gegen die gemeinsamen Asylregeln verstiessen, sagte Juncker weiter. Die EU habe gemeinsame Standards, die eingehalten werden müssten.
Die EU-Kommission hatte bereits diverse Verwarnungen ausgesprochen. Ausserdem laufen schon über 30 Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstössen gegen das europäische Asylrecht. Ausserdem kündigte Juncker eine EU-weite Liste mit sicheren Herkunftsländern an, um jene Menschen schneller zurückzuschicken, die keinen Asylgrund haben.
Zu Beginn seiner Rede bezeichnete Juncker dies «die Stunde der Ehrlichkeit». Denn die EU sei in keinem gutem Zustand. «Es fehlt an Europa in der EU und es fehlt an Union in der EU», so Juncker.
Merkel sieht Grundlagen der EU gefährdet
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat die Partnerstaaten in der Europäischen Union davor gewarnt, mit einem Versagen in der Flüchtlingsfrage die Fundamente der Gemeinschaft zu beschädigen.
«Wenn Europa in der Flüchtlingsfrage versagt, dann ginge ein entscheidender Gründungsimpuls eines geeinten Europas verloren», sagte Merkel am Mittwoch in der traditionellen Generaldebatte über die Politik der deutschen Regierung im Bundestag. «Nämlich die enge Verbindung mit den universellen Menschenrechten, die Europa von Anfang an bestimmt hat und die auch weiter gelten muss.»
Innerhalb Europas sei Solidarität bei der Versorgung der Flüchtlinge gefordert, wiederholte die Kanzlerin. «Insgesamt brauchen wir eine verbindliche Einigung über eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen nach fairen Kriterien zwischen allen Mitgliedsstaaten.»
Nur dann würden sich alle EU-Mitglieder um die Behebung von Fluchtursachen und internationalen Konflikten kümmern. Merkel sicherte zu, Deutschland werde auch künftig bei der Lösung von Problemen mit vorangehen. (sda/dpa/reu)