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Wie die ZSC Lions dem HC Davos den Strom abgestellt haben

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Wie die ZSC Lions dem HC Davos den Strom abgestellt haben

Trainer Arno Del Curto hat es kommen sehen. Sein HCD war gegen die ZSC Lions im ersten Finalspiel praktisch chancenlos und verlor 0:3. Und es gab eine berührende Geste der Dankbarkeit und des Respektes für einen grossen Spieler: Reto von Arx durfte ins Team zurückkehren. 
03.04.2015, 08:3003.04.2015, 08:31
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Die ZSC Lions haben uns im Hallenstadion zum Finalauftakt ein Hockey-Kunsterlebnis beschert. Nicht ein triviales, raues, dramatisches Hockeyvergnügen. Nein, edle Hockey-Kunst. 

Bei einer Analyse erliegt der Chronist gerne der Versuchung die Geschichte eines Spiels vom Ende her zu erzählen. Also im Wissen ums Resultat. Und hinterher ist ein Sieg immer verdient und logisch. Auch dann, wenn alles hätte anders kommen können. 

Aber bei diesem Finalauftakt gibt es kein «wenn» und «aber» und kein «hätte» und «könnte». Die ZSC Lions haben dem Gegner auf höchstem Niveau den Strom abgestellt. Spielerisch und taktisch war es ein grandioser Finalauftakt zwischen zwei Teams, die Eishockey spielen und zelebrieren. Eishockey als Spiel, das Spass macht. Und nicht als Arbeit, die bloss Pflichterfüllung ist. 

Ein Spass für jeden neutralen Fan: Das Finale zwischen den ZSC Lions und Davos.
Ein Spass für jeden neutralen Fan: Das Finale zwischen den ZSC Lions und Davos.Bild: KEYSTONE

HCD 30 Minuten lang mit bestem Eishockey

Aber wie ist es möglich, dass der HCD, der zuvor den SCB im Halbfinale der taktischen und spielerischen Lächerlichkeit preisgegeben hat, nun chancenlos war? 

Der HC Davos spielte in Zürich 30 Minuten lang sein bestes Hockey. Konzentriert, präzis, schnell, dynamisch. Der Unterschied zum Halbfinale gegen den SCB: So wie die Lemminge blind dem Meer zustreben, so liefen die Berner wie taktische und spielerische Lemminge einfach blindlings aufs HCD-Tor los. Es war für die Davoser verhältnismässig einfach, den scheibenführenden SCB-Spielern immer wieder den Puck abzunehmen, die telefonierten Pässe «abzubeissen», die Passlinien zu durchkreuzen und mit schnellen Gegenstössen («schlagen aus der Hinterhand») die Entscheidung herbeizuführen. 

Ja, da muss der Del Curto nachdenken. Was jetzt?
Ja, da muss der Del Curto nachdenken. Was jetzt?Bild: KEYSTONE

HCD-Rezept funktioniert gegen alle – ausser gegen den ZSC

Dieses taktische Rezept funktioniert gegen jeden Gegner – aber nicht gegen die ZSC Lions. Das Problem: Die Zürcher verstanden es, mit allen vier Blöcken den Puck zu «monopolisieren». Also in den eigenen Reihen zu halten. Sie schlugen keine leichtsinnigen Pässe und sie machten nicht den Fehler, die Scheibe nach vorne zu tragen.

Für die Davoser war es gegen die ZSC Lions schwierig, den Puck zu erkämpfen und zu kontern. Weil sie den Puck nicht kriegten. Die ZSC Lions entzogen dem Gegner den Puck und stellten so den Strom ab. So waren die Davoser gezwungen, selber von hinten heraus aufzubauen und so fehlte das freie Eis. Weil sie dann auf eine organisierte Abwehr trafen. Die ZSC Lions haben beim Finalauftakt in der eigenen Zone praktisch keine Fehler gemacht. 

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HCD-Trainer Arno Del Curto hatte geahnt, dass es so kommen wird. Er habe vor dem Spiel fünf Wetten abgeschlossen. «Ich habe gewettet, dass die ZSC Lions im Final noch einmal zusetzen und viel besser spielen werden als je während der Qualifikation. Genau so war es dann.»

Natürlich gibt Arno Del Curto noch lange nicht auf. Es spricht für ihn, dass er keine Ausreden sucht und ganz einfach die Stärke des Gegners respektiert. 

Gesagt wird eh nichts, aber gezeigt viel

Ein 1:0 in einer Finalserie heisst in der Regel wenig. Es ist bloss die Ouvertüre. Aber es geht nicht nur um das, was wir im Spiel sehen. Es geht auch um das, war wir nach dem Spiel hören. Die Cheftrainer und die Spieler sagen auf der ganzen Welt nach einem Sieg im ersten Spiel einer Finalserie immer die gleichen Sprüchlein. Dass noch nichts entschieden sei, dass man das Spiel sofort vergessen und wieder nach vorne schauen müsse, dass es ein sehr starker Gegner sei und so weiter und so fort. Deshalb verzichten wir an dieser Stelle auf die verschiedenen Zitate. 

Aufschlussreicher ist schon das Verhalten von ZSC-Sportchef Edgar Salis. Wir erinnern uns: Als die ZSC Lions im Viertelfinale gegen den Aussenseiter Biel nach einer Niederlage in der sechsten Partie in Biel (1:3) in arge Bedrängnis gerieten und zu einem siebten Spiel gezwungen wurden, blieb Edgar Salis ruhig. Er zeigte im Kabinengang des alten Bieler Stadions nicht das kleinste Anzeichen von Unsicherheit. Es war die ruhige Selbstsicherheit, die rund um grosse Sportorganisationen in heiklen Momenten zu spüren ist. Die nichts mit Arroganz zu tun hat. Aber mit der Gewissheit, dass alles getan worden ist, um den Erfolg zu sichern. 

Kein offenes Eis für den HCD. Der ZSC weiss, wie man die Bündner spielen muss.
Kein offenes Eis für den HCD. Der ZSC weiss, wie man die Bündner spielen muss.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus

Jetzt stehen die ZSC Lions im Finale und haben das erste Spiel gewonnen. Und wieder ist der ZSC Sportchef ruhig und gelassen. Er sagt auf die Frage, ob es das beste Saisonspiel gewesen sei: «Nein, wir können besser spielen.» Als er dann allerdings gefragt wird, wann die ZSC Lions diese Saison besser gespielt hätten, studiert er lange – und findet keine Antwort.  

Zweite Partie wird wegweisend

Was hätten die ZSC Lions besser machen können? Die Antwort ist eigentlich klar: Nichts. Es war das perfekte Spiel. Aber Edgar Salis sagt: «Im ersten Drittel waren wir besser. Aber im Mitteldrittel hatte Davos eine gute Phase und da hätte ein Tor gegen uns fallen können.» Es ist die nüchterne Analyse eines Sportchefs, der einst als Spieler während einer grossen Karriere durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist und weiss: Es kann immer alles passieren. Wie der Chef, so die Untergebenen: Die ZSC Lions werden nicht den Fehler machen, die eigene Stärke zu überschätzen und den Gegner zu unterschätzen. Das ist keine gute Nachricht für den HC Davos.  

Die zweite Partie wird bereits wegweisend sein. Gegen diese ZSC Lions wird es auch für diesen starken HC Davos nicht mehr möglich sein, einen 0:2-Rückstand aufzuholen.  

Reto von Arx gab sein Comeback und war: ein Ausfall.
Reto von Arx gab sein Comeback und war: ein Ausfall.Bild: KEYSTONE

Das Geschenk an Reto von Arx

Wie Arno Del Curto auf watson.ch angekündigt hatte, kehrte Reto von Arx für diese erste Finalpartie in die Mannschaft zurück. Sogar auf der Position des ersten Centers. Es war die erste Partie des 38-jährigen Leitwolfes seit dem 31. Januar (0:1 gegen die ZSC Lions). Er war nie dazu in der Lage, das Spiel so zu dominieren wie zu seinen besseren Zeiten. Es ging zu schnell für ihn und er musste mit einer Minus-1-Bilanz vom Eis. Wenn er Fritz Müller hiesse und wir nicht um seine Verdienste, seine Persönlichkeit und seine grandiose Karriere wüssten, dann wären wir so frech zu sagen: Der erste Center des HC Davos war ein Ausfall. 

Diese Rückkehr von Reto von Arx ist letztlich kein taktischer Schachzug. Sondern eine grosszügige Geste von Arno Del Curto. Eigentlich ein Geschenk des HCD-Trainer. Oder besser: Eine berührende Geste des Respektes und der Dankbarkeit für diesen grossartigen Spieler. Er sagt denn auch: «Ich denke, in diesem Falle durfte ich ein Geschenk machen.» Ob Reto von Arx auch in der zweiten Partie am Samstag dabei sein wird, lässt der HCD-Trainer offen. «Vielleicht schone wir ihn und er kehrt dann fürs dritte Spiel wieder in die Mannschaft zurück.»

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