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Ein Referendumskomitee um Pensionär Robert Mayer hat sämtlichen Stimmberechtigten von Oberwil-Lieli Unterschriftsbögen zugestellt. Damit wollen Mayer und seine Mitstreiter auf den Entscheid der Gemeindeversammlung von Ende November zurückkommen. Die Studentin Johanna Gündel hatte damals mittels Antrag den Plan des Gemeindepräsidenten Andreas Glarner (SVP) durchkreuzt, Ersatzabgaben an den Kanton zu zahlen, um sich von der Unterbringung von acht Flüchtlingen freizukaufen. Gemäss dem angenommenen Antrag Gündels soll das Geld nun für die Beherbergung der Flüchtlinge verwendet werden.
Das passt dem Referendumskomitee nicht. Das Begleitschreiben zu den Unterschriftsbögen strotzt vor xenophoben Allgemeinplätzen und leicht widerlegbaren Behauptungen. Untenstehend das Schreiben und die falschen Tatsachendarstellungen im Detail:
Behauptung: «Wenn wir Flüchtlinge aufnehmen, senden wir vielen weiteren Hunderttausenden ein Signal, auch hierherzukommen.»
Tatsache: Flüchtlinge flüchten nicht, weil Schweizer Gemeinden signalisieren, dass man sie aufnehmen würde. Sie flüchten aus wirtschaftlicher Not oder wegen Bedrohung an Leib und Leben in Kriegssituationen oder in diktatorischen Regimen. Flüchtlinge lassen sich auch nicht zwingend dort nieder, wo sie die meisten Leistungen erhalten. Das wichtigste Kriterium für die Auswahl des Niederlassungsortes ist die Grösse der bereits vorhandenen Diaspora der jeweiligen Volksgruppe. So lassen sich Syrer und Afghanen eher in Deutschland und Skandinavien nieder, Eritreer in der Schweiz.
Behauptung: «Wir lassen den Flüchtlingen mehr Aufmerksamkeit zukommen als hilfsbedürftigen Schweizern.»
Tatsache: Die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge in der Schweiz hat keinen Einfluss auf die Höhe der an hilfsbedürftige Schweizer ausgezahlten Arbeitslosen-, Sozialhilfe- oder IV-Gelder. Die Sozialhilfeansätze für Asylbewerber mit Ausländerausweis N liegen rund 20 Prozent unter denjenigen für Inländer. Das gleiche gilt für «vorläufig aufgenommene Ausländer» der Kategorie F. Lediglich «vorläufig aufgenommene Flüchtlinge» der Kategorie F erhalten in der Sozialhilfe die gleichen Ansätze und damit gleich viel und nicht mehr materielle Aufmerksamkeit als hilfsbedürftige Schweizer. Asylbewerber mit Nichteintretens- oder negativem Asylbescheid erhalten nur Nothilfe, sprich Unterkunft und Verpflegung.
Behauptung: «Wegen der lernschwachen Flüchtlings-/Migrantenkinder sinkt das Bildungsniveau aller Schüler mit schweren Folgen für den künftigen Arbeitsmarkt.»
Tatsache: Für den Lernerfolg und das Bildungsniveau der Schülerinnen und Schüler ist weniger entscheidend, wie viele fremdsprachige Kinder integriert werden müssen, sondern wie gross die Klassen sind. Als Faustregel gilt: Je grösser die Klassen, desto geringer der Lernerfolg. Die Lehrer selbst sehen als Problem Nummer eins die Klassengrösse, die Integration folgt erst an dritter Stelle. Seit den 80er-Jahren sind die Limits für Klassengrössen hauptsächlich wegen bürgerlicher Sparanstrengungen stark angestiegen. Heute liegt die Höchstklassengrösse für Primarschulen im Kanton Zürich bei 25 Kindern pro Klasse. 1984 betrug die durchschnittliche Klassengrösse 19,5 Kinder. 2014 lag der Durchschnitt bei 20,7 Kindern.
Behauptung: «Wir sorgen dafür, dass Flüchtlinge/Migranten zu einer Wohnung kommen und dafür einheimische Bürger und Paare mit Kindern auf der Strecke bleiben.»
Tatsache: Flüchtlinge und Migranten sind für die Wohnungssuche selbst verantwortlich, sie schliessen die Mietverträge mit den Vermietern selbst ab. Dies bis zu einer Höhe des Maximalansatzes für Monatsmieten, den die kantonalen Asylorganisationen festlegen. Nicht selten reizen die Vermieter die Limiten aus und vermieten den mit örtlichen Standards nicht vertrauten Flüchtlingen zu kleine oder heruntergekommene Wohnungen. Einheimische Bürger und Paare, die nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, mieten solche Wohnungen nicht. Und diejenigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, erhalten mindestens den gleichen Standard wie die Migranten. Auf der «Strecke», beziehungsweise auf der Strasse, bleibt niemand. Personen im Asylverfahren wohnen in von Gemeinden bereitgestellten Unterkünften oder Empfangs-, beziehungsweise Durchgangszentren des Bundes.
Behauptung: «Flüchtlinge/Migranten in ihrem tief verwurzelten, islamischen Glauben können sich nicht integrieren und unsere Gesetze und Lebensgewohnheiten nicht akzeptieren, und dies wird vor allem bei der zweiten Generation zu schweren Zerwürfnissen mit unseren Landsleuten und den Behörden führen.»
Tatsache: Mit den Jugoslawien-Kriegen Anfang der 90er-Jahre hat sich in der Schweiz in kurzer Zeit eine grosse albanische Diaspora gebildet, die aktuell geschätzt 200'000 Personen umfasst. Der Hauptharst dieser Albaner aus dem Kosovo und Mazedonien stammte aus muslimischen Familien, die bereits in der Schweiz ansässige Gastarbeiter nachholen konnten. Das führte zu familiären Problemen und grossem Frustrationspotenzial, das sich in den neunziger Jahren auch in einem Anstieg der Jugendkriminalität manifestierte. Das Problem war aber, dass die muslimischen Eltern ihre Kinder oft nicht so ohne weiteres in den christlich-westlichen Lebensstil entlassen wollten. Es ist also nicht das Problem, dass die zweite Generation ihren islamischen Glauben nicht ablegen will, sondern das Gegenteil. Die zweite Generation dieser albanischen Flüchtlinge aus dem Jugoslawien-Krieg ist heute in Wirtschaft und Gesellschaft genauso gut integriert wie die italienischen Secondos.
Behauptung: «Wir schaffen hier Zustände ähnlich den Banlieues in Frankreich und können die schlecht ausbildungsfähigen Migranten in dieser Anzahl niemals in unseren hochtechnisierten Arbeitsmarkt integrieren.»
Tatsache: In Frankreich beträgt die Jugendarbeitslosigkeit landesweit 27 Prozent, in den Banlieues teils über 40 Prozent. Diese Misere liegt weniger in der geographischen Ballung von Migranten in Vorstädten begründet denn im napoleonisch-elitären Bildungssystem Frankreichs. Alles, was zählt, ist Baccalauréat (Matur) mit anschliessendem Universitätsabschluss. Wer das nicht schafft, ist in vielen Fällen auf Hilfsjobs angewiesen. Zudem sorgt der starke Kündigungsschutz dafür, dass es für Junge schwer ist, sich im Berufsleben zu etablieren. Das duale Schweizer Bildungssystem, das zudem von der Berufslehre zum Universitätsabschluss sehr durchlässig ist, verhindert, dass grosse Massen von Jugendlichen durch die Maschen fallen und nach 25 ganz ohne Ausbildung dastehen. Die albanisch-muslimische Flüchtlingswelle der 90er-Jahre hat sich jedenfalls nicht in den Arbeitslosen- und Sozialhilfe-Statistiken niedergeschlagen.
Behauptung: «Unsere Sozialkassen sind schnell leer und damit stehen zu wenige Mittel für bedürftige Mitbürger in diesem Land zur Verfügung.»
Tatsache: Das Gegenteil ist wahr. Junge Migranten kompensieren einen Teil der Überalterung in der Bevölkerungspyramide und zahlen mehr in die AHV und die ALV ein, als sie beziehen. Die wirksamste Methode, die AHV zu sanieren, wäre, mehr einzahlende Ausländer in die Schweiz zu holen, als es beziehende Inländer gibt. Das Bundesamt für Sozialversicherungen geht davon aus, dass 10'000 Einwanderer weniger pro Jahr eine zusätzliche Beitragslücke in der AHV von rund 1,2 Milliarden Franken jährlich hinterlassen. Die Ausgabenexplosion der Sozialhilfe ihrerseits fusst nicht in der starken Einwanderung in die Sozialhilfe, sondern in der an älteren Arbeitnehmern nicht interessierten Wirtschaft, den strengeren Rentenkriterien in der IV nach der letzten Revision, die IV-Rentner in die Sozialhilfe treibt und im überhitzten Immobilienmarkt, in dem die Mietpreise stark ansteigen.
Behauptung: «Unsere AHV/IV-Kasse muss infolge vieler Bezüger, die nie einbezahlt haben, die Renten für alle kürzen.»
Tatsache: Die Migranten zahlen mehr in die Sozialwerke ein, als sie beziehen. Und gerade weil die Migranten in die Sozialwerke einzahlen, müssen die Renten nicht oder erst später gekürzt werden.
Behauptung: «Die schon stark überbelegten Gefängnisse werden nicht ausreichen.»
Tatsache: Die knapp werdenden Kapazitäten in Schweizer Gefängnissen sind nicht hauptsächlich auf kriminelle Asylbewerber zurückzuführen. Die letzten bekannten Zahlen von 2013 zeigen, dass der Löwenanteil der ausländischen Häftlinge im Strafvollzug mit 1329 Personen Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung, also Kriminaltouristen waren. Demgegenüber sassen 950 niedergelassene Ausländer und 686 Asylsuchende ein. 2014 war der Hälftlingsbestand gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent gesunken, die Auslastung der Gefängnisse lag schweizweit bei 96 Prozent, in der Nordwest- und Innerschweiz bei 86 Prozent und in der Ostschweiz bei 85 Prozent. Die grössten Probleme verursachen nicht Asylbewerber und Flüchtlinge, sondern Untersuchungshäftlinge, deren Inhaftierungen zeitlich nicht planbar sind und die massiv steigende Anzahl von immer älter werdenden Häftlingen in stationären Massnahmen (kleine Verwahrung), die immer seltener aufgehoben werden.
Behauptung: «Wir stellen Flüchtlingen gratis Anwälte zur Verfügung, die gegen uns handeln.»
Tatsache: Das neue Asylgesetz sieht vor, Asylbewerbern während der in den Bundeszentren abgewickelten Verfahren einen Anwalt zuzuteilen. Dies ist nötig, um die Verfahren abzukürzen und damit die Kosten der Asylverfahren zu senken. Nichtsolvente Asylbewerber haben so oder so Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, also einen «Gratisanwalt», beanspruchen diesen im Status quo einfach in einem dezentral geführten Asylverfahren und über einen längeren Zeitraum. Die Gratisanwälte in den Bundeszentren verkürzen die Asylverfahren, sparen damit Geld und handeln in «unserem» Interesse.
mehrheitlich linke Politiker eine höhere Maturitäts-Quote. Diese verweisen dabei gerne immer wieder auf die europäischen Nachbarländer, welche eine hohe Maturitäts-Quote aufweisen (gleichzeitig aber auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit...)
F7: Tönt nach Schneeballsystem.
F8: Ihr Art. bezieht sich auf einwandernde Fachkräfte. Diese Diskussion dreht sich aber um Flüchtlinge. Ausserdem, wie bereits erwähnt: Schneeballsystem.
Nicht zu übersehen ihre Aussage: Müssen die Renten erst später gekürzt werden, foglich werden sie so oder so gekürzt.
Ich wünsche mir bessere Argumente, Herr Thiriet.