Nach dem israelischen Militär hat auch die radikalislamische Hamas einer fünfstündigen Feuerpause ab Donnerstagmorgen zugestimmt. Um die Waffenrufe aus «humanitären Gründen» hatten die Vereinten Nationen gebeten. Kurz vor Beginn dieser Feuerpause hat die israelische Luftwaffe erneut Ziele im Gazastreifen bombardiert. Bei einem Angriff in Deir al-Balah am frühen Donnerstagmorgen ist nach palästinensischen Angaben mindestens ein Palästinenser getötet worden.
Zwei weitere Personen seien verletzt worden, teilten palästinensische Rettungskräfte mit. Nach Angaben einer Armeesprecherin wurden seit Mittwoch um Mitternacht insgesamt 37 Luftangriffe geflogen. Die Hamas schoss demnach sieben Raketen auf Israel ab. Vier seien auf Feldern eingeschlagen und drei von der israelischen Luftabwehr abgefangen worden.
Die israelische Armee hatte am Mittwochabend angekündigt, dass es aus «humanitären» Gründen in der Zeit von 10 Uhr bis 15 Uhr Ortszeit keine Angriffe auf Ziele im Gazastreifen geben werde. Ein Regierungsvertreter hatte zuvor erklärt, die Bitte um eine Feuerpause sei von der UNO geäussert worden.
As a result of dialogue between the IDF and the UN, we will enable a humanitarian window in Gaza tomorrow between 10:00 and 15:00.
— IDF (@IDFSpokesperson) 16. Juli 2014
Am Dienstag hatte eine von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe nur wenige Stunden gehalten. Lediglich Israel hatte das Feuer kurzzeitig eingestellt, nicht aber die radikal-islamische Hamas. Dass die Hamas die neuerliche Feuerpause nun einhalten wollen, kündigte ein Sprecher der Palästinenserorganisation in der Nacht zum Donnerstag an.
Israels Armee hat nach eigenen Angaben kurz vor der befristeten Waffenruhe einen grösseren Anschlag an der Grenze zum Gazastreifen verhindert. Laut Angaben der israelischen Armee waren 13 schwer bewaffnete Palästinenser durch einen Tunnel etwa 250 Meter weit nach Israel vorgedrungen.
Die israelische Luftwaffe habe angegriffen und damit eine mögliche Attacke auf den nahe gelegenen Kibbuz Sufa verhindert, sagte Armeesprecher Peter Lerner am Donnerstag. Es sei noch unklar, ob es Tote unter den Angreifern gab, die unter anderem mit Panzerfäusten bewaffnet waren. Lerner fügte hinzu, dass der Angriff keine Auswirkungen auf die geplante Waffenruhe habe.
Nach dem Scheitern der Waffenruhe vom Dienstag hatte Israel am Mittwoch seine Angriffe auf Ziele im Gazastreifen verstärkt und Wohnhäuser mehrerer Hamas-Politiker bombardiert. Die Intensivierung war deutlich zu sehen: Auf einem Strand in der Stadt Gaza zum Beispiel schlug am Nachmittag ein Geschoss ein: vier Kinder wurden getötet und mehrere weitere verletzt. Das teilte der palästinensische Rettungsdienst mit.
Augenzeugen zufolge hatten die Kinder Fussball gespielt, als die Bombe oder Granate auf dem Strand einschlug. Palästinensische Stellen in Gaza sprachen von einem israelischen Luftangriff.
Die Zahl der Toten seit Beginn der israelischen Offensive gegen die radikal-islamische Hamas am 8. Juli stieg nach palästinensischen Angaben auf 214. Mehr als 1600 Palästinenser wurden verletzt. Auf israelischer Seite kam ein Zivilist durch eine Rakete aus dem Gazastreifen ums Leben.
Die Hamas und mit ihr verbündete Milizen setzten ihre Angriffe auf Israel am Mittwoch gleichfalls fort. Nach Angaben der Armee feuerten sie 43 Raketen ab. Die meisten davon wurden vom Abwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel) abgefangen.
In der Mittelmeer-Metropole Tel Aviv heulten am Vormittag erneut die Sirenen. In der südlichen Stadt Aschkelon wurde der norwegische Aussenminister Børge Brende von einem Raketenangriff überrascht, als er mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman in einem Restaurant speiste.
Bereits früh am Mittwoch hatten die israelischen Streitkräfte mindestens eine Viertelmillion Menschen im nördlichen Gazastreifen aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Schon in der Nacht zuvor hatten sie die Wohnhäuser mehrerer Hamas-Führer in dem Palästinensergebiet bombardiert, darunter das Haus des Spitzenpolitikers Mahmud Sahar.
Automatisierte Telefonanrufe, Flugblätter und SMS-Kurznachrichten riefen die Palästinenser auf, die Gegenden um Beit Lahia, Sadschaija und Saitun zu verlassen.
Das Hamas-geführte Innenministerium in Gaza warnte die Palästinenser nach Medienberichten jedoch, dem Aufruf Folge zu leisten. Die Nachricht der Israelis solle nur «Chaos und Verwirrung stiften», hiess es demnach in einer Mitteilung. Dennoch hatten bis zum Nachmittag rund 21'000 Menschen in Schulen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) Schutz gesucht.
Ob Israel Bodentruppen in den Gazastreifen entsenden wird, war am Mittwochabend weiterhin unklar. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte für Mittwoch eine Intensivierung der Angriffe gegen die Hamas angekündigt. Eine zuvor von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe hatte am Dienstag nur wenige Stunden gehalten, lediglich Israel hatte sich danach gerichtet.
Unterdessen wurde in der ägyptischen Hauptstadt Kairo weiter um eine Feuerpause gerungen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas traf dort am Mittwochnachmittag ein, um an den Gesprächen teilzunehmen, am Donnerstag wollte er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi treffen.
Auch ein Hamas-Mitglied wollte in Kairo mit einem Vertreter der ägyptischen Regierung über eine Waffenruhe beraten. Details dazu wurden aber nicht bekannt. Der Sonderbeauftragte des Nahost-Quartetts, Tony Blair, führte seinerseits Gespräche mit Al-Sisi und dem ägyptischen Aussenminister. (dwi/rey/sda/dpa/afp)