SBB zum Milliardenauftrag für Siemens: «Vorteilhaftestes Angebot eingereicht»
Der Milliardenauftrag für 116 neue Doppelstockzüge für die S-Bahn in Zürich und in der Westschweiz geht an Siemens Mobility. Mit der Entscheidung der SBB für den deutschen Hersteller haben sich Hoffnungen von Stadler Rail, die Produktion dieser Doppelstöcker in der Schweiz zu behalten, zerschlagen. Die Züge sollen Anfang der 2030er Jahre in Betrieb genommen werden.
Insgesamt waren drei Anbieter im Rennen, wie SBB-CEO Vincent Ducrot am Freitag vor den Medien in Bern erklärte. Die ausschlaggebenden Kriterien für die Wahl des Herstellers waren demnach die Investitionskosten, der Betriebsaufwand, die Instandhaltungskosten und die Nachhaltigkeit. Gebaut werden die neuen Züge im deutschen Krefeld ab 2028, ein Jahr später sollen erste Test- und Zulassungsfahrten stattfinden und ab 2031 die ersten Einsätze.
Die neuen Siemens-Doppelstöcker erfüllen laut Ducrot folgende Erwartungen: mit Geschwindigkeit einen dichten Fahrplan zu gewährleisten, schnelles Ein- und Aussteigen zu ermöglichen, mit einem hellen Ambiente ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln, genügend Steckdosen zu bieten und ausreichend Platz für Gepäck und Velos bereitzustellen.
Um den 2,1-Milliarden-Franken-Auftrag hatte auch der Thurgauer Bahnbauer Stadler Rail gebuhlt sowie ein weiterer Hersteller, der auf Anfrage nicht genannt wurde.
Stadler enttäuscht - Unia mit Unverständnis
In einer Reaktion bedauerte Stadler am Freitag, nicht zum Zug gekommen zu sein. Stadler wollte die Doppelstöcker nach eigenen Angaben in der Schweiz bauen, gemeinsam mit über 200 Zuliefer-Betrieben aus dem ganzen Land. Dadurch wären laut Stadler bis zu 80 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz geblieben. Siemens werde die Züge zwar in Deutschland bauen, die SBB deren Wartung aber in der Schweiz besorgen, sagte Ducrot.
Die Gewerkschaft Unia reagierte mit Unverständnis auf den Vergabe-Entscheid der SBB. Es werde ein Milliarden-Auftrag für Rollmaterial an eine Firma vergeben, die keine Produktionsstätten in der Schweizer unterhalte, beklagte Unia in einer Mitteilung vom Freitag.
Die Gewerkschaft fordert die SBB und den Bundesrat auf, «öffentlich darzulegen, worin bei diesem grossen Rollmaterial-Auftrag die Unterschiede bei den zentralen und entscheidenden Bewertungskriterien - Produktqualität, Erfahrung, Umweltfreundlichkeit, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplätze in der Schweiz - bestanden haben», wie sie schreibt.
Stadler Rail hält sich bedeckt, ob das Unternehmen Rekurs gegen die Vergabe der SBB an Siemens einlegt. Das deutsche Unternehmen hat seit 20 Jahren keine Doppelstockzüge mehr für die SBB gebaut. Deshalb muss Siemens für den Grossauftrag der SBB einen völlig neuen Doppelstockzug entwickeln.
Ersatz nach 40 Jahren
Der Grund für den Grossauftrag nach Deutschland: Die 100 Meter langen Züge der ersten Generation der Zürcher S-Bahn müssen nach 40 Jahren ersetzt werden. 95 der neuen Züge mit einer Länge von 150 Metern und über 500 Sitzplätzen sollen im Raum Zürich in den fahrplanmässigen Einsatz gelangen.
Die neuen doppelstöckigen Triebzüge sollen in erster Linie die Fahrzeuge des Typs «Doppelstockpendelzug DPZ» und des «Hauptverkehrszeit-Doppelstockzuges HVZ-D» ersetzen.
21 weitere Fahrzeuge sind für den Einsatz in der Westschweiz eingeplant - in der RER Vaud und auf der Linie RE33 Martigny VS - Annemasse (F). Die Züge werden sich in Zürich und in der Westschweiz innen und aussen in der Farbgebung unterscheiden.
Die neuen Züge müssen den Anforderungen der Zürcher S-Bahn gerecht werden. So sind zusätzliche Multifunktionszonen notwendig, die im Berufsverkehr Platz für Pendlerinnen und Pendler bieten, die nur kurze Strecken fahren und stehen bleiben möchten.
Vorgesehen sind zudem ein Niederflureinsteig bei allen Türen sowie Steckdosen in der 1. und 2. Klasse. Verstellbare Sitze und klappbare Tische sollen den Komfort in der 1. Klasse erhöhen. Die Züge sollen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde verkehren. (sda)
