Partnerschaften haben sich verändert. Nicht nur wird jede zweite Ehe durch Scheidung aufgelöst. Es wird auch neu geheiratet, alleine erzogen und in Konkubinaten oder eingetragenen Partnerschaften gelebt. Der Bundesrat ist der Meinung, das Recht müsse diesen Umständen Rechnung tragen, eine Reform sei erforderlich. Als Vorschläge präsentierte er Partnerschaftsmodelle, wie man sie aus Frankreich kennt (pacte civil de solidarité). Oder klarere Regeln für Konkubinate – vor allem für Fälle, wo Beziehungen unerwartet enden.
Nun nimmt sich die Rechtskommission des Ständerats der Frage an, ob die Ehe für alle Paare geöffnet werden soll. Ins Spiel gebracht hat den Vorschlag die Grünliberale Partei (GLP). Sie argumentiert, bei der heutigen Regelung handle es sich um eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare, denen bloss eine Ehe «zweiter Klasse», die eingetragene Partnerschaft, erlaubt sei. «Diese Deklassierung aufgrund biologischer Unterschiede ist mit einem liberalen Gesellschaftsbild und einem modernen Rechtsstaat unvereinbar.»
Hört man sich bei Politikern unterschiedlicher Parteien um, trifft der Vorschlag durchaus auf Zustimmung. So ist auch der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach guter Dinge: «Ich rechne der Initiative durchaus Chancen zu.» Flach muss morgen die Vorlage in der ständerätlichen Rechtskommission verteidigen. Zwar ist die Kommission des Nationalrats der Vorlage mit 12:9 Stimmen gefolgt.
Dass die Vorlage auch im Ständerat durchkommt, ist erstens unsicher, weil die Parteien in gesellschaftspolitischen Fragen oft gespalten sind. Und zweitens könnte die parteipolitische Übermacht der CVP im Stöckli dem Anliegen zum Verhängnis werden. Denn die «Ehe für alle» konkurriert mit einem Herzensanliegen der CVP: Der Abschaffung der Heiratsstrafe, die bald zur Abstimmung kommt.
Aus diesem Grund ist CVP-Ständerat Pirmin Bischof auch überzeugt, dass die «Ehe für alle» von seiner Partei wohl abgelehnt werde. «Die Diskussion darüber haben wir im März geführt, als es um den Gegenvorschlag zur CVP-Initiative ging.» Damals wollte man die Formulierung streichen, dass eine Ehe explizit «eine Beziehung zwischen Mann und Frau» sei. Bischof: «Der Vorschlag wurde abgelehnt. Das Thema ist vom Tisch.» Überhaupt handle es sich seit der Einführung der eingetragenen Partnerschaft für Lesben und Schwule um ein Scheingefecht: «Die gleichgeschlechtlichen Paare sind den Eheleuten gleichgestellt: Nicht nur im Steuerrecht, sondern auch im Sozialversicherungsrecht und im Eherecht», sagt Bischof.
Ausnahme ist die Kinderadoption. Könnten neu auch gleichgeschlechtliche Paare den Bund der Ehe eingehen, wäre ihnen ebenfalls erlaubt, Kinder zu adoptieren. Um das emotional aufgeladene Thema wissen sowohl Befürworter als auch Gegner Bescheid. Pirmin Bischof sagt: «Bewusst wird hier die Ehe bevorzugt. Ein Kind soll, wenn möglich eine Mutter und einen Vater haben.»
Beat Flach kontert: Eine Adoption bleibe auch in Zukunft etwas sehr Seltenes. «Zudem ist eine ungewöhnliche Familie immer noch besser als keine Familie.» Bestärkt sieht sich Flach durch Umfragen, die zeigten, dass sich die Bevölkerung in gesellschaftspolitischen Fragen öffne. «Sogar die CVP-Basis steht nicht mehr geschlossen hinter dem klassischen Ehemodell.» Ob das Argument auch den Ständerat überzeugen kann, wird sich morgen zeigen. (trs)