
Sag das doch deinen Freunden!
Seit den Weihnachtstagen ist nichts mehr wie früher bei Raymond van Barneveld. Der 48-Jährige wurde zum ersten Mal Grossvater. Seine jüngste Tochter Patty schenkte mit 21 Jahren Enkel Mason Stephan das Leben. Der stolze Opa Van Barneveld erklärte: «Das hilft mir ungemein.» Es dürfte ihn aber auch ungemein schmerzen. Denn «Barny» ist der einzige der Familie, welcher den Spross noch nicht gesehen hat. Er will damit bis nach der WM warten.
Vermutlich dachte er zu Beginn des Saisonhighlights für die besten Pfeilwerfer der Welt selbst nicht, dass er damit bis ins neue Jahr warten müsse. Die letzten Monate liefen schlecht, der fünffache Weltmeister rutschte in der Weltrangliste bis auf Rang 16 ab. Niemand rechnete dem «Auslaufmodell» wirklich Chancen an.
Doch in einem epischen Duell eliminierte van Barneveld Topfavorit Michael van Gerwen und freute sich danach: «Das fühlt sich schon wie ein Titel an. Ich wusste, ich kann es schaffen. Aber dafür musste ich vom Mars sein. Vielleicht war ich das.»
Ähnlich ausserirdisch mutete seine Leistung im Viertelfinal gegen Michael Smith an. 0:3 lag er in den Sätzen zurück, 0:2 in den Legs im Entscheidungssatz. «Beim 0:3 dachte ich, das war's. Beim 0:2, jetzt aber wirklich.» Zweimal kämpfte er sich zurück und van Barneveld strotzt vor dem Halbfinal heute gegen Adrian Lewis vor Selbstvertrauen: «Es könnte mein Jahr werden. Es geht um den Glauben, ums Zurückkämpfen.»
Mit dem Sieg im Viertelfinal gegen Smith «sicherte» sich der Holländer seine eigene Bestmarke von 21 180ern in einem WM-Spiel. Smith hatte zuvor angekündigt, er werde diese Marke übertreffen.
Im Halbfinal von heute bleibt van Barneveld aber der Aussenseiter. Der zweifache Weltmeister Adrian «Jackpot» Lewis überzeugt bisher. Der 25-Jährige weiss jedoch, dass mit dem Darts-Opa zu rechnen ist. Schon nach dem Erfolg über van Gerwen zollte er ihm mit diesem Tweet Respekt: «Damit das klar ist ... Raymond hat Eier aus Stahl.»
Let's make one thing clear... Raymond has balls of steel
— Adrian Lewis (@jackpot180) 29. Dezember 2015
Mit einem Sieg wäre mit van Barneveld erst zum neunten Mal ein Nicht-Brite in einem PDC-WM-Final (bisher 22 Endspiele). Im zweiten Halbfinal bietet sich mit Jelle Klaasen gegen Titelverteidiger Gary Anderson (Schottland) einem zweiten Holländer die Chance auf den Finaleinzug.
Zwei Nicht-Briten in einem Darts-Finale, das war noch vor wenigen Jahren unvorstellbar (und ist es irgendwie heute noch ein bisschen). Es zeigt aber, dass sich der Sport auch auf dem europäischen Festland immer mehr etabliert. Deutsche Schmähgesänge wie «ohne Holland fahren wir zur EM» dröhnen durch den Ally Pally und Fahnen von Deutschland, Österreich und der Schweiz (gestern auch von Uri und Basel-Stadt) werden im Darts-Tempel immer öfter geschwenkt.
Vielleicht wird Darts in Holland bei einem Finaleinzug der beiden Landsmänner noch populärer. Van Barneveld beklagte sich kürzlich: «Manchmal denke ich, dass ich in meinem eigenen Land mehr Anerkennung verdient hätte.» Aktuell dürfte ihm dies allerdings ziemlich egal sein. Er dürfte sich mehr auf seine erste Begegnung mit seinem Enkel freuen: «Ich denke mir immer: Gewinne für ihn.» Er muss sich noch höchstens zwei Tage gedulden.
Dass gar kein Brite das Endspiel erreicht, kam in der PDC (seit 1994) übrigens noch nie vor. Geschafft hatten dies einzig beim Konkurrenzverband, der BDO, 2006 zwei Holländer. Es waren damals: Jelle Klaasen und Raymond van Barneveld (7:5).