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Apple hat den watson-Redaktor bestochen – und 13 andere Irrtümer rund um die Watch

Die Apple Watch ist gekommen, um zu bleiben.
Die Apple Watch ist gekommen, um zu bleiben.bild: watson

Apple hat den watson-Redaktor bestochen – und 13 andere Irrtümer rund um die Watch

Ab heute kann man die Apple Watch in der Schweiz kaufen. Die Lancierung der Uhr ist von Halbwahrheiten und Missverständnissen begleitet. Nachdem ich seit mehreren Wochen zwei Modelle teste, ist es Zeit, einiges klarzustellen.
26.06.2015, 07:3226.06.2015, 20:37
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1. Die Apple Watch soll das iPhone ersetzen

Das ist immer wieder zu hören, aber falsch. Die Apple Watch ist in der ersten Generation zu 90 Prozent ein iPhone-Zubehör. Zwar kann man mit der Uhr allein joggen gehen, Musik hören und ein paar andere mehr oder weniger nützliche Dinge tun (hierzulande ist Bezahlen leider noch nicht möglich). Aber den vollen Funktionsumfang gibts nur, wenn sich das iPhone in Bluetooth-Reichweite (bis zu 30 Meter) befindet.

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2. Der Akku macht (zu) schnell schlapp 

Natürlich wäre es praktisch, wenn die Apple-Uhr dank integriertem Mini-Solarkraftwerk überhaupt nicht mehr ans Stromnetz müsste. In der Realität ist es so, dass der kleine Computer am Handgelenk auch bei intensiver Nutzung problemlos den ganzen Tag durchhält.

Ob 18 Stunden oder 48 Stunden hängt von der Art der Nutzung ab. Tests zeigen: Ein dreistündiges Fitnesstraining mitsamt ständiger Pulsmessung saugt den Akku maximal zu einem Drittel leer. Dann bleibt noch genügend Power, um bis in den Abend erreichbar zu sein.

3. Das Aufladen ist mühsam 

Wie beim Smartphone gewöhnt man sich schnell daran, die Uhr am Abend auf die Stethoskop-förmige Ladestation zu legen. Das klappt dank magnetischer Oberfläche fast von allein und auch im Dunkeln. Sobald der Strom fliesst, wird ein grünes Blitz-Symbol angezeigt. 

Übrigens: Falls das nächtliche Aufladen mal vergessen geht, genügt es, die Uhr am nächsten Morgen für eine halbe Stunde ans Netz zu hängen. Das vollständige Aufladen dauert etwas mehr als eine Stunde.  

4. Apps sind das Wichtigste 

Die Sport-Ausführung (schwarz) aus Aluminium und die Apple Watch aus Edelstahl.
Die Sport-Ausführung (schwarz) aus Aluminium und die Apple Watch aus Edelstahl.bild: watson

Weil die Uhr ein iPhone (5 oder neuer) voraussetzt, ist verständlich, dass viele Leute von einem gleich intensiven Umgang mit Apps ausgehen. Und der Homescreen mit den vielen bunten Apps verstärkt dies. 

In Tat und Wahrheit haben es die populären Apps, die wir vom iPhone kennen, auf der Uhr schwer. Ein anschauliches Beispiel bieten die Apps von grossen Medienhäusern. Man verspürt wenig Lust, die zu Schlagzeilen eingedampften News auf der Uhr zu konsumieren, wenn dies viel bequemer auf dem grösseren iPhone-Display geht.

Die besten Interaktionen mit der Uhr passieren in wenigen Sekunden. Ein Beispiel: Die Uhr zeigt durch ein sanftes Klopfen aufs Handgelenk eine neue Benachrichtigung an. Daraufhin dreht man den Arm, um das Display zu aktivieren, schaut sich die Mitteilung an und entscheidet, ob und wie man darauf reagiert. Wenn es um mehr als eine kurze Quittierung geht, zückt man in der Regel das iPhone.

5. Es gibt keine Killer-App 

Aus meiner Sicht wenig sinnvoll sind die Apps, die versuchen, das vom iPhone bekannte Angebot abzubilden. Darum ist es auch kein Verlust, dass zum Beispiel Facebook noch nicht auf der Uhr ist.

Ich habe keine Lust, auf dem vergleichsweise kleinen Display Fotos anzugucken oder mich durch ellenlange Menüs zu klicken. 

Die Entwickler sind gefordert, mit neuen Anwendungen zu punkten. Die Apple Watch ist keine eierlegende Wollmilchsau, doch sie kann in vielen alltäglichen Situationen Unterstützung bieten und dem Träger das Leben erleichtern, sei dies beim Reisen, im Büro oder anderswo.

Die meiner Meinung nach besten Apps erfüllen einen einfachen Zweck. Zum Beispiel lässt sich mit MacID der eigene Mac-Computer automatisch entsperren, wenn man in die Nähe kommt. 

Eine andere, äusserst einfache, aber praktische App ist WaterCheck. Sie erinnert mit sanftem Tippen daran, genug Wasser zu trinken. 

6. Das Display wird zu langsam aktiviert und schaltet zu schnell wieder ab 

Durch Armdrehen wird das Display aktiviert – und erlischt nach knapp sechs Sekunden wegen des automatischen Stand-by-Modus, um den Akku zu schonen. Diese kurze Zeitspanne reicht für die meisten Aktivitäten. Und natürlich bleibt der Bildschirm eingeschaltet, wenn der Touchscreen berührt oder eine der Tasten bedient wird. 

7. Es ist ein unfertiges Produkt 

Das ist öfters zu hören, und absoluter Bullshit. Tatsache ist, dass die Apple Watch, als erste Generation einer neuen Produktkategorie, relativ ausgereift wirkt und viel zu bieten hat. Optisch überzeugt die Uhr – in der vom iPhone gewohnten Manier – durch ihr schlichtes Industrie-Design. 

Seit dem ersten kleineren Software-Update läuft alles flüssig, mal ausgenommen von vielen Apps, die sich via Bluetooth mit dem iPhone verbinden müssen. Dies wird sich im Herbst ändern, wenn das erste grosse Software-Update (watchOS 2) Native Apps ermöglicht.

Alle Materialien fühlen sich hochwertig an, sei dies Aluminium, Edelstahl oder Kunststoff. Die Liebe zum Detail macht sich speziell bei den Armbändern bemerkbar. Diese sind zwar ziemlich kostspielig, überzeugen aber durch die genial-einfache Bedienung. Innert weniger Sekunden kann man beispielsweise ein Band austauschen.

Apple nennt dieses digitale Zifferblatt «Utility».
Apple nennt dieses digitale Zifferblatt «Utility».bild: watson

8. Die Uhr ist zu teuer 

Das mag für die Apple Watch gelten und trifft sicher auf die für neureiche Russen und Ölscheichs gedachte Apple Watch Edition zu.

Die aus meiner Sicht absolut empfehlenswerte Sport-Ausführung mit grossem Display (42 Millimeter) kostet 449 Franken. Die kleinere Version gibts für 389 Franken.

Auch das ist viel Geld für ein iPhone-Zubehör! Wenn wir davon ausgehen, dass man die Apple-Uhr nach zwei Jahren weiterverkauft, betragen die monatlichen Kosten maximal 19 Franken. Die Lebensdauer dürfte einige Jahre länger sein, und der Akku lässt sich ersetzen. Ausserdem ist Apple mit dem iPhone bekannt dafür, dass ältere Modelle noch über längere Zeit mit Software-Updates versorgt werden.

Hier gehts zu unserem Kaufberater.

9. Wer eine Apple Watch umschnallt, macht sich zum Sklaven der Technik

Im Gegenteil. Wer die Uhr trägt, greift seltener (und bewusster) zum iPhone. Bei vielen Benachrichtigungen ist es nicht erforderlich, das Handy hervorzuholen. Ein kurzer Blick aufs Handgelenk spart Zeit und man gerät selten in Versuchung, einfach nur herumzuspielen.

«We want to change the way you live your life.»
Tim Cook, Apple CEO

10. Die Bedienung ist kompliziert 

Hmm, mal schauen: Man sollte sich diese vier Punkte merken: 

  1. Wischbewegungen auf dem Touchscreen: Nach oben wischen zeigt die «Checks» an, das sind vom Nutzer festgelegten Favoriten-Apps. Nach unten wischen zeigt neue Benachrichtigungen an.
  2. Die digitale Krone ist so etwas wie der Homebutton, man kann damit auch zoomen, scrollen und durch längeres Drücken Siri aufrufen. Um zwischen zwei Apps hin und her zu wechseln, zweimal drücken.
  3. Unter der digitalen Krone liegt die «Freunde»-Taste. Sie ermöglicht es, schnell mit 12 (auf dem iPhone) festgelegten Kontakten zu kommunizieren (Anrufe, Nachrichten etc.). Wenn man die Freunde-Taste länger gedrückt hält, erscheint das Ausschalt-Menü.
  4. Durch festes, längeres Drücken auf das aktivierte Display lassen sich Zusatzfunktionen aufrufen. Apple nennt dies ForceTouch. So kann man beispielsweise das digitale Zifferblatt nach eigenem Gusto anpassen. ForceTouch steht aber auch in vielen Apps zur Verfügung.

11. Das Gehäuse ist anfällig auf Kratzer 

Hierzu gibt es unterschiedliche Rückmeldungen. Offenbar wurden tatsächlich Exemplare ausgeliefert, deren Display vermutlich schon in der Fabrik verkratzt wurde. Dies war vermutlich beim Testgerät des Kollegen vom «Tages-Anzeigers» der Fall, einer Apple Watch mit Edelstahlgehäuse und angeblich kratzfesten Saphirglas.

Meine beiden getesteten Apple-Uhren, eine mit dem günstigeren Ion-X-Glas und eine mit dem teureren Saphirglas, weisen nach mehrwöchiger intensiver Nutzung keine Kratzspuren oder Beschädigungen auf.

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12. Die Uhr ist nicht wasserdicht 

Falsch. Die Apple-Uhren überstehen problemlos Hände waschen und abwaschen, starke Regengüsse und sogar Duschen und die Badewanne. Offiziell rät Apple von Tauchgängen ab, die Uhr erfüllt aber die Bedingungen der IPX7-Zertifizierung, wonach man bis zu 30 Minuten in einer Wassertiefe von bis zu einem Meter verweilen kann.

13. Die Apple Watch ist hässlich 

Schönheit liegt im Auge des Betrachters ;-)

«Believe in your fucking self. Stay up all fucking night ... think about all the fucking possibilities.»
Poster im Büro von Jony Ive, Chefdesigner Apple

14. Apple hat den watson-Redaktor bestochen

Bestechung ist kein Thema, aber ein gegenseitiges Geben und Nehmen gibt es schon. Von der Berichterstattung über das Unternehmen und seine Produkte profitieren viele: Apple, Medien, Publikum.

Apple lädt ausgewählte Schweizer Journalisten zu wichtigen Produkte-Shows ein. Dabei gilt es aus meiner Sicht Transparenz zu schaffen: Aktuell war ich zusammen mit zwei Kollegen vom «Tages-Anzeiger» und der NZZ in San Francisco, um über die Eröffnung der Entwicklerkonferenz WWDC zu berichten. Das Unternehmen bezahlte sämtliche Reisekosten, wie auch das Hotel und die Verpflegung.

Der eigentliche Grund für den dreitägigen Trip nach Kalifornien war aber der Besuch des Apple-Hauptsitzes in Cupertino. Dort wurde den Schweizer Journalisten die Apple Watch ausgehändigt. Spezialisten des Unternehmens gaben eine mehrstündige Einführung. Sie erklärten, wie man die Uhr in Betrieb nimmt und im Alltag verwendet, der Fokus lag speziell auf den Gesundheits- und Fitness-Funktionen.

Das Unternehmen stellt mir zu Testzwecken eine Apple Watch meiner Wahl zur Verfügung. Da ich privat die Aluminium-Ausführung («Sport») gekauft hatte, habe ich mich für ein Modell mit Edelstahlgehäuse («Apple Watch», mit Gliederarmband) entschieden. Dabei handelt es sich um eine Leihgabe, die später retourniert werden muss.

Die Kalifornier betreiben eine perfekt geölte PR-Maschinerie. Dazu gehört, dass die Arbeit der Journalisten genau beobachtet wird. Wer Polemik betreibt oder sich nicht an die vom Unternehmen vorgegebenen Spielregeln hält, muss mit «Nichtbeachtung» rechnen.

Die WIRKLICH besten Apps für die Apple Watch

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Das sind die WIRKLICH besten Apps für die Apple Watch
Im App Store sind mittlerweile über 3500 Apps für die Apple Watch verfügbar. Darunter hat es einige Perlen, aber es gibt auch prominente Abwesende.
quelle: watson
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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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aye
26.06.2015 11:32registriert Februar 2014
Finde den Artikel doch sehr Apple-freundlich. Aus anderen Tests konnte ich folgendes entnehmen:

2) Akku: Hängt wohl stark von der persönlichen Nutzung ab. Wer die Watch sehr häufig braucht, wird durch den Akku eingeschränkt.
6) Display: Oft wird von anderen Testern bemängelt, dass man einen kurzen Moment warten muss, bis das Display nach dem Drehen des Armes wirklich angeht - was diese Tester nach eigener Aussage nervt.
7) Alles flüssig, ausgenommen viele Apps, im Herbst wird's besser... Ist das nicht praktisch die Definition von "unfertig"?
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who cares?
26.06.2015 08:03registriert November 2014
Wenn einem die Uhr sagen muss, dass man Wasser trinken soll...
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MaskedGaijin
26.06.2015 08:33registriert Oktober 2014
Vielleicht bin ich zu blöd, aber ich checke immer noch nicht, für was diese "Uhren" eigentlich sind.
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