Die Bieler haben im neuen Jahr die Flucht mit fünf Punkten Vorsprung auf Kloten fortgesetzt. Fünf Punkte Differenz sind es nach dem ersten Spiel im Jahr 2015 immer noch. Aber nur, weil Kloten am Freitag nicht spielte. Die 3:6-Heimniederlage gegen Zug durchkreuzt die Fluchtpläne von den Bielern. Sie müssen heute in Bern antreten. Läuft es dumm, schafft Kloten heute (gegen Fribourg) und am Sonntag (gegen die Lakers) zwei Siege – und Biel fällt aus den Playoff-Rängen. Ist dann Buffalo noch zu erreichen?
Der Spruch drängt sich auf: «Biel fehlen noch 16 Spiele bis Buffalo.» Abgeleitet von der weltberühmten Gedichtzeile: «Und noch 20 Minuten bis Buffalo» vom Dichterfürsten Theodor Fontane aus der Ballade «John Maynard». Diese Ballade preist den charismatischen John Maynard, Steuermann von einem Passagierschiff auf dem Eriesee, auf dem gegen Ende von einer Fahrt von Detroit nach Buffalo Feuer ausbricht. John Maynard bleibt «in Qualm und Brand» auf seinem Posten, bis das Schiff das Ufer erreicht und rettet so alle.
Nun finden wir den «Hockeygott» von Biel, Kevin Schläpfer, schon wieder in der Rolle John-Maynard-Rolle: Auf seinem Schiff droht 16 Spiele vor der Ankunft im rettenden Playoff-Hafen der Brand von Verunsicherung und Zweifel auszubrechen. Das 3:6 gegen Zug im ersten Spiel vom neuen Jahr war eine ganz bittere Niederlage. Aber auch eine Niederlage, die für Biel in dieser Saison so typisch ist.
Die dramatische und intensive Partie stand lange Zeit auf Messers Schneide. Weil die vergessenen Helden von Kevin Schläpfer einmal mehr ihr bestes Hockey spielten. Allen voran Torhüter Simon Rytz. Der Bieler Junior ist nach Umwegen über La Chaux-de-Fonds und Genf und Neuenburg und Pruntrut und Fribourg und Zug und Martigny erst jetzt im Alter von 31 Jahren zum ersten Mal die Nummer 1 in der NLA. Er spielte jederzeit auf Augenhöhe von seinem berühmten Gegenüber Tobias Stephan.
Oder Raphael Herburger, der Österreicher mit Schweizer Lizenz. Er nährte mit zwei Toren (zum 1:1 und 2:2) die Flamme von Bieler Hoffnungen. Was die Arbeit von Sportchef Martin Steinegger nicht leichter macht: Raphael Herburger ist ein «Mozart-Stürmer». Talentierter als fast alle Bieler. Aber ein unzuverlässiger sanfter Rock'n'Roller und Schmetterling, der nicht beissen mag und gegen Zug ausnahmsweise wieder einmal ein bisschen flatterte: Er hat im ersten Spiel vom neuen Jahr so viele Tore erzielt wie zuvor in 25 Partien.
Aber eben: Beim Versuch Josh Holden von hinten die Beine wegzuziehen kassierte er fünf Minuten plus Restausschluss und ausgerechnet Josh Holden buchte während dieser Strafe das bereits entscheidende 2:4. Ach, wenn Raphael Herburger doch ernsthaft bei der Sache wäre und so leidenschaftlich kämpfen würde wie beispielsweise Philipp Wetzel. Aber dann könnte ihn Biel nicht mehr bezahlen.
So wie gegen Zug verliert Biel zu oft. Die Taktik ist richtig und die Leidenschaft ist gross und die meisten spielen weit besser als es ihr Talent eigentlich zulassen würde. Aber wenn der Gegner hartnäckig bleibt wie die Zuger, dann passieren irgendwann die Fehler, die doch zur Niederlage führen.
Kevin Schläpfer ahnte sehr wohl, dass es solche Niederlagen wie dieses 3:6 gegen Zug sind, die seine tapferen Spieler auf der Flucht vor Kloten mutlos machen. Er verschwand mit der Schlusssirene in der Kabine und daraus kam er nicht mehr hervor. Er liess allen Chronisten ausrichten, er werde nicht zu sprechen sein. Das ist nur dann der Fall, wenn der Trainer von Biel stark beunruhigt ist.
Und so ist es völlig ungewiss, ob den Bielern die Flucht vor Kloten auf den letzten Playoff-Platz gelingt. Oder helfen am Ende die Erinnerungen an die Heldentaten aus den letzten Jahren? 2009 und 2010 hat Kevin Schläpfer als Nottrainer das schon lichterloh brennende Bieler Hockeyschiff doch noch sicher in den Ligaerhalt-Hafen gesteuert. Und 2012 und 2013 erreichte er entgegen allen Prognosen die Playoffs.
Schaffen es die Bieler 2015, dann ist es der grösste Triumph seit 1983. Damals haben die Seeländer unter Trainer Kent Ruhnke zum bisher letzten Mal den Meistertitel geholt. Eine Playoff-Qualifikation wäre 2015 die weit grössere Sensation als 2012 und 2013.