Nebel
DE | FR
Digital
Facebook

Wie Facebook Holocaustleugnung und Hassrede gegen Flüchtlinge toleriert

The gate of the former Nazi concentration camp in Buchenwald near Weimar pictured earlier this week on 05 April 2005.Survivors of the Buchenwald concentration camp arrived here on Saturday, 09 April 2 ...
Das Tor zum KZ Buchenwald, wo mehr als 55'000 Menschen getötet wurden. Bild: EPA

Wie Facebook Holocaust-Leugnung und Hetze gegen Flüchtlinge toleriert

Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» zeigen, wie Facebook seine eigenen Regeln macht. Wenn sich niemand beschwert, geht die Meinungsfreiheit vor. Selbst wenn es um den Genozid an den Juden geht.
25.05.2017, 14:3526.05.2017, 07:52
Mehr «Digital»
«Die Fälle, die wir prüfen, sind keine einfachen: Oft befinden sie sich in einem Graubereich, worüber die Menschen unterschiedlicher Meinung sind.»
Monika Bickert, Facebookquelle: sueddeutsche.de

Man kann über viele Dinge geteilter Meinung sein. Aber nicht über den Holocaust. Oder doch?

Die Nazis töteten mehr als sechs Millionen Juden bis die Alliierten 1945 die systematische Vernichtung stoppten.

PA photo dated May 1945 of German SS men captured at Belsen concentration camp forced by Allied troops to carry the dead bodies of their victims. Some 10,000 guests from around the world are expected  ...
Im Mai 1945 mussten deutsche SS-Männer im Konzentrationslager Belsen ihre Opfer wegtragen.Bild: EPA

Wer den Genozid an den europäischen Juden leugnet, macht sich in der Schweiz und weiteren Ländern strafbar.

Doch Facebook blockiert entsprechende Inhalte nur in Deutschland, Israel, Frankreich und Österreich. Dies geht aus internen Dokumenten hervor, die der «Guardian» veröffentlicht hat.

Bild

Die Facebook Files zeigen die gewaltigen Probleme, mit denen der Social-Media-Koloss kämpft. Die Online-Plattform hat fast zwei Milliarden User und richtet sich an ein globales Publikum, muss aber nationales Recht berücksichtigen.

«Wir respektieren regionale Gesetze, wenn die Regierung deutlich gemacht hat, dass sie deren Umsetzung nachgeht.»
Facebook intern

Sicher ist: Facebook setzt gesetzliche Bestimmungen nicht proaktiv durch. Missstände werden in der Regel nur beseitigt, wenn sich User beschweren («Beitrag melden!»). 

Dann entscheiden die Content-Moderatoren anhand eines komplexen internen Regelwerks, ob beanstandete Postings toleriert, regional blockiert oder ganz gelöscht werden.

Was erlaubt ist, kann von Land zu Land variieren. Facebook behilft sich mit so genanntem Geo Blocking. Das heisst, dass die IP-Adresse des Facebook-Users herangezogen wird, um zu entscheiden, ob der beanstandete Inhalt blockiert wird.

Facebook Files, interne Schulungsunterlagen, Lösch-Regeln.
Screenshot: «Guardian»
Laut diesem Facebook-Dokument ist Holocaustleugnung in 14 Ländern verboten, das Unternehmen habe die Zahl aber auf Nachfrage dementiert, schreibt die «Süddeutsche».screenshot: guardian

Wenn ein deutscher Facebook-User (bzw. ein Gerät mit deutscher IP-Adresse) ein Posting meldet, das den Holocaust leugnet oder verharmlost, wird der Beitrag regional blockiert. Wenn es ein Schweizer tut, wird hingegen nichts unternommen.

Journalisten der «Süddeutschen Zeitung» konnten die geleakten internen Schulungsunterlagen ebenfalls einsehen. In einem aktuellen Bericht zitieren sie aus einer Fussnote:

«Wir respektieren lokale Gesetze, heissen diese aber nicht gut, wenn sie ein Hemmnis für eine offene und vernetzte Welt darstellen.»
Facebook

Und weiter: Facebook werde Inhalte nicht entfernen, bis ein Land den politischen Willen nachgewiesen habe, «nationale Zensurgesetze durchzusetzen». Und falls die zuständigen Regierungen oder Strafverfolgungsbehörden dies versäumten, weigere sich Facebook, das Recht in ihrem Auftrag durchsetzen.

Meinungsfreiheit über allem anderen?

«Hate Speech» bei Facebook – was toleriert wird, und was nicht

1 / 27
«Hate Speech» bei Facebook – was toleriert wird, und was nicht
Dürfen Facebook-Nutzer «Asylanten raus» fordern und Flüchtlinge als «faule Räuber und Diebe» bezeichnen, «die unser Land überschwemmen»? Die Antwort lautet ...
quelle: epa/epa / koca sulejmanovic
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Fakt ist: Facebook reagiert auf Druck, sei dieser politischer, wirtschaftlicher oder juristischer Art. Ohne Druck geht nichts.

Die «Süddeutsche Zeitung» konstatiert:

«Sofern der politische Druck gross genug ist, kooperiert Facebook durchaus mit Regierungen – selbst wenn die geforderten Zensurpraktiken mindestens fragwürdig sind. So beugte sich das Unternehmen etwa mehrfach der Königsfamilie in Thailand, zensierte angeblich blasphemische Inhalte in Pakistan, die Facebook-Seite des russischen Putin-Kritikers Alexej Nawalny und anderer Oppositioneller und entfernte Seiten von syrischen, tibetischen und chinesischen Dissidenten. Und angeblich entwickelt es ein eigenes Zensur-Werkzeug, um wieder Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten.»

Das könnte dich auch interessieren:

So kommentierte der watson-Redaktor Facebooks Dilemma

Und zu den Live-Video-Streams...

Was Facebook erlaubt – und was gelöscht wird

1 / 16
Was Facebook erlaubt – und was gelöscht wird
Facebook-User dürfen detailliert beschreiben, wie man «einer Schlampe das Genick bricht», hingegen ist ihnen nicht erlaubt, dazu aufzurufen, den US-Präsidenten Donald Trump zu erschiessen. Dies wissen wir dank internen Facebook-Dokumenten, die der britische «Guardian» veröffentlicht hat.
quelle: epa/epa / ritchie b. tongo
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
109 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
koks
25.05.2017 16:32registriert August 2015
holocaust-leugnung ist das eine und soll geahndet werden.

aber kritik an der flüchtlingspolitik? wir leben in einer demokratie, da soll freie meinungsäusserung gelten, und nicht eine bevormundung einer meinungspolizei wie in totalitären staaten.
8022
Melden
Zum Kommentar
avatar
atomschlaf
25.05.2017 15:30registriert Juli 2015
Hmm... jetzt habe ich den ganzen Artikel durchgelesen, aber kein Wort über "Hetze gegen Flüchtlinge" gefunden.
6220
Melden
Zum Kommentar
avatar
Angelo C.
25.05.2017 16:28registriert Oktober 2014
Erstens hat die Holocaust-Leugnung ein anderes Kaliber als die sog. "Flüchtlingshetze" gegen die mehrheitlichen Wirtschaftsmigranten in Europa.

Zweitens muss man Facebook insofern realistische Verhaltensstrukturen zubilligen, als dass es bei täglich zig Millionen Meldungen, die auch ganz private Postings miteinschliessen, schlicht UNMÖGLICH sein wird, da jede Zeile zu gewichten und eine Totalkontrolle einzuführen.

Letzteres wäre selbst bei hunderten, wenn nicht tausenden von zensurierenden Mitarbeitern völlig ausgeschlossen. Dies zur Faktenlage.

Wer anderes erwartet, ist ein Illusionist 🤓!
6828
Melden
Zum Kommentar
109
TikTok kündigt Widerstand gegen US-Gesetz an – aus Gründen

TikTok-Chef Shou Chew will sich gegen das US-Gesetz wehren, das die Kurzvideo-App unter Kontrolle amerikanischer Investoren bringen soll. TikTok werde alles Mögliche unternehmen, um die Plattform zu verteidigen, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Video.

Zur Story