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Die UEFA könnte die FIFA zerstören. Aber sie will nicht

Michel Platini: Er würde ja so gerne etwas ändern, aber er kann nicht.
Michel Platini: Er würde ja so gerne etwas ändern, aber er kann nicht.Bild: Melanie Duchene

Die UEFA könnte die FIFA zerstören. Aber sie will nicht

Sind gegen die FIFA alle ohnmächtig? Nein. Die UEFA könnte die Fussballlandkarte für alle Zeit verändern. Aber ihr fehlt der Mut. Und die Rückendeckung.
29.05.2015, 12:35
Reto Fehr
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Ich kenne Leute, die ihre Lebenszeit nicht in Jahren, sondern in Anzahl Fussball-Weltmeisterschaften, die sie noch erleben dürfen, messen. Ich kann sie verstehen. Das ist auch dank der FIFA so. Sie hat die Endrunde zum grossartigsten Sport-Event der Welt gemacht.

Heute wird Sepp Blatter aller Voraussicht nach an der Spitze der FIFA wiedergewählt. Und in ein paar Tagen werden sich alle weiterhin einig sein: Die FIFA ist ganz schlimm, aber man kann daran eh nichts ändern und gegen Blatters Herrschaft sowie gegen die Korruption im Verein nichts ausrichten. Und sowieso: Die sollen wieder eine WM machen. Weil schliesslich, siehe oben.

Das stimmt nicht ganz. Die UEFA könnte für einmal ernst machen. Sie müsste die FIFA verlassen. Jetzt sonnt sich Michel Platini mit Sprüchen wie «genug ist genug» oder «Ich habe Blatter gebeten zurückzutreten». Doch das ist nur heisse Luft. Blatter dürfte diese Forderung genauso wenig interessieren, wie wenn Bundesrat Ueli Maurer Barack Obamas Rücktritt fordern würde.

Platini punktet öffentlichkeitswirksam mit knackigen Aussagen. Mehr aber auch nicht.
Platini punktet öffentlichkeitswirksam mit knackigen Aussagen. Mehr aber auch nicht.Bild: Michael Probst/AP/KEYSTONE

Die UEFA braucht die FIFA nicht

Dabei könnte die UEFA als einziger Verband der FIFA wirklich den Garaus machen. Der Weltverband sagt, rund 90 Prozent seiner Einnahmen verdankt sie der WM. Aber was wäre eine WM ohne die Europäer? Nichts. Sportlich wäre das Turnier irrelevant, finanziell würden die Sponsoren reihenweise abspringen. Es wäre das Ende der FIFA. Und von Sepp Blatter, der statt Sonnengott plötzlich König ohne Reich wäre.

Das Bild täuscht: Normalerweise ducken sich alle vor Blatter weg.
Das Bild täuscht: Normalerweise ducken sich alle vor Blatter weg.Bild: AP/Keystone

Die UEFA könnte das verkraften. Finanziell wäre sie auf der sicheren Seite. Die Europameisterschaft und die Champions League füllen die Kassen. Der europäische Verband braucht die FIFA nicht. Bei Bedarf könnte man den EM-Rhythmus auch auf zwei Jahre verkürzen. Warum nicht zusätzlich beispielsweise Brasilien und Argentinien einladen? Die Copa America (südamerikanische Kontinentalmeisterschaft) macht's bereits vor: Bei der diesjährigen Austragung ab dem 11. Juni füllen Mexiko und Jamaika das Teilnehmerfeld auf. Oder Die UEFA gewinnt noch Japan, die USA, Ghana und Australien für sich und eine WM-Konkurrenz-Veranstaltung steht in den Startlöchern.

Soll die UEFA die FIFA verlassen?

Schwäche und fehlender Mut der Gegner ist Blatters Stärke

Warum macht die UEFA das nicht? Sie ist sich uneins. Teilweise gar zerstritten. Man sieht das immer wieder bei aktuellen Veränderungen oder Vorschlägen des Präsidenten. Wie viele Mannschaften sollen an die Endrunde? Ist das EM-Format 2020, in ganz Europa zu spielen, die Zukunft? Wie würden kleinere Verbände wie beispielsweise die Schweiz reagieren, wenn plötzlich zwei «Wildcard-Plätze» für südamerikanische Teams vergeben würden und somit eine weitere Hürde vor den Honigtöpfen stünden?

Platini versprach gestern, dass mindestens 45 von 53 Vertretern für Blatter-Herausforderer Prinz Ali stimmen werden. Wer sicher nicht dazu gehört: Russland. Der nächste WM-Veranstalter würde sich ja ins eigene Fleisch schneiden, würde er die Endrunde 2018 zum Witz-Turnier verkommen lassen. 

Keine (FIFA-)WM mehr, dafür die EM alle zwei Jahre: Wäre das so schlimm?
Keine (FIFA-)WM mehr, dafür die EM alle zwei Jahre: Wäre das so schlimm?

Noch etwas spricht gegen den Ausstieg: Auch in der UEFA läuft vermutlich nicht alles mit rechten Dingen ab. Platini selbst stimmte beispielsweise für die WM 2022 in Katar. Sein Sohn arbeitet seit 2011 für Firmen und Staatsfonds aus dem Wüstenstaat. Seilschaften gibt es fast unendlich viele, alles scheint irgendwie miteinander verwoben.

So bleibt eben wohl alles, wie es ist: Die Schwäche und der fehlende Mut der Gegner ist Blatters Stärke. Die Forderungen mehr Heuchelei.

Hier darf der Petit-Michel kurz dem Herrn Joseph S. Blatter schüchtern eine Frage stelle.
Hier darf der Petit-Michel kurz dem Herrn Joseph S. Blatter schüchtern eine Frage stelle.Bild: KEYSTONE

Die Fussball-Maschinerie würde auseinanderfallen

Ein UEFA-Austritt – oder auch «nur» der Austritt der grossen Nationen wie England, Deutschland, Italien, Frankreich, Holland und Spanien – würde den Fussball in seinen Grundfesten erschüttern. Es wäre gar ungeheuerlich. Die gigantische Fussball-Maschinere würde auseinander fallen. Die Konsequenzen sind nicht hervorsehbar. Sicher ist nur: Fussball würde weiterhin gespielt.

Vielleicht wäre das alles gar nicht schlecht.

Alle FIFA-Präsidenten seit Gründung des Weltverbands 1904

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Gianni Infantino (Schweiz): Seit 2016.
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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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NikolaiZH
29.05.2015 13:25registriert November 2014
ich glaube, dass den meisten nicht klar ist, dass eine platiniführung (direkt oder indirekt) um einiges schlimmer wäre, als der angebliche blatter-monster...
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