Es gibt wenige Themen, die in der Schweiz so intensiv für rote Köpfe sorgen wie das Auto.
Für die jüngsten politischen Turbulenzen sorgen Pläne von Verkehrsminister Albert Rösti. Rösti will, dass Tempo 50 auf sogenannt verkehrsorientierten Strassen die Regel ist – Tempo 30 soll nur noch in Ausnahmefällen möglich sein. Verkehrsorientierte Strassen sind primär auf die Anforderungen von Lastwagen, Autos und Motorräder ausgerichtet. Diese sollen möglichst effizient vorankommen.
Brisant: Rösti möchte sein Vorhaben mittels Verordnung regeln. Im Gegensatz zu einer Gesetzesänderung kann dagegen kein Referendum ergriffen werden. Zu einer Volksabstimmung kommt es folglich nicht. Gegenüber watson sagt Grünen-Nationalrätin Irène Kälin:
Es sei grundsätzlich legitim, das Instrument der Verordnung zu nutzen, so Kälin. «Ich bin jedoch der Meinung, dass man dann ein guter Demokrat ist, wenn man kontroverse Vorlagen lieber einmal mehr auf referendumsfähiger Stufe mit der Bevölkerung diskutiert.» Rösti wisse, dass seine Idee umstritten sei. Die Wahl des Verordnungsweges komme nicht von ungefähr.
Röstis Tempo-50-Pläne haben ihren Ursprung in einer Motion, die FDP-Nationalrat Peter Schilliger 2021 im Parlament einreichte. Sein Vorstoss forderte, dass Tempo 50 auf verkehrsorientierten Strassen verbindlich gelten müsse. In der Nähe von Schulhäusern könnten Ausnahmen gemacht werden. Tempo 30 solle es nur noch auf siedlungsorientierten Strassen geben dürfen, die etwa durch Wohnquartiere führen.
Schilligers Motion – der Luzerner sitzt im Verwaltungsrat des TCS – fand in beiden Kammern eine Mehrheit. Entgegen dem Willen des Bundesrats und der damaligen SP-Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga.
Im «Tages-Anzeiger» zeigt sich der Schweizerische Städteverband kritisch, was das Vorgehen Röstis betrifft: «Die Motion zielt darauf ab, den Handlungsspielraum von Gemeinden, Städten und Kantonen in Sachen Tempo 30 einzuschränken.»
Für Mauro Tuena kein Problem. Auf Anfrage von watson sagt der SVP-Nationalrat und Verkehrspolitiker:
30er-Zonen seien eine «Schikane für Automobilisten» und hätten Auswirkungen weit über das Stadtgebiet hinaus. Die dadurch entstehenden Staus würden die Schweiz jährlich Millionen von Franken kosten.
Dass Rösti den Verordnungsweg wählt und damit ein Referendum umgeht, erachtet Tuena als «absolut richtig». «Warum ein Gesetz machen, wenn eine Verordnung locker reicht? Da können die Grünen sagen, was sie wollen. Ich finde auch, dass man beim EU-Rahmenvertrag zwingend das Ständemehr berücksichtigen müsste. Da machen die Grünen wiederum nicht mit.»
Für Grünen-Nationalrätin Kälin ist nicht nur das Vorgehen Röstis bedenklich, auch inhaltlich sei damit «vollkommen am Willen der lokalen Bevölkerung – auch seiner Wählerschaft – vorbei politisiert».
«Es ist kein Geheimnis, dass sich selbst Bewohner in bürgerlich geprägten Gemeinden mehr und mehr Tempo 30 wünschen.» 30er-Zonen brächten mehr Sicherheit und weniger Lärm. Mit verkehrsberuhigenden Massnahmen sei es zudem möglich, etwas Grün «in diese Teerlandschaften zu bringen».
Unterstützung erhält Kälin vom Verkehrs-Club der Schweiz (VCS). Deren Kampagnenchef sagt im «Tages-Anzeiger»: «Tempo 30 halbiert das Risiko tödlicher Unfälle.» Insbesondere auf Hauptverkehrsachsen mit vielen Fussgängerinnen und Velofahrern sei der Gewinn an Sicherheit entscheidend. Zusätzlich reduziere Tempo 30 die empfundene Lärmbelastung ebenfalls um rund die Hälfte.»
Dort, wo Sicherheitsbedenken begründet seien, bestehe die Option, Tempo 30 beizubehalten, sagt Tuena. Ansonsten sei 30 auf Hauptverkehrsachsen Unsinn. «Das führt nur dazu, dass die Autofahrer wieder in die Quartiere ausweichen und den öffentlichen Verkehr ausbremsen. Das will niemand.»
Ab Ende August dürfte der Bundesrat Röstis Vorlage beraten, sagte UVEK-Sprecherin Franziska Ingold im «Tages-Anzeiger». Per Verordnung könne die Änderung schneller umgesetzt werden, das sei ein Vorteil.
Schön zentralistisch das diktieren, was sein Öldaddy von ihm verlangt.
Und wenn der Tuena wirklich glaubt, dass die 30erZonen für den Stau verantwortlich ist, dann kann ich ihm wirklich nicht mehr helfen.
99% der Autofahrenden in der Stadt sind nicht die Bewohner selbst, würde ich mal behaupten. Also warum soll die Stadtpolitik nicht die Einwohner schützen?