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Die «falsche» Meinung gibt Abzug: China will all seine Bürger mit einem Punktesystem bewerten

Ein Chinesin geht ins Netz, der Staat schaut mit. 
Ein Chinesin geht ins Netz, der Staat schaut mit. 
Bild: ROLEX DELA PENA/EPA/KEYSTONE

Die «falsche» Meinung gibt Abzug: China will all seine Bürger mit einem Punktesystem bewerten

08.10.2015, 16:35
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Wir geben in sozialen Netzwerken viel von uns Preis – ohne uns gross darüber Gedanken zu machen. Wer sich nicht vorstellen kann, wohin das führen kann, dem sei ein Blick nach China empfohlen: Dort braut sich gerade etwas zusammen, das bei Menschenrechtlern die Alarmglocken läuten lässt.

Die Regierung will ein System einführen, bei dem die Kreditwürdigkeit jedes Bürgers anhand von Punkten eingestuft wird. Gemäss einer offiziellen staatlichen Mitteilung soll es mit der Identitätskarte verknüpft sein und im Jahr 2020 obligatorisch sein.

Der Clou: Neben der Zahlungsfähigkeit sollen auch andere Faktoren eine Rolle spielen: «Aufrichtige Bürger» sollen mit Punkten belohnt werden, unliebsames Verhalten gibt Punktabzug. Weitere Details sind in dem Dokument nicht zu finden.

Tech-Giganten machen es vor

Einen Vorgeschmack, wie das aussehen könnte, bietet der IT-Gigant Tencent. Der Besitzer des 600 Millionen User starken Messaging-App Wechat hat kürzlich seine Kredit-Score-App «Sesame Credit» lanciert.

«Sesame Credit von Tencent benutzt weitere Daten, um die Punkte zu berechnen, etwa die Hobbies, Interaktionen mit Freunden, Einkaufgewohnheiten und Lifestyle.»

Der Mitbewerber Alibaba, das chinesische Gegenstück zu Amazon, hat selbst ein ähnliches System. Die beiden Unternehmen kontrollieren den Grossteil des sozialen Webs in China. Die chinesische Staatsbank hat den beiden und sechs weiteren Unternehmen die Erlaubnis gegeben, ins Kreditgeschäft einzusteigen.

Auf Social Media geben Chinesen mit ihrem Score an.
Auf Social Media geben Chinesen mit ihrem Score an.
Bild: Weibo

Welche Faktoren bei der Bewertung der Kunden eine Rolle spielen, ist nicht klar. In verschiedenen Blogs werden Gerüchte verbreitet, die sich nicht bestätigen lassen. Etwa,

  • dass das Bestellen von Videospielen einen Punkteabzug geben soll, während sich Baby-Artikel angeblich positiv auf das Rating auswirken.
  • dass die negative Punktzahl von Freunden auf einen Kunden abfärben soll.
  • dass das Veröffentlichen von politischen Meinungen, die vom Mainstream abweichen, Abzug geben soll.

Wer bei «Sesame Credit» eine gute Punktezahl hat, kommt in den Genuss von verschiedenen Angeboten, etwa bessere Konditionen bei Darlehen. Auch hier wurde in der Gerüchteküche noch einiges hinzugefügt: So sollen besonders gute Bewertungen eine bevorzugte Behandlung bei Reise-Visa nach Singapur und Europa ermöglichen. Wie das Portal Tech in Asia festhält, haben private Firmen dazu gar nicht die Befugnis.

Vom «ultimativen Werkzeug der sozialen Kontrolle», wie es die American Civil Liberties Union in einem Blogeintrag alarmistisch beschreibt, kann man nicht sprechen – noch nicht. Die chinesische Regierung ist berüchtigt für ihre Kontrolle und Zensur im Internet. Sobald das staatliche Kredit-Score-System obligatorisch wird, dürfte es auch dafür eingesetzt werden, um die Bürger an der kurzen Leine zu halten. (rey)

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11 Kommentare
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User01
08.10.2015 17:15registriert April 2014
Wow, das beschert Machthabern rund um den Globus wohl feuchte Träume. Aber es gäbe sicher auch hier Leute, die "nichts zu verbergen haben" und das Problem in der Datensammelwut immer noch nicht sehen.
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