In der historischen Frage nach Immunität vor Strafverfolgung für Ex-Präsidenten hat sich das Oberste Gericht der USA skeptisch gegenüber den Argumenten von Donald Trumps Anwalt gezeigt. In dem Fall geht es um nicht weniger als die Zukunft der Strafverfahren gegen den Trump und die Grenzen des Rechtsstaats.
Bei der Anhörung am Donnerstag in Washington kam zunächst Trumps Anwalt zu Wort. Er argumentierte, dass sein Mandant für mutmasslich im Amt begangene Straftaten nicht belangt werden könne. Doch auch die Argumente der Gegenseite schienen das Gericht nicht vollends zu überzeugen. Eine Entscheidung des Gerichts wird erst in einigen Wochen erwartet.
Trump sass am Donnerstag im Gericht in New York, wo ein Prozess wegen mutmasslich unrechtmässig verbuchter Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin gegen ihn läuft.
Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weisse Haus einziehen will, ist in der US-Hauptstadt im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Trump hatte bereits vor dem Sturm auf das Kapitol auf verschiedenen Ebenen versucht, das Wahlergebnis zu kippen.
Trump und seine Anwälte wollen erreichen, dass die Anklage in Washington fallen gelassen wird. Sie berufen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem damaligen Amt als Präsident. Sie argumentieren, dass Trump nicht rechtlich für Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Mit dieser Argumentation waren sie bereits vor einem Berufungsgericht US-Hauptstadt gescheitert. Zuvor hatte auch die zuständige Richterin in dem Fall dieses Argument zurückgewiesen. Trumps Anwälte reichten Berufung ein, weshalb der Fall nun vor dem Supreme Court gelandet ist.
Das Urteil dürfte auch immense Bedeutung für künftige Präsidenten haben. Sollten diese wirklich Immunität geniessen, könnten sie möglicherweise Straftaten im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das ist natürlich davon abhängig, wie das Urteil formuliert sein wird und was als offizielle Handlung im Amt gilt. Aber der Supreme Court, der unter Trump wegen mehrerer Nachbesetzungen weit nach rechts gerückt ist, wird Stellung beziehen müssen, wie gross die Macht von US-Präsidenten ist und wo die Grenzen des Rechtsstaats liegen. Die Verfassung gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht während ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der Auffassung, dass Präsidenten während ihrer Zeit im Weissen Haus nicht angeklagt werden können.
Doch was passiert, wenn sie nicht mehr im Amt sind? Die Frage hat sich in dieser Form bisher nicht gestellt, weil vor Trump noch nie ein ehemaliger US-Präsident mit einem Strafverfahren konfrontiert war. Ex-Präsident Richard Nixon wurde 1974 von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt, nachdem er wegen der Watergate-Affäre zurückgetreten war. Es war ein innenpolitischer Skandal um Amts- und Machtmissbrauch, der mit dem ersten und bis jetzt letzten Rücktritt eines US-Präsidenten endete. Zu einer Anklage kam es wegen der vorsorglichen Begnadigung nie.
Gegen Trump laufen mittlerweile mitten im Wahlkampf sogar vier Strafverfahren. Es geht neben versuchtem Wahlbetrug auch noch um die mutmasslich gesetzeswidrige Aufbewahrung von Geheimdokumenten und möglicherweise unrechtmässig verbuchte Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin.
Die Anhörung vor dem Supreme Court begann mit dem Plädoyer von Trumps Anwalt D. John Sauer. Die Verfolgung des Präsidenten für seine offiziellen Handlungen werde nicht von der Geschichte der USA gestützt und sei unvereinbar mit der Verfassungsstruktur, argumentierte er. «Könnte Präsident George W. Bush ins Gefängnis geschickt werden, weil er (...) angeblich den Kongress belogen hat, um einen Krieg im Irak auszulösen?», fragte Sauer. «Könnte Präsident (Joe) Biden eines Tages beschuldigt werden, unrechtmässig Einwanderer dazu gebracht zu haben, illegal in das Land einzureisen?» Die Antwort auf all diese Fragen laute «nein».
Das Gericht reagierte skeptisch. Die als liberal geltende Richterin Elena Kagan merkte an, dass die Verfassungsväter keinen Präsidenten wollten, der wie ein Monarch über dem Gesetz stehe. Deshalb gebe es für Präsidenten in der Verfassung explizit keine strafrechtliche Immunität. Die ebenfalls liberale Richterin Ketanji Brown Jackson warnte, dass absolute Immunität das Oval Office zum «Sitz krimineller Aktivitäten in diesem Land» machen könnte. Sie sagte, es gäbe keinen Anreiz für Präsidenten, sich im Weissen Haus an das Gesetz zu halten, wenn sie niemals strafrechtlich belangt werden könnten.
Die konservative Richterin Amy Coney Barrett, die von Trump ernannt wurde, kam auf die Frage nach privaten und offiziellen Handlungen im Amt zu sprechen. Trumps Anwalt Sauer sagte, dass für private Handlungen keine Immunität gelte. Das ist ein wichtiger Knackpunkt in dem Fall. Denn die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass das Kippen eines Wahlergebnisses nicht zu den offiziellen Amtshandlungen von Präsidenten gehöre. Ein Rechtsexperte sagte dem Sender CNN, dass Sauers Zugeständnis zu den privaten Handlungen bemerkenswert sei. Es deute darauf hin, dass der Wahlbetrugsprozess zumindest teilweise fortgesetzt werden könnte.
Eine Antwort von Trumps Anwalt auf die Frage einer Richterin hat besonders für Aufsehen gesorgt. Die als liberal geltende Richterin Sonia Sotomayor am Obersten Gericht der USA fragte Trumps Anwalt D. John Sauer bei einer Anhörung am Donnerstag: «Wenn der Präsident entscheidet, dass sein Rivale eine korrupte Person ist, und er dem Militär befiehlt, oder jemand anderem befiehlt, diesen zu ermorden, wäre das im Rahmen seiner offiziellen Amtshandlungen und damit straffrei?» Sauer antwortete darauf, das seine eine hypothetische Frage und davon hänge die Antwort ab. Aber es könne sich dabei «durchaus um eine offizielle Amtshandlung handeln», ergänzte er.
Sotomayor reagierte verblüfft. Damit würde eine Situation geschaffen, in der ein Präsident das Präsidentenamt dazu nutzen könnte, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, ohne dafür rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, sagte sie. Sauer argumentierte sinngemäss, dass US-Präsidenten, die wegen strittiger Entscheidungen nach ihrer Zeit im Weissen Haus eine Anklage fürchten müssen, ihr Amt nicht richtig ausfüllen könnten. Zudem gehe es bei der Frage nach der Strafbarkeit nicht um die Motivation, so Sauers Logik.
Gleichzeitig zeigten sich einige Richterinnen und Richter bei der Anhörung auch skeptisch mit Blick auf die Argumente des Sonderermittlers Jack Smith und dessen Anklage gegen Trump.
Bisher haben Trump die strafrechtlichen Ermittlungen in Umfragen nicht geschadet. Der Republikaner beteuert in allen Verfahren seine Unschuld und stellt die Ermittlungen gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn kaltzustellen. Bei der Wahl im November läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trump und dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden hinaus. Trumps Opfernarrativ verfängt bei seinen Anhängern. Dies könnte sich aber ändern, wenn Trump gleich in mehreren Prozessen im Gerichtssaal von Zeugen schwer belastet werden würde. Das will Trump unbedingt verhindern. Es geht besonders um die Aussenwirkung. Denn weder die Anklage noch mögliche Verurteilungen sind eine rechtliche Hürde für seine Kandidatur.
Einzig das Verfahren um Schweigegeld für eine Pornodarstellerin in New York ist bereits angelaufen. Trumps Anwälte fluten die zuständigen Gerichte mit Anträgen – und sind dabei recht erfolgreich. Sollte der Supreme Court entscheiden, dass Trump Immunität für seine Handlungen im Amt geniesst, könnte das Wahlbetrugsverfahren in Washington hinfällig sein. Auch das Verfahren im Bundesstaat Georgia, das sich um ähnliche Vorwürfe dreht, und das Verfahren in Florida um die Mitnahme geheimer Unterlagen aus dem Weissen Haus dürften damit auf der Kippe stehen. Bei dem Verfahren in New York geht es um mutmassliche Straftaten im Wahlkampf – daher dürfte der Prozess von dem Urteil eher nicht betroffen sein. (hah/sda/dpa)
Falls der Supreme Court anders entscheidet, wäre dies ein Einknicken zugunsten der GOP und würde einer rechtlichen Willkür zukünftiger Präsidenten Tür und Tor öffnen.
Btw der Entscheid wäre absolut peinlich und einer Demokratie unwürdig!
1) Trumps Anliegen wird abgelehnt. Dann kann der Strafprozess endlich aufgerollt werden.
2) Trump Anliegen wird stattgegeben, was eine Katastrophe wäre.
3) Trump bekommt zum Teil Recht und der Fall muss vom untersten Instanz neu verhandelt werden.
Letzteres ist leider gar nicht so unwahrscheinlich und würde Trumps Verzögerungstaktik nur in den Händen spielen.