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Karen Dawisha ist eine international anerkannte Russland-Expertin, die heute an der Miami University in Ohio lehrt. Als sie vor zwei Jahren ihrem Verleger, der Cambridge University Press, ein Manuskript über den Aufstieg von Waldimir Putin zustellte, erhielt sie eine Absage: Der Inhalt des Buches sei viel zu brisant, liessen die Lektoren des Verlages Dawisha wissen. Der renommierte US-Verlag Simon and Schuster sprang ein und veröffentlichte «Putin’s Kleptocracy».
Dass die Cambridge University Press kalte Füsse bekam, ist nicht verwunderlich. Dawishas These kann man kurz wie folgt zusammenfassen: Das moderne Russland wird von rund 100 Milliardären mit zweifelhaftem Hintergrund beherrscht, von Mafiosi, Oligarchen und Geheimdienstlern.
Ferner stellt Dawisha fest: Putin kontrolliert mit einer kleinen, ihm bedingungslos ergebenen Clique dieses durch und durch korrupte System. Sein Aufstieg vom ehemaligen KGB-Offizier zum mächtigsten, und wahrscheinlich auch reichsten Mann Russlands war sorgfältig geplant und rücksichtslos ausgeführt. Das persönliche Vermögen Putins schätzt Dawisha übrigens auf rund 40 Milliarden Dollar.
Wie jetzt auch die Panama Papers zeigen, spielte die Bank Rossiya beim Aufstieg von Putin und seiner Clique eine zentrale Rolle. Sie wurde am 27 Juni 1990 in St.Petersburg, das damals noch Leningrad hiess, gegründet. Putin stiess rund ein Jahr später dazu. Er war damals die rechte Hand des Bürgermeisters von St.Petersburg, Anatoli Sobtschak. «Putins Engagement bei der Bank Rossiya begann am 4. Juli 1991», schreibt Dawisha.
Bald entwickelte sich die Bank zum Herzstück der Putin-Clique. Bekannte Namen kamen ins Spiel: Dimitri Medwedew beispielsweise, der Putin vier Jahre lang im Rahmen einer üblen Polit-Scharade als Präsident ablöste. Aber auch Gennadiy Timtschenko, einer der mächtigsten russischen Oligarchen, der unter anderem die Genfer Öl-Handelsfirma Gunvor kontrolliert.
Putin spannte die Bank auch für seine politische PR ein. «Er profitierte direkt von der Bank Rossiya, als sie 1992 einen Film über ihn finanzierte», schreibt Dawisha. In diesem Film trat auch der nun in die Schlagzeilen geratene Cellist Sergey Roldugin auf. Er besass damals rund vier Prozent der Aktien der Bank, eine für einen Musiker aussergewöhnlich hohe Beteiligung.
Ebenfalls mit von der Partie bei der Bank Rossiya war die russische Mafia, vertreten in der Person von Gennadiy Petrow. Gemäss Wikileaks soll er eines der vier mächtigsten Gangsterkartelle der Welt beherrschen. Im Jahr 2008 geriet er ins Visier der spanischen Polizei, die begann, seine Telefongespräche abzuhören. Der Inhalt dieser Gespräche soll gemäss Wikileaks «haarsträubend» gewesen sein.
Die Bank Rossiya wurde bald zum Vehikel für den systematischen Raubzug auf Russlands Volksvermögen. Weil die gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürger keine Ahnung von der modernen Wirtschaft hatten, hatten Mafiosi und Oligarchen ein leichtes Spiel. Die Putin-Clique riss sich die Bank für einen Schnäppchenpreis unter den Nagel. Sie sollen gemäss Dawisha rund 58 Millionen Dollar bezahlt haben für einen geschätzten Gegenwert von rund zwei Milliarden Dollar.
Heute kontrolliert die Putin-Clique alle wichtigen russischen Unternehmen. Von Putin selbst heisst es, dass er de facto Gazprom beherrschen soll, eines der grössten Unternehmen der Welt. Das Gazprom-Management liest sich wie ein Who is Who der Putin-Clique. Das Geschäftsgebaren ist für Aussenstehende nicht einsehbar, obwohl es sich um eine Publikumsgesellschaft handelt. «Finanzexperten äussern sich besorgt darüber, dass gegen 70 Prozent der Investitionen nicht transparent sind», schreibt Dawisha.
Wegen seiner Nähe zu Sobtschak galt Putin in den 90er Jahren als Reformer. Davon ist nichts übrig geblieben. «Nach dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2014 hat Putin offensichtlich entschieden, dass er sich auch ohne die Unterstützung des Mittelstandes an der Macht halten kann», stellt Dawisha fest. «Er kann sich darauf verlassen, die Öl- und Gasindustrie zu beherrschen und mit Staatspropaganda die Arbeiter und Provinzbewohner bei der Stange zu halten.»
Wer sich der Putin-Clique in den Weg stellt, lebt gefährlich. Jüngstes Opfer ist der ehemalige Minister Michael Lessin. Er hat unter anderem den Propagandasender «Russia Today» gegründet. Im vergangenen November ist er tot in einem Hotelzimmer in Washington aufgefunden worden. Die US-Behörden ermitteln in einem Mordfall.