
Sag das doch deinen Freunden!
Dieser Film ist melancholisch, beige und eintönig. Ganz furchtbar eintönig. Denn die Stimmen, die der Michael Stone, ein Guru der Motivations- und Ratgeber-Szene hört, klingen alle gleich. Egal ob Männer, Frauen oder Babies. Es spricht immer der gleiche Mann. Und die Hotelzimmer, die Stone quer durch Amerika bezieht, sind alle beige, selbst wenn es sich um eine enorm gehobene Suite handelt. Er selbst: Der grösste und unmotivierteste Verzweifler unter der Sonne.
Bis er die enorm unscheinbare Lisa kennen lernt und ihre Stimme (es ist die von Jennifer Jason Leigh) hört. Und jedes noch so banale Wort von ihr himmlisch findet. Über die Sexszene, die's dann logischerweise gibt, sagen ja viele Kritiker, es sei die schönste des Jahres. Na ja. Es ist ja noch jung, das Jahr. Nur einmal wird Stone noch eine andere Frauenstimme vernehmen, sie gehört einer kaputten japanischen Sexpuppe.
Nun ist der Regisseur und Rundum-Erfinder der Knetmännchen-Tristesse «Anomalisa» kein anderer als Charlie Kaufman und also ein Genie. Denn Kaufmann schrieb die Drehbücher zu «Eternal Sunshine of the Spotless Mind», «Being John Malkovich» und «Adaptation». Er ist also ein Meister der Monster und Miseren, die sich ergeben, wenn der Kopf erst einmal mit der Zersetzung der Welt beginnt.
Bloss, dass die Köpfe in «Anomalisa» gar nie ganz sind, sondern allesamt schlecht verschweisste Puppenköpfe mit offenen Nähten. Eine höchst artifizielle Welt also, die konstant aus den Fugen ist. Wie unsere. Wie traurig. Und noch ein Tipp: Unbedingt den Song zum Abspann in Ruhe anhören. It's very jööö.
«Anomalisa» ist in der Kategorie Bester Animationsfilm für einen Oscar nominiert.
Plötzlich war da dieser Tweet von Bret Easton Ellis, der sagte, Saoirse Ronan sei das Beste, was er 2015 auf einer Leinwand gesehen habe: «Unaufgeregt, strahlend, direkt, uneitel.» Und dann kam Ryan Gosling und klärte uns endlich darüber auf, wie wir den Namen der 21-jährigen Irin aussprechen müssen, nämlich «Schörscha». Und schon war Schörscha zum zweiten Mal für einen Oscar nominiert (zum ersten Mal 2008, als fiese kleine Schwester von Keira Knighley in «Atonement»). Aber wovon war Bret Easton Ellis nun genau so begeistert?
SAOIRSE RONAN in BROOKLYN gives the best performance I've seen in 2015 movies: Unfussy, luminous, direct, No Vanity. pic.twitter.com/IzAsLEKQQH
— Bret Easton Ellis (@BretEastonEllis) 12. November 2015
«Brooklyn» heisst der Film und ist die unaufgeregte Verfilmung des unaufgeregten Romans von Colm Tóibín. Die junge Eilis, die im verarmten Irland keine Zukunft sieht, wandert nach Brooklyn aus (schrecklich, diese Schiffsreise, schrecklich!), findet auf bescheidene Art zu ihrem Glück und steht plötzlich zwischen der neuen und der alten Welt. Und zwischen einem jungen Italo-Amerikaner und einem Rich Kid in Irland (Domnhall Gleeson, der auch in den für massenhaft Oscars nominierten Filmen «The Revenant», «Ex Machina» und «Star Wars: The Force Awakens» mitspielt).
Das klingt nun alles etwas beschaulich, war aber stimmungsmässig schon als Buch wunderschön zu lesen und wurde von Nick Hornby äusserst sorgfältig für die Leinwand umgeschrieben. Und Saoirse Ronan ist perfekt. Ein wirklich schöner Film über die grosse Sehnsucht nach einem neuen und die leise Wehmut über das alte Leben.
«Brooklyn» ist in den Kategorien Bester Film, Beste Hauptdarstellerin und Bestes adaptiertes Drehbuch für einen Oscar nominiert.
«Anomalisa» und «Brooklyn»: Ab 21. Januar im Kino.