Du hast beim Zoll-Chaos den Überblick verloren? Nach diesem Text weisst du Bescheid
«Meine amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute ist der Tag der Befreiung», mit diesen Worten eröffnete Donald Trump im April seine Pressekonferenz. Während seiner Rede hielt er immer wieder grosse Tafeln aus Karton in die Kameras, darauf scheinbar willkürlich zusammengerechnete Zollsätze für beinahe die gesamte Welt. Diese wurden dann aufgeschoben, damit die betroffenen Länder in Verhandlungen mit den USA eintreten.
Was Trump damit erreichen will, was seither passiert ist und welche Länder nun wie hohe Zölle zahlen müssen, erfährst du hier:
Wie funktionieren Zölle?
Zölle sind Abgaben, die von Ländern verlangt werden, wenn Handelswaren aus anderen Ländern ihre Aussengrenzen passieren. Wenn Fritz also 50 Kilogramm Äpfel aus Deutschland in die Schweiz exportieren will und die Schweiz 15 Prozent Zölle auf deutsche Äpfel erhebt, muss Fritz an der Grenze 15 Prozent des Warenwertes an die Schweiz zahlen.
Ob Fritz diese 15 Prozent im Verkauf an seine Konsumentinnen und Konsumenten weitergibt, ist ihm überlassen. Er kann seine Äpfel in der Schweiz nun 15 Prozent teurer verkaufen oder diese 15 Prozent selbst tragen – also von seinem Gewinn abziehen. Oft übernehmen Unternehmen diese Mehrkosten natürlich nicht selbst, sondern geben sie an ihre Kunden weiter.
Warum erhebt Donald Trump Zölle?
Genau hier liegt auch der Hund begraben. In der heutigen Zeit werden Zölle häufig verlangt, wenn ein Land die Produktion im Inland vor (häufig billigerer) Konkurrenz aus dem Ausland schützen will. Donald Trump hat seine Zollstrategie stets damit verteidigt, dass er die amerikanische Wirtschaft ankurbeln will. Wenn ausländische Autos im Verkauf teurer werden, kaufen die US-Konsumenten wieder vermehrt Autos von US-Firmen, hofft der US-Präsident.
So sollen Arbeitsplätze gerettet und gar neu geschaffen werden. Ein weiterer toller Nebeneffekt: Wird trotzdem weiterhin ausländische Ware importiert, generiert der Staat durch die Zölle Mehreinnahmen. Auch dieses Ziel wurde von Trump immer wieder postuliert. Weiter nutzt er die Strafzölle als wirtschaftliches Druckmittel. So haben sich beispielsweise Japan und auch die EU zu Investitionen in US-Infrastruktur oder zum Einkauf von in den USA gewonnener Energie verpflichtet, um ihre Strafzölle zu mindern.
Warum spricht er von «Gegenzöllen»?
Die US-Regierung betont seit dem 2. April stets, dass es sich um «Gegenzölle» handle. Sie wirft damit allen übrigen Ländern vor, bereits Zölle auf Importe aus den USA zu erheben.
Seit 1947 wurden Handelszölle, besonders in der westlichen Hemissphäre, aber schrittweise abgeschafft (mehr dazu weiter unten). Deshalb traten die Bundesräte Guy Parmelin und Karin Keller-Sutter im April einigermassen konsterniert vor die Medien. Die Schweiz wisse nicht, wie Trump auf die Idee komme, Importe aus den USA unterlägen in der Schweiz Zöllen. Man habe alle Industriezölle abgeschafft.
Die Rechnung hinter Trumps Karton-Tafeln zeigt denn auch, dass die US-Regierung den Begriff «Gegenzölle» etwas freier interpretiert. Aufgerechnet wurde nämlich das Handelsdefizit und nicht Zölle auf US-Waren. Wer also mehr in die Vereinigten Staaten exportierte als importierte, kam unter den Zollhammer.
Doch selbst dieses Handelsdefizit ist willkürlich zusammengerechnet. So werden etwa die grossen US-Tech-Konzerne wie Google oder Microsoft, die enorm viel auf digitaler Ebene «exportieren», ausgeklammert. Auch vernachlässigt die Trump-Regierung die Marktgrössen der Staaten. Pro Kopf geben beispielsweise die neun Millionen Einwohner der Schweiz wesentlich mehr Geld für US-Produkte aus, als es umgekehrt bei 340 Millionen US-Amerikanern der Fall ist.
Warum sind die Strafzölle so umstritten?
Donald Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit Zölle verhängt. Jene auf Solarpanele aus China wurden durch die Biden-Regierung sogar noch verdoppelt. Warum also herrscht in der Wirtschaftswelt seit dem «Liberation Day» solch eine Aufregung?
Donald Trumps «Gegenzölle» treffen fast alle Länder und im Unterschied zu früheren Massnahmen fast alle Exportgüter. Tatsächlich wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die allermeisten Zölle schrittweise gesenkt oder komplett abgeschafft.
Bei der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 waren viele Exportgüter im internationalen Handel bereits vollkommen zollbefreit. Seither setzte sich die WTO für die Schlichtung weiterer Streitigkeiten zwischen den Handelszonen und für weitere Senkungen von Zöllen ein.
Mit dem «Liberation Day» und den seit August geltenden Strafzöllen wendet sich die grösste Wirtschaft der Welt von diesem Trend und damit einem Grundprinzip des freien Handels ab.
Welche Länder treffen die Zölle?
Nur vier Staaten haben nach neuer Lesart höhere Zölle zu entrichten als die Schweiz mit 39 Prozent. Zuoberst steht seit dem 6. August Brasilien, das 50 Prozent entrichten muss. Der Grund? Trump will, dass das Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro, seinen Vertrauten, eingestellt wird. Diesem wird vorgeworfen, er habe sich nach seiner Wahlniederlage 2022 wieder an die Macht putschen wollen.
Ausserdem mit hohen Zöllen bestraft werden die krisengeschüttelten Länder Myanmar (40 Prozent) und Syrien (41 Prozent) sowie das wirtschaftlich für die USA unbedeutende Laos (40 Prozent).
Weiter droht Trump Indien mit Zöllen in Höhe von 50 Prozent. Diese sollen aber erst am 27. August in Kraft treten, wenn das Land weiterhin russisches Öl in grossem Stil importiert. Aktuell werden indische Exporte in die USA mit 25 Prozent belegt.
Gelten auch Zölle für Russland?
Donald Trump sieht Zölle auf russische Güter für irrelevant an. Die Importe seien vernachlässigbar. Tatsächlich ist der Handel zwischen den USA und Russland seit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2021 massiv zurückgegangen.
Trotzdem nutzt Trump Strafzölle, um einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu erwirken. So hat der US-Präsident Anfang August angekündigt, er wolle Länder, welche russisches Öl importieren, mit massiven Zöllen von bis zu 100 Prozent belegen. Dies dürfte den russischen Staat, der massgeblich von Gewinnen aus dem Öl-Geschäft abhängig ist, empfindlich treffen.
Aktuell verhandeln Washington und Moskau über ein persönliches Treffen zwischen Trump und Putin. Wird keine Einigung erzielt, will Trump seine Drohungen ab dem 15. August in die Tat umsetzen.
Welche Folgen haben die Trump-Zölle für die Schweiz?
Für die Schweiz stellen die USA einen der wichtigsten Absatzmärkte dar. Zahlen von 2024 zeigen, dass ein Grossteil des Handelsbilanzüberschusses aus den USA stammt. Besonders beliebt sind dort Schweizer Pharmaprodukte. Genau diese könnten aktuell das Zünglein an der Waage sein, weshalb Trump die Schweiz einem Monster-Zoll unterwerfen will.
Seit der Ankündigung, die Schweiz werde ab 1. August mit hohen Strafzöllen belegt, spielen die Exporte verrückt. Zuerst stiegen diese rasant an, danach fielen sie wieder stark ab, aktuell gehen sie eher leicht zurück. Dieser Verlauf zeigt perfekt, welche Unsicherheiten Trumps Zölle im Weltmarkt verursachen.
Jede Art von US-Zöllen auf Schweizer Produkte wird die Wirtschaft hierzulande empfindlich treffen. Branchenexperten sprechen davon, dass «mehrere Zehntausend Stellen» bedroht sind. Für viele Unternehmen ist der US-Markt bei Strafzöllen von 39 Prozent quasi tot. Wie Schweizer KMUs bereits jetzt betroffen sind, erfährst du hier.
Für die Gesamtwirtschaft ist aber besonders die Pharmabranche wichtig. Diese ist bislang von Trumps Zöllen ausgenommen. In einem Interview drohte er aber 200 Prozent an, sollten diese die Medikamentenpreise in den USA nicht senken. Dies liegt nur zum Teil in der Hand der Firmen selbst. Trump hat die Frist hier für den 29. September angesetzt.
Wie geht es nun weiter?
Bis die Schweiz einen Deal mit Trump abschliesst, gelten vorerst Zölle von 39 Prozent. Das dürfte die Exporte in die USA deutlich drücken. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin konnten mit ihrer kurzfristigen Reise in die USA den Zollhammer zwar nicht abwenden, beide sprachen aber von «einem guten Treffen» und «einen freundschaftlichen und offenen Austausch».
So geht es auch allen anderen Ländern, die aktuell noch keinen Deal mit Trump geschlossen haben. Im Fokus stehen aktuell die Verhandlungen mit Brasilien, mit Indien und mit Russland.
(mit Material der sda)
