Trumps Monsterzölle wurden ausgerechnet am 1. August bekannt, am Nationalfeiertag der Schweiz. Ist das Zufall?
Michael Hermann: Das ist Zufall, aber ein symbolträchtiger Zufall. Da sind ein paar 1.-August-Reden nicht gut gealtert.
Sind 39 Prozent eine maximale Provokation? Oder will Trump der Schweiz maximal schaden?
Die Schweiz ist aus Sicht Trumps maximal nebensächlich. Es ist ein grosser Fehler der Schweiz zu glauben, sie sei von aussen betrachtet genauso gross und wichtig, wie sie sich im Innern sieht. Für Donald Trump zählt nur die Übergrösse, für kleine Staaten hat er keinerlei Respekt.
Der Deal mit der Schweiz ist ihm schlicht nicht wichtig genug?
Es ist ihm zu wenig wichtig, mit der Schweiz einen besonderen Deal zu machen. Deshalb kann er mit einem Federstrich wegputzen, was wir in akribischer und schweizerischer Verbissenheit glaubten ausarbeiten zu können.
Eigentlich hat die Schweiz mit Finanzminister Scott Bessent eine Vereinbarung geschlossen, offenbar mit einem Zoll von 10 Prozent. Ist es nicht absurd, dass Trump diesen Zoll vierfach übersteuert?
Genau das ist doch Trumps Prinzip. Er setzt alle Regeln ausser Kraft. Er ist machtanmassend und hochgefährlich. Diese Botschaft müsste mittlerweile überall angekommen sein. Er kann dank der Dominanz Amerikas wie der Bully auf dem Pausenplatz für sich das Beste herausholen. Für kleinere Länder wie die Schweiz ist dieses exzessive Ausreizen des Rechts des Stärkeren verheerend. Was wir brauchen, sind Fairness, Rechtsstaatlichkeit und Verlässlichkeit.
Hat die Schweizer Diplomatie versagt?
Das ist mir zu einfach. Gegen diese Willkür ist nicht anzukommen. Niemand wäre gegen dieses Desaster gefeit gewesen und ich finde, der Versuch war richtig. Die USA sind zu wichtig, um sich stolz und stur abzuwenden. Falsch waren die Selbstüberschätzung und der völlig falsch eingestellte Kompass von Karin Keller-Sutter. Sie sah eine Nähe zwischen der Schweiz und der aktuellen US-Regierung. Sie hegte Sympathien für die Kritik des US-Vizepräsidenten J. D. Vance an Europa. In Anbetracht dieses rein willkürlichen, antiliberalen Zollhammers ist das ein Hohn.
Sie sagen indirekt: Die EU ist ein verlässlicher Partner, die USA nicht?
Absolut und das hat Tradition. Denken wir an das Bankgeheimnis oder den Streit um die Nazi-Fluchtgelder. Es waren immer die USA, die mit massivem Druck agierten. Im Vergleich dazu ist die EU unglaublich verlässlich. Sie war auch beim neuen EU-Abkommen geduldig, liess mit sich verhandeln. Trump treibt diesen Gegensatz nun einfach auf die Spitze, aber er war schon immer da.
GLP-Präsident Jürg Grossen sagt, dieser Zollhammer sei eine Zäsur im Verhältnis zu den USA. Sehen Sie das auch so?
Es ist – hoffentlich – eine Zäsur in der Wahrnehmung, wer verlässliche, wohlmeinende Partner sind und wer nicht.
Amerika ist uns fremd?
Gerade im rechtsfreisinnigen Umfeld von Karin Keller-Sutter sehen viele eine Nähe der Schweiz zum amerikanischen Liberalismus. Doch unser Schweizer Liberalismus beruht im Ausgleich der Kräfte, der amerikanische steht für einen Raubtierkapitalismus, in dem der Grössere den Kleineren frisst. Ich hoffe, dass sich der Nebel hier nun gelichtet hat. Selbst wenn Trump nächste Woche alles wieder auf den Kopf stellt, seine Willkür ist Gift. Wenn man sich bei Vorverhandlungen nicht auf ein Wort verlassen kann, zeigt das, wie beschädigt die Beziehungen sind.
Soll die Schweiz den USA den Rücken kehren?
Nein, denn die USA sind viel mehr als Trump. Die USA sind enorm wichtig und werden wichtig bleiben. Ob allerdings der F-35-Kauf vor Rücknahme dieser Killerzölle vollzogen werden sollte, ist mehr als fraglich. Die wichtigste Lehre ist für mich jedoch eine andere: Trump zeigt, wie robust und ausgeglichen unsere Beziehung zur EU ist. Wer nach diesem Zollentscheid das neue EU-Abkommen als Kolonialvertrag bezeichnet, hat doch jegliche Verhältnismässigkeit verloren. Koloniales Verhalten ist, was wir nun mit den Zöllen erleben.
Trump ist kolonial?
Kolonialherr Trump macht einen Federstrich. So gingen Kolonialherren früher mit Afrika um und zogen Grenzen neu, wenn sie an ihrem Schreibtisch gerade entsprechende Laune hatten. Im Unterschied dazu hat die EU jahrelang mit uns verhandelt. Es war ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe. Aber wenn es um die EU geht, verlieren gewisse Kreise jedes Mass an vernünftiger Kritik.
Das heisst: Die SVP und Teile von FDP und Mitte müssten umdenken?
Ich glaube, die SVP kann nicht mehr umdenken. Gegen die EU zu sein, sitzt zu tief in ihrer DNA. Aber Teile der FDP und der Wirtschaft haben sich festgebissen. EU-Kritik wurde hier zu einer Art Ideologie. Dabei steht die EU im Kern immer noch für freien Handel, während der Zollwahn und der Protektionismus von Trumps Maga-Bewegung das Gegenteil von liberal sind. Für mich haben sich diese rechtsfreisinnigen Kreise einer Art von Identitätspolitik verschrieben: Weil Trump gegen links ist, stand er für sie auf der richtigen Seite und die EU irgendwie auf der falschen. Da lief einiges schief. Mein Eindruck ist allerdings: Die FDP und auch grosse Teile der Wirtschaft fangen sich wieder, seit die EU-Verträge auf dem Tisch liegen und Thierry Burkart als Präsident Forfait gegeben hat. (aargauerzeitung.ch)
Demgegenüber reiht sich bei der ebenso unablässig wie unerträglich zur Super-Karin hochgejubelten KKS (die eben eher eine Super-Karen ist), seit sie das Finanzdepartement übernommen hat, eine Blamage an die andere. Aber eben: Im Vortäuschen von Kompetenz waren sie schon immer saugut, unsere FDPler.