Der Nebel hängt an diesem Morgen dicht über der Aare. Es sind nicht viele Leute unterwegs – ein ganz normaler Morgen im Quartier hinter dem Brugger Schachen nimmt seinen Lauf.
Vor dem Tenniscenter schwatzen zwei Frauen mittleren Alters. Das Training ist fertig. An ihrem Rücken baumeln Tennistaschen. Was sie davon halten, dass im Notfall bis zu 550 Asylsuchende an der Ländistrasse untergebracht werden (die «Aargauer Zeitung» berichtete)? «Ach, das ist doch überhaupt kein Problem», sagt die eine mit den kurzen, grauen Haaren. «Zudem wäre es ja nur in einer Notfallsituation.» Die Erfahrungen würden zudem zeigen, dass es in der Umgebung der Unterkünfte selten zu Problemen komme.
Ihre Kollegin ergänzt: «Es wäre aber gut, wenn mehr Familien aufgenommen würden.» Mit den Jungen sei es untereinander manchmal etwas schwierig. Erstere findet: «Ganz wichtig ist, dass diese Menschen etwas zu tun haben. Dass sie in der ersten Phase nicht arbeiten dürfen, ist ein riesiges Manko. Das müsste die Politik ändern.»
Verschmitzt schaut sie die Journalistin an und sagt: «Vielleicht sind wir ja nicht die richtigen, um Auskunft zu geben. Wir finden die Unterkunft nämlich in Ordnung.»
Nun, es ist unmöglich, an diesem Morgen jemanden zu finden, der sich negativ äussert. Die Menschen im Quartier zeigen sich aufgeschlossen.
Ein Mann tritt aus einem Einfamilienhaus heraus, macht sich mit seinem Enkel an der Hand auf zum Spaziergang. Darauf angesprochen, dass sich niemand negativ äussert, lacht er und sagt: «Wissen Sie, hier sind wir halt in Brugg und nicht in Oberwil-Lieli.» Er habe also überhaupt keine Angst vor diesen Menschen. «Es ist wichtig, dass denen gut geschaut wird», führt er aus.
Er appelliert zudem an die Solidarität unter den Gemeinden. «Ich habe kein Verständnis für dieses ‹nur nicht bei uns›. Ob es jetzt um Asylbewerber geht oder um ein Tiefenlager für atomaren Müll: Wir alle stehen in der Verantwortung.» Obwohl er keine Bedenken hat, wird er am nächsten Dienstag an der Infoveranstaltung teilnehmen.
Wenn in der Bevölkerung Bedenken auftauchen, dann betrifft es vor allem die Zahl der Asylsuchenden, die an der Ländistrasse untergebracht werden sollen. Eine Frau mit einem Hund an der Leine meint im ersten Moment: «Was? 550? Das wären dann schon etwas viel.»
Aber auch sie relativiert schnell und meint: «Wenn ich zu Hause in der warmen Stube sitze, dann denke ich oft an die Menschen, die jetzt auf der Flucht sind.» Es sei wichtig, dass die Flüchtlinge irgendwo untergebracht werden. Und auch ihr ist es ein Anliegen, dass die Asylsuchenden beschäftigt werden. «Im Altersheim oder anderswo gibt es schliesslich immer zu tun.»
Auf dem Trottoir zieht ein älterer Mann sein Einkaufswägeli hinter sich her. Er habe nur mit der Schulter gezuckt, als er die Neuigkeiten erfahren habe. Er wohnt direkt hinter dem Militärgelände, wo die Asylsuchenden unterkommen sollen. «Das kommt schon gut», sagt er gelassen. «Ich habe überhaupt keine Bedenken.» Zudem patrouilliere die Polizei hier unten regelmässig. «Ich hoffe aber, dass keine Gangster kommen», sagt er.
Eine ältere Frau, sie ist gerade auf dem Nachhauseweg, meint: «Mit dem Militär, mit den Rekruten gehts ja auch.» Die Menschen müssten ja irgendwo hin und man habe schliesslich in den letzten Jahren genügend Zeit gehabt, sich an diese Flüchtlings-Situation zu gewöhnen. Was sie stört: «Ich verstehe nicht ganz, warum so viele von Afrika zu uns kommen.»
In der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Brugg wenn...» gibt es doch die eine oder andere negative Äusserung. «Bis die erste Vergewaltigung kommt», schreibt einer. Eine Userin nervt sich: «Jetzt kann ich mit dem Hund auf dem Balkon spazieren gehen am Abend. Oder ich lasse mich wie fast jeden Abend auf dem Neumarktplatz anpöbeln.»
Ein weiterer User will schon Franziska Roth, die neue SVP-Regierungsrätin aus Brugg, in die Pflicht nehmen. Allerdings wird für diese Unterkunft an der Ländistrasse der Bund zuständig sein und nicht der Kanton.