Vor 15 Jahren ist SP-Parteipräsidentin Ursula Koch verschwunden – seither hat sie nie wieder jemand gesehen
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Wo ist Ursula Koch? Von der ehemaligen SP-Parteipräsidentin, die vor 15 Jahren nach langem Hickhack das Handtuch warf, fehlt jede Spur. Nicht mal ihre eigene Partei weiss, wo Madame Disparue ist.
15.04.2015, 12:1717.04.2020, 08:32
Die 90er-Jahre waren eine prägende Zeit für die Sozialdemokraten. Im Jahrzehnt, in dem das Volk dem Bundesrat mit dem Nein zur EWR-Abstimmung eine krasse Abfuhr bescherte, trat auch eine Ikone der heutigen Sozialdemokratie vom Chefposten zurück. Auf den umstrittenen Peter Bodenmann folgte im Juni 1997 die noch umstrittenere Ursula Koch. Heute vor 15 Jahren trat sie nach internen Querelen zurück, seither fehlt von ihr jede Spur.
Koch war einzigartig und sonderbar. Sie war die erste Frau an der Spitze der SP, zum Zeitpunkt ihrer Wahl Stadträtin in Zürich und sass nicht im Nationalrat. Die NZZ beschrieb sie jüngst als «widerborstige Genossin», die eigenwillig, kompromisslos und polarisierend auftrat. Persönliche Eigenschaften, die sie schliesslich den Kopf kosteten.
Ursula Koch wurde von den Medien mit Argusaugen beobachtet.Bild: KEYSTONE
Unter ihrem Regime etwa trat Barbara Binder, langjährige Generalsekretärin der Partei, zurück. Mit Nationalrätin Jacqueline Fehr trug sie medial eine Fehde aus. Viele Genossen störten sich daran, dass Koch sich vor dem realpolitischen Alltag drückte und stattdessen lieber Grundwertediskussionen über die Ausrichtung ihrer Partei führte.
Eine Aussprache der Parteileitung hätte Klarheit und Veränderungen bringen sollen. «Sie sehen, dass wir zufrieden sind», berichtete Ursula Koch damals vor den Medien. Wenige Stunden nach der Pressekonferenz über die Klausur zeigte sich, dass nicht alle Genossen diese zufriedenen Stimmung teilten.
«Es darf nicht sein, dass demokratische Entscheide durch Putschversuche aufgehoben werden.»
Ursula Koch am 24. Februar 2000quelle: srf videoarchiv
Der Streit eskalierte. Partei-Vizepräsident Pierre Aeby reichte am selben Tag noch einen Antrag auf einen ausserordentlichen Parteitag ein mit dem Ziel, Koch zum Rücktritt zu zwingen. Ihre Gegenspielerin Fehr, damals Präsidentin der SP-Frauenorganisation, forderte sie mehrfach öffentlich zum Rücktritt auf und stiess dabei auf taube Ohren bei Koch. «Es darf nicht sein, dass demokratische Entscheide durch Putschversuche aufgehoben werden», sagte die umstrittene Parteipräsidentin im Februar 2000 vor den Medien.
Sie war umstritten und trat nicht ganz überraschend nach nur drei Jahren Amtszeit zurück.Bild: KEYSTONE
Es folgt eine öffentliche Demontage: Die spätere Fraktionschefin und St.Galler Nationalrätin Hildegard Fässler und die heutige Bundesrätin Simonetta Sommaruga werden als mögliche Nachfolgerinnen diskutiert. Kantonalparteien entziehen Koch das Vertrauen. Und dann der Rücktritt.
Am 15. April 2000 teilte sie der Partei mit, sie trete mit sofortiger Wirkung als Präsidentin und Nationalrätin zurück.
Seither fehlt von ihr praktisch jede Spur. Im Dezember 2000 findet man eine letzte öffentliche Aussage: «Mir geht es gut. Ich bin glücklich.» Das «NZZ Folio» unternahm 2005 eine Recherche, und fand im Zürcher Niederdorf eine unscheinbare, mit dem Namen «Koch» beschriftete Klingel. Die schriftliche Anfrage des Magazins beantwortete sie freundlich mit einer Bitte um Verständnis dafür, dass sie an öffentlichem Interesse kein Interesse habe.
Wo ist Ursula Koch? Seit ihrem Rücktritt fehlt von ihr jede Spur.Bild: KEYSTONE
Nicht mal ihre eigene Partei scheint zu wissen, wo sich Madame Disparue befindet. Als die SP Schweiz 2013 ihr 125-jähriges Bestehen mit einem grossen Fest feiern und alle noch lebendende Parteipräsidenten einladen wollte, scheiterte sie bei Koch. «Sie war leider nicht auffindbar», sagte Generalsekretärin Flavia Wasserfallen.
«Vielleicht stinkt es ihr auch, im Zug immer noch ständig angesprochen zu werden.»
Blick, 27. Juli 2000
Über den Verbleib von Ursula Koch gibt es derweil verschiedene Gerüchte. 2012 vermutete das «Tagblatt der Stadt Zürich» ihren Aufenthaltsort in Israel, Argentinien, Frankreich oder weiterhin in Zürich. Wenige Monate nach ihrem Rücktritt lernte die öV-Begeisterte Ex-Parteipräsidentin Autofahren. «Vielleicht stinkt es ihr auch, im Zug immer noch ständig angesprochen zu werden», zitierte der Blick eine «Vertraute» im Juli 2000. Auch die gross angelegte Recherche des SRF im Jahr 2013, bei dem man gar Frankreich-Korrespondenten in entlegene Gemeinden schickte, brachte keinen Treffer. Nicht mal in ihrem (ehemaligem) Stammlokal Café Marion im Zürcher Niederdorf weiss man, wo die heute 73-jährige alt-Präsidentin der SP ist.
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