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Mindestens zwei Mal in der Woche steht auf ihrer Facebook-Timeline: «Jessica Häberli checked in at Swiss Arena.» Keine Stunde später sind bereits zwei Selfies aus dem Stadion auf ihrem Profil zu finden. «#flyersbiszumtod #icehockey #onepassion», lautet die Bildlegende. Vom Spiel bekommt sie wenig bis gar nichts mit, ausser ihr Team schiesst ein Tor. Dann darf sie nämlich alle ihre Kollegen und Kolleginnen umarmen.
Achja, und wahrscheinlich hatte sie schon mal was mit einem von der ersten Mannschaft. Beziehungsweise, er hat ihr mal in der Bar nach dem Spiel länger in die Augen geschaut.
Er hat eine Stimme so laut wie Sascha Ruefer. An Fan-Gesängen beteiligt er sich höchstens in Extremfällen. Viel wichtiger ist es ihm, in den kurzen Phasen der Ruhe einen knackigen Spruch zu klopfen, sodass ihn im Umkreis von mindestens drei Metern alle hören können.
Ein Davoser ist für ihn ein «Steibock-Tschingg», der Luganesi ein «Salami-Tschingg» und sowieso: «Ufem Gotthard hört d'Schwiiz uf, äne isch Italie». Aber eigentlich ist der Sprüche-Klopfer ein herzensguter Mensch. Er ist ein Alphatier und man munkelt sogar, dass das Tussi mit dem Handy eigentlich nur wegen ihm hier ist.
Auch Minute 18 und Minute 38 sind für ihn enorm wichtig. Schliesslich will er am Wurststand und am Pissoir nicht anstehen. Er fühlt sich dem Rest der Stehkurve überlegen, denn seit Wayne Gretzky hat niemand mehr so clever antizipiert wie er.
Kurz vor Ende der Partie verlässt er das Stadion. Auch wenn sein Team bloss mit 3:4 hinten liegt. 99% der Kurve schüttelt verständnislos den Kopf, doch er lacht sich bereits ins Fäustchen. «Ier schtecked nacher im Schtau, ich nööd!»
Als Dreikäsehoch bist du vor ihm fast in Ehrfurcht erstarrt: Der etwas ältere Mann, der mit einem Jeans-Gilet in der Fankurve steht. Stets umgibt ihn eine Bierdunst-Aura, auch dem Rauchen ist er nicht abgeneigt.
Auf sein extravagantes Fan-Acessoir hat er nicht nur unzählige verschiedene Wappen seiner Lieblingsmannschaft genäht, sondern auch Logos und Abzeichen, welche er während seinen vielen Reisen an Auswärtsspiele im In- und Ausland gesammelt hat. Wenn er neben seinem Gilet noch ein anderes Fan-Utensil hat, dann höchstens einen Schal. Den hat er selbstverständlich nicht um den Hals, sondern um den Oberarm gebunden.
Wobei, aufgenäht hat der Schlachtenbummler die Stickers wohl kaum selber. Dafür ist die Aufpasserin verantwortlich. Sieht man die Aufpasserin im Alltag beim Einkauf in der Migros, kommt man nie auf den Gedanken, dass sie Woche für Woche in den Stehkurven der Schweizer Hockey-Stadien steht. Sie verpasst kaum ein Spiel, leidet aber nicht an Realitätsverlust, wie es viele ihrer männlichen Kollegen tun. Wenn ihre Mannschaft verliert, ist das kein Weltuntergang.
«Du hesch gseh, d Romina isch scho wider schwanger!» und «ja weisch, negscht Wuche hani im Gschäft e wichtigi Sitzig mit em Roger», sind durchaus Themen, welche auch im Stadion besprochen werden können. Letzten Endes sind alle froh, sie in der Kurve zu haben, sie passt auf ihre wildgewordenen Kollegen auf und in ihrem «Buuchtäschli» hat sie keine Zigaretten, sondern ein Päckli Ricola.
Egal, ob Tetstspiel, Qualifikation oder Playoff-Final, immer wenn du die Stehkurve betrittst, steht er schon da. Und zwar immer am exakt selben Ort. Du fragst dich, ob er seit dem letzten Spiel überhaupt schon mal nach Hause gegangen ist, denn das Trikot und die Hose sind immer noch die gleichen wie vergangene Woche.
Wahrscheinlich trägt er auch immer dieselbe Glücksunterhose, denn genau an diesem Ort und mit diesen Kleidern hat er 2003 einmal miterlebt, wie sein Team in einem irren letzten Drittel einen 1:5-Rückstand noch in einen Sieg ummünzen konnte.
Er zieht sich Nacht für Nacht jedes NHL-Spiel rein, liest sämtliche Artikel über Hockey und weiss über alles Bescheid. Natürlich reibt er das seinen Kollegen auch unter die Nase: «Ja de muesch denk links spiele und denn mit de Backhand zruglegge!» Und die Transfer-Politik seiner Mannschaft ist ihm schon lange ein Graus: «Das heti der au scho vorher chöne säge, dass de nüüt isch!»
Die Kolumnen von Eismeister Zaugg findet er komplett überflüssig: «De laberet doch eh nur Seich!» Lesen tut er sie trotzdem alle. Schliesslich kommt sein Experten-Wissen ja nicht von ungefähr.
Für ihn ist das Hockeystadion eigentlich eine grosse Beiz, bei der so ganz nebenbei auch noch Eishockey gespielt wird. Und weil sie meistens nur Dienstag, Freitag und Samstag geöffnet ist, bedeutet dies für ihn, für die trockenen vier Tage gleich mitzutrinken. Bereits im Zug und vor dem Stadion trägt er stolz sein Ten-Pack spazieren wie Paris Hilton ihr Gucci-Handtäschchen.
Im Stadion-Bistro mit den Kollegen noch husch einen «Kafi-Gügs» runterkippen, einen Schnupf nehmen und dann schwer bewaffnet mit zwei Bechern Bier das erste Drittel in Angriff nehmen. Denn nach zehn Minuten mit leeren Händen dastehen, das will er nicht. Während des ersten und des zweiten Drittels ist er glücklich wie ein Mini-Pig am Futtertrog, vom Schlussabschnitt weiss er jedoch meistens kaum mehr etwas.
Man darf ihn aber auf keinen Fall verwechseln mit dem ...
... denn auch er könnte mit massenweise Bier unterwegs sein.
Seine Kollegen haben ihn überredet. «Chum, doch mal mit an Match», haben sie gesagt. «Isch imfall uu läss.» Nach jahrelangem Bearbeiten gibt er nach und wagt sich tatsächlich in die Eishalle. In der fünften Spielminute stellt er fest, dass er den Puck gar nicht sieht. «Muesch uf d Körperbewegige vo de Spieler luege», empfehlen ihm die Kollegen. «Ich muess ad Bar», empfiehlt ihm sein eigener Verstand.
Und so zwängt er sich noch während des ersten Drittels zum Ärger aller zum Ausgang und kehrt mit einem Karton voller Bier wenige Minuten später zurück. Die Hälfte schüttet er aus, die Kurve hasst ihn schon, doch seine Kollegen finden den Bierbringer bereits den Grössten: «Chum doch mal wieder mit an Match!»
Den ganzen Tag freut er sich bereits auf die Wurst im Stadion. Kaum ist er vor Ort, hält er es nicht mehr länger aus und verdrückt den Cervelat schon bevor die ersten Hockey-Cracks zum Aufwärmen das Eis betreten. Danach macht sich bei ihm eine gewisse Leere breit: Die Wurst – das Highlight des Abends – ist bereits weg!
Doch bereits im ersten Drittel tobt in seinem Inneren ein Kampf. «Aso ide zweite Drittelspause chönti scho nomal eini ässe», sagt sein Magen. «Denk mal a din Ranze und a dis Portmonnee», sagt der Kopf. Am Ende gewinnt fast immer der Magen. Weil:
«Wenni dihei grilliere, denn höri ja au nöd nach einere Wurscht scho uf!»«Wenn andere in der Öffentlichkeit kotzen, muss ich knutschen», so oder ähnlich lautet ein gängiges Sprichwort. Nichtsdestotrotz findet man in jeder Fankurve ein Pärchen wieder, dass ausschliesslich damit beschäftigt ist, miteinander rumzuknutschen. Nicht selten werden Körperflüssigkeiten in der Menge einer mittelgrossen Hunde-Badewanne ausgetauscht. Und die ganze Kurve fragt sich: «Händer eigentlich keis dihei?»