Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Die Leistungsdifferenz zwischen den NLB-Spitzenmannschaften und den zwei letzten der NLA ist heute wahrscheinlich so gering wie nie zuvor. Der Trend des letzten Frühjahres – die SCL Tigers deklassierten als NLB-Meister die Lakers in der Liga-Qualifikation (4:0) – bestätigt sich jetzt in der NLB. Mag sein, dass La Chaux-de-Fons, die Lakers, Langenthal und Olten eine Saison in der höchsten Spielklasse nicht durchstehen würden. Aber sie sind inzwischen gut genug, um eine Playoffserie (Liga-Qualifikation) gegen ein NLA-Team zu gewinnen.
EHC Olten gegen den SC Langenthal. Eines der grossen, vergessenen Derbys im Windschatten der nationalen Medien. 5536 Fans. Zwischen den so ähnlichen, nahezu gleich grossen Kleinstädten. Langenthal hat etwas weniger, Olten etwas mehr als 15'000 Einwohner. Eine intensive, unversöhnliche Rivalität im Land des zähen Nebels (Hier geht es zum klubeigenen Olten-Liveticker der Partie). Jedes Derby ist ein Drama. Jedes Derby schreibt eine besondere Geschichte. Jedes Derby hat seinen Helden.
So ist es auch jetzt. Diesmal heisst der Held Philipp Wüst (29). Ein Eggiwiler, der einst bei Langnaus Junioren war und seit 2010 für die Oltner stürmt. Also einer von noch weiter hinten im Emmental als Langnau. Er verkörpert die Auferstehung und den Triumph der Oltner in einem intensiven Spiel mit NLA-Niveau.
Kurz vor dem Ende des zweiten Drittels (37. Min.) erwischt ihn Langenthals Topskorer Brent Kelly (den die Langenthaler einst Olten ausgespannt haben) mit einem harten Check hinter dem Tor. Philipp Wüst bleibt liegen. Der Pfleger eilt rutschigen Schrittes aufs Eis. Keine Strafe. Schliesslich steht der tapfere Emmentaler doch wieder auf, kehrt mit eigener Kraft auf die Spielerbank zurück und kann sich in der zweiten Pause erholen. «Ich bin überrascht worden und mit der Schulter in die Bande geprallt. Im ersten Moment hatte ich Lähmungserscheinungen im Arm. Wahrscheinlich hat es einen Nerv erwischt. Aber zum Glück ging es bald wieder.»
Philipp Wüst ist eben ein «Warrior» («Krieger»). So nennen die Nordamerikaner respektvoll die zähen Kämpfer, die nie aufgeben und immer wieder aufstehen. Er ist typisch für so viele Spieler in NLB-Spitzenteams. Eigentlich zu gut für die NLB, aber doch nicht gut genug für einen Stammplatz in der NLA. Es sind mental robuste, zähe, oft erstaunlich talentierte Kämpfer, die in einzelnen Spielen (beispielsweise in einer Liga-Qualifikation) auch gegen ein NLA-Team bestehen können. Oder ehemalige NLA-Haudegen im Spätherbst ihrer Karriere.
Im Schlussdrittel kehren die Oltner ins Spiel zurück. Sie hatten sich im zweiten Drittel unter dem Druck der kräftigeren Langenthaler gebogen. Es hatte geächzt und geknarrt im Mannschaftsgefüge. Sie waren 0:2 in Rückstand geraten. Aber sie waren nicht gebrochen und sie hatten die Geduld nicht verloren. Dabei hatte Sportchef Jakob Kölliker bereits in der ersten Pause im Trainerbüro interveniert und Umstellungen der Linien verlangt.
Cheftrainer Heikki Leime ist cool geblieben und hat sich nicht zu Änderungen provozieren lassen. Er ahnt: Es braucht bei einem so ausgeglichenen Spiel nur ein Tor um die Energien freizusetzen, die sein Team zur Wende braucht. Immer wieder hat es Olten diese Saison geschafft, im Schlussdrittel doch noch einen Weg zum Sieg zu finden. Warum nicht auch jetzt?
Und tatsächlich gelingt die Wende. Stefan Hürlimann hat zum 1:2 verkürzt (43.) und jetzt wankt Langenthal, das doch so lange Zeit wie der sichere Sieger ausgesehen hat. Es ist eben bei einem so unberechenbaren Spiel auf einer rutschigen Unterlage nicht möglich, einen Vorsprung zu verwalten und ein Spiel zu kontrollieren.
Ausgerechnet dem ersten Block der Langenthaler um den Titanen Brent Kelly passiert in der 52. Minute ein fatales Missgeschick, das alle vorangegangenen Anstrengungen zunichte machen wird. Die beiden ersten Blöcke sind nach einem langen Einsatz daran, fliegend zu wechseln. Die Langenthaler sind ein bisschen schneller. Auch Philipp Wüst will wechseln, aber dann sieht er im letzten Augenblick, dass Marco Truttmann in Scheibenbesitz kommt. «Er hat mich gesehen und da war für mich klar, dass ich mich noch nicht auswechseln lasse und noch einmal alle Energie zu einer letzten Anstrengung mobilisiere. Wenn er die Scheibe hat, dann weisst Du, dass es funktioniert. Ich bin losgefahren, habe den Puck bekommen und dann habe ich einfach alle Kraft in den Schuss gelegt.»
Philipp Wüst ist losgestürmt und ein paar Schritte nach der blauen Linie hat er die Scheibe in einer blitzschnellen Entladung all seiner Energie mit unheimlicher Wucht hoch ins Netz geschossen. Selbst in der NLA ist ein so herzhafter Abschluss selten zu sehen. Der starke Marco Mathis ist machtlos und hätte er die Fanghand irgendwie in die Schussbahn gehalten, hätte er womöglich einen Fingerbruch riskiert. Ja, das war Wüsts Geschoss.
Dieser Ausgleich ist der Anfang vom Ende für die Langenthaler, die in dieser Saison die beiden ersten Derbys gewonnen haben. Nun bläht ein Sturmwind der Emotionen die Segel der Oltner und ihre Beine und Armen werden leichter. Der Sieg in der Verlängerung (nach 62:52 Minuten) durch einen wuchtigen Schuss des aufgerückten Verteidigers Fabian Ganz ist die logische und verdiente Krönung eines wundersamen Comebacks in einem grossen, dramatischen Spiel.
Die NLB-Spitze ist breit. La Chaux-de-Fonds, die Lakers, Olten und Langenthal stehen praktisch auf Augenhöhe. Die besten Teams werden regelmässig gefordert und haben eine bemerkenswerte Spielkultur entwickelt. Sie sind exzellent gecoacht, mental robust, geraten nach Rückständen nicht aus dem Konzept und haben das Selbstvertrauen und die Geduld, die Siegerteams auszeichnen.
Die Zeiten mögen noch ändern. Aber vieles spricht dafür, dass Biel oder die SCL Tigers ihren Platz in der NLA gegen den NLB-Sieger verteidigen müssen. Es wird für Biel oder Langnau (oder wen es auch immer erwischen mag) im Frühjahr 2016 schwerer als es alle erwarten. In den letzten drei Jahren hat es den NLA-Letzten (SCL Tigers, Lakers) zweimal erwischt.