Facebook wird eine Bank: «Kann ich per Messenger Geld überweisen?» und 6 andere wichtige Fragen
Facebook ist mit 1,4 Milliarden Mitgliedern das grösste soziale Netzwerk der Welt. Doch nicht nur das: Facebook ist Medienkonzern, Filmproduzent, Spieleentwickler. Und nun schickt sich der Konzern an, ins Bankgeschäft einzusteigen.
Facebook hat vor kurzem ein Patent angemeldet, das unter anderem Kreditgebern ermöglichen soll, das soziale Umfeld bei Facebook als Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung eines Kredits zu nutzen. Wörtlich heisst es in dem Patent: «Wenn ein Individuum einen Kredit beantragt, prüft der Gläubiger die Kreditwürdigkeit derjenigen Mitglieder in sozialen Netzwerken, die mit dem Individuum vernetzt sind.»
Weshalb steigt Facebook ins Geldgeschäft ein?
Facebook hat enormes Wissen über Präferenzen seiner Nutzer gesammelt, aus denen sich die Kreditwürdigkeit ableiten lässt. Und dieses Wissen will der Konzern kapitalisieren.
Die Marktforschungsgesellschaft Forrester hat bereits 2008 prognostiziert, dass Finanzdienstleister mittel- und langfristig Informationen aus dem Web und aus sozialen Netzwerken nutzen werden. «Dort, wo nationale Regulierer dies erlauben, nutzen einige Banken bereits diesen Ansatz oder planen dies zu tun», sagt Jost Hoppermann von Forrester.
Hat Facebook eine Banklizenz?
Im vergangenen Jahr hat Facebook bei der irischen Zentralbank eine Banklizenz beantragt. Mit der Lizenz könnte Facebook den elektronischen Zahlungsverkehr abwickeln. Die Anerkennung würde Facebook überdies erlauben, Geldeinheiten auszugeben, die eine Forderung gegenüber einem Unternehmen begründen. Ob die Lizenz erteilt wurde, darüber schweigt der Konzern.
«Eine Facebook-Bank würde den gleichen Regulierungen unterworfen sein und die gleichen Aufgaben zu erfüllen haben wie andere Banken auch», erklärt Bankexperte Jost Hoppermann. Die Margen wären kaum höher. ‹Facebook Bank› müsste daher neue Geschäftsmodelle hinzufügen, über die man durchaus spekulieren kann», so Hoppermann.
Die Facebook-Bank kommt
Die Schweizer Banken sind – wohl nicht zuletzt aufgrund des Drucks von internationalen Technologiekonzernen – nicht untätig. Fast jede Bank ist derzeit daran, die verschiedenen Lösungen zu analysieren und evaluieren.
Was tut sich konkret?
Es gibt im Moment drei grosse Schweizer Systeme, die für das Bezahlen mit dem Handy aufgebaut werden: Die Bezahllösung der Migrosbank, Paymit von der Six-Group sowie Twint von der PostFinance.
Was ist der Nutzen für die Kunden?
Im Peer-to-Peer-Payment, also dem Bezahlen zwischen zwei Privatpersonen, erkenne ich einen Zusatznutzen für den Kunden. Daher wird dies auch zunehmend stärker benutzt. Im Gegensatz dazu glaube ich, dass Mobile Payment keine grosse Chance haben wird. Kontaktlose Bezahlkarten etc. machen das Zahlen an der Kasse schon heute sehr effizient.
Auch im Bereich Vermögensverwaltung bewegt sich einiges.
Tatsächlich. Hier sind viele Ideen und Projekte am Start und zum Teil schon sichtbar. Auch die beiden Grossbanken sind im Bereich des digitalen Anlagegeschäfts sehr stark am Investieren.
*Andreas Dietrich ist Professor an der Hochschule Luzern.
Wie funktioniert die Geldüberweisung mit Facebook?
Seit Juli ermöglicht Facebook seinen Nutzern in den USA, sich über den Kurzmitteilungsdienst Messenger kostenlos Geld zu überweisen. Der Nutzer tippt dazu ein Dollarsymbol in der App oder Desktop-Anwendung an, gibt den Geldbetrag ein und bestätigt die Überweisung. Die Überweisungen werden mit Visa- und Mastercard abgewickelt. Womöglich ist das der Grund, warum Facebook nach dem Bankenstatus strebt.
Ist Facebook eine Gefahr für die Banken?
Jim Stewart, Professor für Finanzwirtschaft am renommierten Trinity College Dublin: «Wenn Facebook in den Bankensektor einsteigt, ist es wahrscheinlich, dass sie nicht die gesamten Bankdienstleistungen abdecken werden, sondern nur ein paar Bereiche. Einer davon ist der Transfer von Geldvermögen von Individuum zu Individuum.»
Durch solche Peer-To-Peer-Bezahlungen liessen sich die Transaktionskosten für internationale Überweisungen senken. Facebook könnte damit auch zur Konkurrenz für Geldversender wie Western Union werden.
Der Konzern aus Kalifornien will dabei weniger als Grossbank mit grossem Eigenkapitalpuffer agieren, sondern eher als dezentrale Plattform, auf der Zahlungsvorgänge abgewickelt werden. «Die Strategie, die Facebook verfolgt, ist im Wesentlichen, existierende Dienste zu monetarisieren», sagt Finanzexperte Stewart. «Der Eintritt ins Banking würde Big Data an Finanztransaktionen koppeln.»
Auf welche Märkte hat es Facebook abgesehen?
Laut der Unternehmensberatung McKinsey gibt es 2,5 Milliarden Menschen weltweit, die kein Bankkonto haben. Die Volkswirtschaften in Schwellen- oder Dritte-Welt-Ländern sind Cash-basiert. Dort wird bar bezahlt. Und diese Märkte hat Facebook im Visier.
Bild: NOOR KHAMIS/REUTERS
Es gibt keinen besseren Weg, neue Nutzer zu gewinnen, als ihnen eine App für ihr Einkommen anzubieten – zumal bargeldloses Bezahlen immer wichtiger wird.
Was hat Facebook davon?
Facebook könnte herausfinden, wofür Nutzer ihr Geld ausgeben und noch mehr über sie erfahren. Nur weil jemand eine Marke «likt», heisst das nicht, dass er auch ein Kunde ist. Wie viele der 11 Millionen Lamborghini-Fans können sich einen Sportwagen leisten? Facebook kann diese Frage nicht beantworten.
Wenn Facebook aber Finanztransaktionen und soziale Interaktionen verknüpft, hätten Werbekunden nahezu vollständige Informationen ihres Publikums. Kaufverhalten, Einkommen, Ersparnisse – Facebook hätte das komplette Bild. Und könnte noch mehr Geld für Anzeigen verlangen.
Welches sind die Gefahren für den User?
«Die ‹Facebook Bank› könnte Werbung auf den Finanzstatus der Kunden abstimmen – innerhalb und ausserhalb der Bank-Website», sagt Forrester-Analyst Jost Hoppermann. Für uns Kunden bedeute das aber auch, dass wir umso mehr darauf achten müssen, welche Informationen wir über uns öffentlich machen und mit wem wir in sozialen Netzwerken «befreundet» sind.