Im September 2017 war eine Mutter in ein Dietiker Schulhaus gestürmt, nachdem ihr Kind fremdplatziert worden war. Sie drohte der Lehrerin und deren Kindern mit dem Tod. In der vergangenen Woche musste sich die Frau deswegen vor dem Dietiker Bezirksgericht verantworten. Was im Gerichtssaal passierte, blieb der Öffentlichkeit verborgen. Einzelrichter Benedikt Hoffmann hatte Besucher und Medien aus dem Saal verbannt. Dies mit dem Argument, die Kinder der Frau zu schützen.
Am Freitagnachmittag hat das Bezirksgericht nun in einer kurzen Medienmitteilung über den Ausgang des Verfahrens informiert. Das Gericht hat die Mutter wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte noch eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten beantragt. Das Gericht beliess es nun bei einer bedingten Geldstrafe von 144 Tagessätzen und einer Busse von 1000 Franken.
Die Frau habe sich «nach der unerwarteten Fremdplatzierung ihres Sohnes in einem emotionalen Ausnahmezustand befunden», hält das Gericht in der Mitteilung fest. Zudem sei es bei verbalen Drohungen geblieben; die Lehrerin sei – anders als verschiedene Boulevardmedien berichteten – weder verprügelt noch gewürgt worden.
Das Gericht relativiert damit die Drohungen der Frau aber nicht: Es sei beim Urteil «erschwerend zu berücksichtigen, dass sie sich zu massivsten, höchst persönlichen, die psychische Integrität der Lehrerin verletzenden Drohungen hatte hinreissen lassen.» Alleine für diese Drohungen hätte sich gemäss Gericht eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen rechtfertigen lassen.
In gewissen Medienberichten sei die Frau aber vorverurteilt worden, zudem sei ihre Identität unzureichend geschützt worden. Aus diesem Grund reduzierte das Gericht die Strafe um 20 Prozent auf 144 Tagessätze.
Von den weiteren Vorwürfen sprach das Gericht die Mutter hingegen frei. Die Staatsanwaltschaft hatte sie in der Anklageschrift etwa beschuldigt, mehrmals ihren Sohn geschlagen zu haben.
Einen vollumfänglichen Freispruch gab es für den Vater. Dass er – wie seine Frau – die Fürsorge- und Erziehungspflichten verletzt und seinen Sohn mehrmals geschlagen haben soll, «konnte nicht mit rechtsgenügender Sicherheit nachgewiesen werden». Einzelrichter Hoffmann sprach dem Mann eine Genugtuung von 22 800 Franken zu. Dies einerseits, weil er während dreier Monate in Untersuchungshaft sitzen musste, was angesichts des ergangenen Freispruchs ungerechtfertigt war. Andererseits aber auch wegen einzelner Medienberichte, «welche die Identität des Beschuldigten offensichtlich unzulänglich schützten und ihn gleichzeitig massiv vorverurteilten».
Die Freisprüche betreffend die Vorwürfe der Tätlichkeiten und der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten bedeuten nicht, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde unangebracht vorgegangen sei, hält Hoffmann in der Mitteilung fest. «Insbesondere kann angemerkt werden, dass sich die damalige Anordnung der Fremdplatzierung des jüngeren Sohnes für ihn und seine Beziehung zu seinen Eltern nach aktuellem Wissensstand als gedeihlich herausstellte.»
Die Urteile gegen Mutter und Vater sind noch nicht rechtskräftig. Sie können beim Obergericht das Kantons Zürich angefochten werden.
Zu einem Punkt muss das Obergericht sicher Stellung nehmen. Vier Medien – der «Tages-Anzeiger», der «Blick», die «NZZ» und die Limmattaler Zeitung – haben gestern Beschwerde gegen die Verfügung eingereicht, mit der Richter Hoffmann den Prozess zur Geheimsache erklärt hatte. Die Beschwerde hat den Hintergrund, dass die richterliche Verfügung das Prinzip der Justizöffentlichkeit sowie die Medienfreiheit verletzt. Denn schliesslich kommt in der Schweiz den Medien die Rolle eines Bindeglieds zwischen Justiz und Bevölkerung zu. Nur so kann eine unkontrollierbare Geheimjustiz ausgeschlossen werden.
Nur kommt das kaum vor. Justizberichterstattung ist heute leider selten mehr, als Anklageschriften zusammenzufassen und deren Inhalt fälschlicherweise als Tatsachen darzustellen. Dann noch Emotionen und Skurrilitäten aus der Verhandlung zu tickern. Eine rechtliche Einordnung findet kaum statt oder ist weitgehend unbedarft.
Ich finde es gut, hat das Gericht die Familie vor weiterer persönlichkeitsverletzender Berichterstattung geschützt.