«Wie viel Liebe lässt so ein Protokoll eigentlich zu?», orakelt Frauke Ludowig auf RTL und stellt damit die Frage des Nachmittags. Denn wir werden gleich «die ersten Bilder von William und Harry» sehen und dabei das «Feingefühl» (Guido Maria Kretschmer) der Queen bewundern können. Sie hat ja erstens angeordnet, dass Will und Harry nicht nebeneinander hinter dem Sarg ihres Grossvaters hergehen, sondern durch ihren Cousin Peter Philips getrennt sind. Und dass zweitens alle in zivil erscheinen, obwohl es sich um eine Militärbestattung handelt.
Denn die beiden schwarzen Schafe der Familie, also Prinz Harry und sein Onkel Prinz Andrew, dürfen keine royalen Uniformen mehr tragen. Der eine, weil er ein normaler Mensch sein will, der andere, weil er in den Missbrauchsskandal um Jeffrey Epstein verwickelt war. Doch die feinfühlige Queen wollte nicht, dass die beiden im Trauerzug bloss gestellt würden, und änderte die Kleiderordnung. «Ich glaube, dass heute auch textil gesehen für ihn eine grosse Zäsur passiert», sagt Kretschmer über Harry.
«Bringt die Trauer Harry und William wieder zusammen?» lautet die Publikumsfrage bei RTL, mit deren richtiger oder auch falscher Beantwortung man irgendwas gewinnen kann. Lilly Becker meldet sich aus London, es sei «ein historischer Moment» und Prinz Charles habe «das jetzt verdient» König zu werden. Sie will am Sonntag mit Sohn Amadeus Blumen vor dem Buckingham Palast niederlegen.
Auf SRF sagt Henriette Engbersen vor Schloss Windsor, der Bruderzwist zwischen Will und Harry, sei wie von Shakespeare erfunden, «zwei Brüder verlieren viel zu jung ihre Mutter» und müssten sich nun über dem Grab des Grossvaters wieder versöhnen. Durchs Bild fährt ein erstes Mal der Jaguar Land Rover, der den Sarg abholt.
Die RTL-Sondersendung heisst übrigens «Goodbye, Philip!» mit einem lüpfigen Ausrufezeichen. Vergleichbar mit «Goodbye Deutschland!» auf dem Partnersender Vox. Auch bei Philip geht es offenbar darum, dass einer in eine neue Welt auswandert.
Philip «designte» die kleine Privatkapelle auf Schloss Windsor mit, in der jetzt sein Sarg die ganze Woche über stand. Die Kapelle liegt direkt neben den Gemächern der Queen und war nach dem Brand auf Schloss Windsor 1992 anstelle eines ungenutzten Durchgangs neu gebaut worden. Philip entwarf die Glasfenster, die Feuerwehrmänner im Kampf um das Schloss zeigen, angeblich selbst.
Ebenfalls mitdesignt hat er seinen Leichenwagen, nämlich den Jaguar Land Rover, auf dem jetzt sein Sarg zur St.George's Chapel gefahren wird. So bestimmte er etwa, dass die Farbe des Rovers statt des ursprünglich vorgesehenen leicht bläulich getönten «Belize Green» ein schlammig warmes «Dark Bronze Green» sein sollte.
Neben einem riesigen Schiff entwarf er auch eine kleine Kutsche. Mit seinen beiden Lieblingsponys, den 2008 geborenen Balmoral Nevis und Notlaw Storm dreht sie vor der Trauerfeier auf dem Grund von Schloss Windsor ihre Abschiedsrunden.
Jetzt geht's los. Einer der Sargträger ist – sagt jedenfalls SRF ... James Blunt! Danke SRF für diese Information. Der Sänger und Ex-Militär war schon 2002 Sargträger bei der Bestattung der Queen Mum. Der Sarg ruht jetzt auf dem Rover, die Prozession setzt sich in Gang, direkt hinter dem Rover gehen Anne und Charles, hinter ihnen Andrew und Edward, es folgen die Enkel. Also Will und Harry, dazwischen der Cousin. Lässt sich an ihren Gesichtern irgendwas ablesen? Schauen sie einander an? Nein.
Ausser Anne sind da nur Männer im Trauerflor, alle tragen unzählige Orden, auch Harry, es folgt die Queen im dunkelroten Staats-Bentley mit ihrer Cousine Prinzessin Alexandra. Die Queen betritt St.George's Chapel durch einen Nebeneingang und viel Corona-Plastik, der Dean of Windsor nimmt sie in Empfang.
Die Sargträger – sind es neue oder die gleichen? Ist James Blunt etwa erst jetzt dabei, oder weiss SRF mehr als der Rest der Welt? Oder eher weniger? – schultern wieder den Sarg, tragen ihn die Treppe vor der Kirche hoch, halten inne für eine Schweigeminute, Salutschüsse werden abgefeuert.
Und so geht ein kleiner Trauerzug durch ein grosses, leer geräumtes Kirchenschiff, es ist ein Bild für die Vergänglichkeit und Winzigkeit des menschlichen Lebens, wie man es nicht eindringlicher finden könnte. Den Sargträgern läuft Schweiss ins Gesicht und in die Masken, der mit Blei ausgeschlagener Eichensarg, den Philip vor 30 Jahren schon hat anfertigen lassen, dürfte ja auch besonders schwer sein. Ein Quartett singt, genau so, wie es sich Philip gewünscht hat, im Chor wird der Sarg auf einen violett umhüllten Katafalk gesetzt.
Philip wollte vieles nicht an seiner Trauerfeier: Eine Predigt, einen in der Kirche vorgetragenen Lebenslauf und seine ehemalige Schwiegertochter Sarah Ferguson, die einstige Gemahlin von Prinz Andrew. Er hasste sie schon immer so sehr, dass sie bei Familienfeiern einen Raum verlassen musste, wenn er ihn betrat. Ausgerechnet «Fergie» war in den vergangenen Tagen jedoch die grösste Stütze der Queen und ging jeden Tag mit ihr spazieren.
Prinz Philip hat sich seine Trauerfeier bis ins letzte Detail hinein zurecht gelegt: Gesungen wird, was er selbst in Auftrag gegeben hatte oder was zu seinen Ehren komponiert wurde, etwa der Psalm 104, den William Lovelady zu seinem 75. Geburtstag vertont hatte. Oder «The Jubilate», was Philip bei Benjamin Britten bestellt hatte. Was soll man dazu sagen? Schön! In der leeren Halle klingen die Gesänge wie aus schimmerndem Kristall. Corona beschert dem Prinzen tatsächlich einen einzigartigen Abschied.
Im dunkelholzigen Chorgestühl gehen die schwarz gekleideten dreissig Trauergäste verloren. Wie es der Queen wohl gehen mag? In genau diesem Moment, da Abermillionen weltweit auf ihre Trauer schauen? Die TV-Kameras sind jedenfalls sehr zurückhaltend. Sie ist eine kleine alte Frau, eine gebeugte Witwe, die das Glück hatte, ihren Mann erst nach sehr, sehr vielen Jahren verlieren zu müssen. Und sie ist in genau diesem Moment so allein, wie das ein Mensch nur sein kann.
Wisst ihr noch, damals, als es hiess: «Daenerys Stormborn of the House Targaryen, First of Her Name, the Unburnt, Queen of the Andals and the First Men, Khaleesi of the Great Grass Sea, Breaker of Chains, and Mother of Dragons»? Als wir uns dachten, dass dies wirklich zu viele Titel seien, selbst für eine fiktionale Figur einer Fantasy-Serie wie «Game of Thrones»? Nun, in der immer etwas surrealen Wirklichkeit echter Royals geht noch viel mehr. So klingt das in der St.George's Chapel:
Unter einem Hosenband, wie «Garter» im Zusammenhang mit dem Orden übersetzt wird, lässt sich eher nicht so viel vorstellen. Dafür umso mehr unter Strumpfband und Strapse, was ein Garter nicht nur heute ist, sondern auch sehr viel früher schon war. Die Legende, die sich um die Entstehung des Hosenbandordens rankt, hat denn auch das verlorene Strumpfband einer Dame zum Inhalt.
Bei einem Ball, der vermutlich in den 1330-Jahre stattgefunden haben dürfte, soll nämlich die damalige Geliebte von König Edward I., eine gewisse Catherine Grandison, die aus dem Geschlecht derer von Grandson am Neuenburgersee stammte, ihr Strumpfband verloren haben. Der König soll es wiederum vom Boden aufgehoben und um seinen eigenen Schenkel gewunden und dazu gesagt haben: «Honi soit qui mal y pense», ein Schelm, wer Böses darüber denkt. Allerdings ist er nicht der Einzige, dem dieser Spruch in den Mund gelegt wird. Der Orden selbst existiert seit 1348.
Philips ganzen Orden glitzern auf dem Altar, und langsam fährt der Sarg in den Boden. Ein Dudelsackbläser bläst, auch das klingt todestraurig. Schliesslich verlassen die dreissig Trauergäste hinter der Queen die Kirche, verneigen sich vor den Orden und spazieren durch Windsor. Harry mit William und Kate. Harry mit William! Sie sprechen miteinander! «Möglicherweise seit einem Jahr!», sagt Michael Begasse auf RTL und ist erschüttert. Aber was wissen wir schon. Vielleicht ist zwischen den beiden eh alles ganz anders. Charles und Camilla gehen ebenfalls sehr einträchtig nebeneinander her.
Die BBC ist «very proud» auf die Trauerfeier, sie sei so wunderschön bescheiden gewesen für einen «Koloss» wie Philip. Und RTL schaltet schon wieder nach Kalifornien, wo ein People-Journalist vor einer Hecke steht, die vielleicht das Anwesen von Meghan und Harry verbirgt, vielleicht aber auch nicht. Das Leben geht weiter. Die Show auch.