Aufbruch! Das ist die Kürzest-Zusammenfassung der Stimmungslage rund um die FC Aarau Frauen. Zwei Jahre nach dem Abstieg aus der höchsten Liga schielt der FCA wieder mit grossen Ambitionen in Richtung oben. «Wir wollen aufsteigen!», sagt Vize-Präsident Walter Berli, ohne zu zögern. Rang 1 oder 2 müssen die Aarauerinnen dafür belegen, als Dritte würde noch der Umweg über die Barrage bleiben.
Der Auftakt ist schon einmal geglückt, zumindest resultatmässig. 4:2 besiegte Aarau zum Saisonstart am letzten Samstag Worb. «Hauptsache ein Sieg, das ist psychologisch wichtig», sagt Berli,«aber es war auch noch nicht alles perfekt.»
Szenenwechsel. Heute vor einer Woche sitzt Berli in St.Gallen auf der Tribüne des Kybunparks. Es ist der Tag der Eröffnung der neuen Saison. Der Tag, an dem der Schweizer Frauenfussball voller Stolz den Aufbruch in eine schönere Zukunft verkündet. Auch hier Aufbruchstimmung.
Erstmals in seiner Geschichte hat der Fussballverband mit der AXA einen Partner gefunden, der die Schweizer Frauen-Liga und Spielerinnen mit beträchtlichem Engagement unterstützt. Erstmals zeigt das Schweizer Fernsehen Spiele live. Neun sollen es sein in dieser Saison, einige davon im TV, einige auf den Online-Kanälen. Dazu kommen regelmässige Berichte in den SRF-Sportmagazinen. Bis zu 148'000 Zuschauer gleichzeitig und durchschnittlich 63'000 Interessierte haben den Auftakt der Women’s Super League verfolgt. Es sind Meilensteine für den Frauenfussball.
Entsprechend euphorisch erläutern letzten Donnerstag im Rahmen der Saisoneröffnung Verband, SRF und AXA ihre gemeinsamen Pläne. Immer wieder sind Worte wie «historisch», «Aufbruch» oder «Stolz» zu hören. Tatjana Haenni, Direktorin Frauenfussball, sagt: «Vor zwei Jahren hätte ich mir nicht erträumt, dass wir einmal an diesem Punkt stehen. Es ist einer der schönsten Tage in meinem Leben.»
Nur: Aufbruch und Euphorie rund um den Frauenfussball – das hat es schon häufig geheissen. Meist blieb danach trotzdem die enttäuschende Erkenntnis, keinen Schritt weiter zu sein. Darum gibt es auch kritische Stimmen. Luzerns Trainer Glenn Meier sagt beispielsweise: «Die Neupositionierung ist eine gute Sache. Ich hoffe, unser Produkt ist gut genug, um es vermarkten zu können. Bisher hat der Schweizer Frauenfussball stets versagt, wenn wir uns einer grösseren Öffentlichkeit präsentieren konnten. Der Weg führt darüber, die Ausbildung zu verbessern. Und wenn wir nicht aufwachen, gehören wir im Frauenfussball in fünf Jahren zur Dritten Welt.»
Aarau Vizepräsident Berli ist optimistisch: «In der Schweiz geht es halt manchmal etwas länger, aber nun bin ich überzeugt, dass der Aufschwung kommt. Und wenn wir ab nächster Saison dabei sind, wäre das genial.»
Es gibt zwei entscheidende Fragen. Erstens: Bleibt das Fernsehen am Ball und zeigt langfristig regelmässig Frauenfussballspiele? Nicht nur solche des Nationalteams, sondern eben auch solche aus der Women’s Super League? SRF-Sport-Abteilungsleiter Mägerle sagt: «Natürlich, es braucht Aufbauarbeit. Aber wir denken langfristig. Logisch ist, dass es hilft, wenn wir merken, dass der Frauenfussball starke Partner wie eine AXA findet.»
In die Karten spielen könnte dem Frauenfussball, dass SRF je länger, desto mehr unter Druck kommt im Männerfussball. Die Rechte für die Champions League sind bereits verloren. Um jene der Super League bahnt sich ein heisser Kampf an. Mägerle sagt: «Der Frauenfussball ist keine Notlösung. Uns ist generell der Live-Bereich wichtig, und wir wollen die Diversität ausbauen – was nicht nur bedeuten soll, dass wir mehr Randsportarten zeigen, sondern eben auch verschiedene Facetten der grossen Sportarten.»
Unbestritten ist, dass sich im Fussballverband seit der Wahl von Dominique Blanc zum Präsidenten einiges getan hat in Sachen Frauenfussball. Und Direktorin Tatjana Haenni ist ein Glücksfall. Sie treibt die Projekte voran. Gleichzeitig gelingt es ihr, nicht den Sinn für die Realität zu verlieren. Sie sagt: «Der Frauenfussball in der Schweiz ist noch fragil. Wir bauen jetzt etwas auf. Aber wir müssen realistisch sein: Die Bevölkerung kennt den Frauenfussball noch nicht. Und darum ist es jetzt erst einmal das Ziel, dass er zur ‹Normalität› wird, dass er sichtbar wird. Dass Mädchen zwischen 4 und 10 Jahren merken: ‹Fussball ist auch etwas für mich.›»
Womit wir zur zweiten entscheidenden Frage kommen: Wie ernst meinen es die AXA Versicherungen mit ihrem Engagement im Frauenfussball? Erste Indizien stimmen optimistisch. Es laufen Kampagnen, auch TV-Spots mit echten Fussballerinnen statt Models, es ist ein professionelles Logo und Branding für die neue Liga entstanden, und auch eine Website.
Antonia Lepore, Chefin Marketing und Kommunikation bei der AXA, sagt: «Wir sind kein klassischer Sponsor, sondern ein Partner, der mit Herzblut dabei ist. Der Frauenfussball hat mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient.» Auf die Frage, wie viel Geld konkret die AXA investiert, antwortet Lepore: «Wir haben darüber Stillschweigen vereinbart, aber wir würden nicht hier sitzen, wenn wir nicht Gas geben würden.»
Klar ist: Um den Frauenfussball entscheidend voranzubringen, braucht es einen langen Atem. Und es braucht die Klubs. Es muss selbstverständlich werden, dass die Frauen in dieselben Strukturen integriert werden wie die Männer. Dass sie in den grossen Stadien spielen dürfen. Dass sie die Infrastruktur fürs Training nutzen können. Dass sie auf die medizinische Abteilung Zugriff haben.
Vieles tönt gut, was rund um den Schweizer Frauenfussball angedacht ist. Abgerechnet wird in ein paar Jahren.