Deutsche Regierung weist Erdogans Nazi-Vergleich als absurd zurück

Deutsche Regierung weist Erdogans Nazi-Vergleich als absurd zurück

06.03.2017, 12:32

Die deutsche Bundesregierung hat den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan scharf kritisiert. Sie bezeichnete die Äusserung Erdogans als «absurd und deplatziert».

«Gleichsetzungen der Politik des demokratischen Deutschlands mit der des Nationalsozialismus weisen wir entschieden zurück», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag ausdrücklich im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der gesamten Bundesregierung.

«Ohnehin sind NS-Vergleiche immer absurd und deplatziert, denn sie führen nur zu einem, nämlich dazu, die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen. Das disqualifiziert sich von selbst.» Seibert fügte auf Nachfrage hinzu, die EU werde prüfen müssen, ob die Zahlungen an die Türkei für einen EU-Beitritt ihren Zweck erfüllten.

Grosse Sorgen

Seibert sagte, der deutschen Regierung liege viel an einem guten Verhältnis zur Türkei. Derzeit gebe es «tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten». So habe die Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder ihre grosse Sorgen über die Beschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit und den Umgang mit Journalisten ausgedrückt.

«Hinzu gekommen ist die Sorge um unseren Landsmann Deniz Yücel», sagte Seibert. Der «Welt-Korrespondent» sitzt in der Türkei in Untersuchungshaft. Ihm wird Terrorpropaganda und Spionagetätigkeit vorgeworfen, was in Deutschland auf Unverständnis stösst. Die Bundesregierung erwarte, dass Yücel möglichst bald seine Freiheit wiedererlange.

«Kühlen Kopf bewahren»

«Über all diese Meinungsverschiedenheiten müssen wir unter Partnern die Auseinandersetzung führen», sagte Seibert. Rede- und Versammlungsfreiheit gälten in Deutschland selbstverständlich auch für türkischstämmige Bürger. Auftritte türkischer Regierungsmitglieder seien innerhalb von Recht und Gesetz möglich.

«Die Bundesregierung arbeitet nicht an irgendwelchen Einreiseverboten.» Allerdings müssten solche Besuche offen zuvor angekündigt werden. Deutschland und die Türkei müssten über ihre Differenzen reden. Seibert appellierte: «Lassen sie uns kühlen Kopf bewahren.»

«Absolut inakzeptabel»

Zuvor hatte der Chef des deutschen Kanzleramtes, Peter Altmaier, den Nazi-Vergleich Erdogans als «absolut inakzeptabel» verurteilt. «Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen», sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-«Morgenmagazin».

Die deutsche Regierung sei im ständigen Kontakt mit den Verantwortlichen in der Türkei. «Wir werden dafür sogen, dass die Bedeutung und die ganze Problematik der Vorgänge der letzten Tage auch in Ankara erkannt und nachvollzogen wird», kündigte Altmaier an.

Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister sollten grundsätzlich nicht verboten werden, betonte Altmaier. «Aber das muss nach Recht und Gesetz vorgehen. Das muss angemeldet werden, das muss überprüft werden.»

Erdogan hatte am Sonntag Deutschland «Nazi-Praktiken» vorgeworfen, weil Auftritte türkischer Minister verboten worden waren - hauptsächlich wegen Sicherheitsbedenken. Erdogan strebt ein Präsidialsystem an, das seine Stellung erheblich stärken würde.

An der Volksabstimmung dazu am 16. April können auch im Ausland lebende wahlberechtigte Türken teilnehmen, darunter rund 1.41 Millionen in Deutschland. (sda/dpa/reu/afp)

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