Es klingt nach «Krieg der Sterne» und Science-Fiction. Aber die Verteidigung von Europa und der westlichen Welt findet in Zukunft auch im All statt. «Es ist wichtig, dass wir auch im Weltraum wachsam sind», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg im Vorfeld des gestrigen Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.
Das transatlantische Bündnis diskutierte dabei ein erstes Mal eine gemeinsame Weltraum-Strategie. Bis Ende Jahr wird erwartet, dass die Nato das All neben Boden, Luft, See und seit 2016 auch Cyber als eigenes Operationsgebiet erklären wird. Das macht den Weg frei für Personal- und Finanzressourcen. Aber theoretisch auch für die Anwendung des Bündnisfalls nach Artikel 5, bei dem ein Angriff auf ein Nato-Mitglied als Angriff auf die ganze Allianz betrachtet wird.
Dass eine Attacke im oder aus dem Weltraum immer mehr in den Bereich des Möglichen gerät, darüber sind sich Militärexperten mittlerweile einig. Gefährdet ist vor allem die Satelliteninfrastruktur, von der die Nato-Einrichtungen und die Armeen der Alliierten stark abhängig sind. Kommunikation, Radar, Navigation, Frühwarnsysteme – praktisch alles läuft über Satelliten im Weltraum.
Schaltet eine feindliche Macht diese Kapazitäten aus, sind die Nato-Verbündeten blind und taub. Bereits 2007 bewies China mit dem Abschuss eines ausgedienten Wettersatelliten, dass es zu solchen Aktionen in der Lage ist. Indien schoss erst im Frühling einen eigenen Satelliten per Rakete ab. Denkbar ist auch, dass Laser- oder Mikrowellen-Waffen dereinst direkt im All stationiert werden. Vor allem Russland und China sollen ihre Weltraum-Schlagkraft derzeit stark vorantreiben.
Die Nato-Strategie dürfte in den kommenden Monaten mit Inhalten gefüllt werden. Erste Überlegungen gehen in die Richtung, dass Teile des AWACS-Aufklärungssystems erweitert und in die Umlaufbahn verlegt werden könnten. Die Nato-Ankündigungen müssen auch im Kontext der US-Weltraum-Pläne gesehen werden. Im vergangenen Jahr sagte US-Präsident Donald Trump, dass er bis zum Jahr 2020 eine «United States Space Force» als eigenständige Teilstreitkraft aufbauen wolle. Es reiche nicht, bloss eine US-Präsenz im Weltraum zu haben. Es müsse eine «amerikanische Dominanz» im All geben, so Trump.
Kritik, die Nato würde eine Militarisierung des Weltalls und ein neues Wettrüsten vorantreiben, wies Generalsekretär Stoltenberg gestern zurück. Vielmehr wolle die Verteidigungsallianz eine «Plattform» sein, um die Kräfte ihrer einzelnen Mitglieder effektiv koordinieren zu können. Beobachter weisen darauf hin, dass völkerrechtlich bloss die Stationierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum verboten ist.
Neben der neuen Weltraum-Strategie diskutierten die Nato-Alliierten auch das drohende Ende des INF-Vertrags zum Verbot von landgestützten Mittelstrecken-Raketen zwischen den USA und Russland. Stoltenberg wollte sich noch nicht zu einer möglichen Reaktion wie der Stationierung neuer, nuklear bestückbaren Raketen in Europa äussern. Noch gäbe es ein Zeitfenster von fünf Wochen, während dem Russland wieder vertragskonform werden könne, ehe die Frist am 2. August definitiv auslaufe, so Stoltenberg. Dass sich Moskau noch bewegen wird, ist aber unwahrscheinlich.
Die USA haben den aus dem Kalten Krieg stammenden Abrüstungsvertrag im Februar mit ausdrücklicher Unterstützung der Nato-Partner gekündigt. Washington sah es als erwiesen an, dass Russland mit der Neu-Entwicklung seines SSC-8-Raketensystems seit Jahren die Vertragsbedingungen verletzt. Der INF-Vertrag verbietet landgestützte Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern und gilt als zentraler Baustein der europäischen Sicherheitsarchitektur. (bzbasel.ch)