Mit Spannung wurde das Aufeinandertreffen von Emmanuel Macron und Donald Trump am Nato-Gipfel in London erwartet. Und die erste gemeinsame Pressekonferenz hatte es in sich.
Der französische Präsident lancierte das Zusammentreffen des Verteidigungsbündnisses bereits vor einem Monat in mit einer brisanten Aussage im Economist. Macron hatte der Nato Anfang November den «Hirntod» bescheinigt. Macron begründete dies mit dem «aggressiven» Vorgehen des Nato-Mitglieds Türkei in Nordsyrien und dem nicht abgestimmten Abzug der US-Truppen aus der Region.
Diese Aussage hatte ironischerweise die Folge, dass ausgerechnet der US-Präsident die Nato in Schutz nehmen musste. Trump war in den vergangenen Jahren einer der grössten Kritiker der Organisation, weil die USA seiner Ansicht nach zu viel bezahlen müsse.
Die Nato diene «einem grossen Zweck», sagte Trump nun bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in London. Macrons Aussage sei «sehr beleidigend» und «sehr, sehr bösartig» gegenüber den anderen 28 Mitgliedstaaten der Nato. Trump warnte, dass Frankreich sich vom Bündnis lösen könne. «Niemand braucht die Nato mehr als Frankreich», sagte er vor Beginn des Bündnis-Gipfels. Die Äusserungen Macrons seien «eine sehr gefährliche Erklärung».
"I think that's very insulting."
— CNN (@CNN) December 3, 2019
President Donald Trump condemns French President Emmanuel Macron's "nasty" statement about NATO being "brain dead" https://t.co/u44vBIqNJ9 pic.twitter.com/EmDvkBIBs4
Trump verteidigte auch sein Vorgehen in Nordsyrien und in der Türkei. «Ich mag die Türkei und komme sehr gut mit ihr zurecht», sagte Trump. Seine Abmachung mit Ankara zum Abzug amerikanischer Truppen aus Nordsyrien habe sehr gut funktioniert. Auch bei dem US-Einsatz gegen «IS»-Chef Abu Bakr al-Bagdadi in Nordsyrien sei die Türkei «sehr hilfreich» gewesen und habe Überflugrechte gewährt, ohne Einzelheiten der Mission zu kennen.
Im Rahmen eines bilateralen Meetings traten Macron und Trump später vor die Presse. Sie gaben zwar an, weiterhin produktiv miteinander zu arbeiten. Doch die Differenzen zwischen Frankreich und den USA wurden mehr als nur deutlich.
Macron sagte auf Nachfrage eines Journalisten, dass er weiterhin zur «Hirntod»-Aussage stehe. Er kritisierte die Haltung der Türkei, die sich stand heute weigere, die Abschlusserklärung zu unterzeichnen.
French President Macron says he "stands by" earlier comment slamming NATO, agrees the U.S. has "over invested" in the alliance in the past https://t.co/Rf6Z3FtV7O pic.twitter.com/cV2aQwh0qk
— CBS News (@CBSNews) December 3, 2019
Erdogan äusserte sich vor seinem Abflug nach London kritisch zum Bündnis und forderte die Nato auf, die Kurdenmiliz YPG als Terrororganisation einzustufen. Ansonsten werde die Türkei einen Nato-Plan zur Verteidigung Polens und der baltischen Länder ablehnen, sagte Erdogan.
Die unterschiedlichen Ansichten der beiden Präsidenten wurden noch deutlicher, als Macron den US-Präsidenten gleich zwei Mal unterbrach und vor versammelter Weltöffentlichkeit korrigierte.
Auf die Frage, ob er von Frankreich genügend Unterstützung erhalte, fragte Trump Macron, ob er einige «nette IS-Kämpfer» haben möchte. Denn die USA halte zahlreiche Dschihadisten in Nordsyrien gefangen, wovon «die meisten aus Europa» seien.
In tense exchange over ISIS fighters, French Pres. Macron tells Pres. Trump, "The number one priority, because it's not yet finished, is to get rid of ISIS."
— ABC News (@ABC) December 3, 2019
"It's not yet done. I'm sorry to say that. You still have fighters in this region." https://t.co/NEDf9tBdrP pic.twitter.com/ljt8unAEks
Darauf entgegnete Macron: «Lass uns ernst sein!» Es sei schon wahr, dass es Kämpfer aus Europa in Syrien habe, aber das sei eine kleine Minderheit. Die meisten würden aus der Region stammen. Syrien, Irak.
Erste Priorität habe nicht die Rückführung der Gefangenen, sondern der Sieg gegen den sogenannten «Islamischen Staat». Und auch hier widersprach er Trump, der sich damit brüstet, das Kalifat komplett besiegt zu haben. Macron sagte: «Es ist noch nicht fertig. Es tut mir Leid, das zu sagen.»
Zur Ergänzung: US-Behörden bestätigten im August dieses Jahres die Version Macrons. Demnach sind von den 10'000 Gefangenen 8000 Syrer und Iraker. Lediglich 2000 stammen aus anderen Ländern.
Trump, with Macron, repeats his false claim that ISIS fighters being held in Syria are "mostly from Europe." US officials said in August that about 8,000 of about 10,000 prisoners were Syrian or Iraqi nationals, 2,000 were from all other countries.
— Daniel Dale (@ddale8) December 3, 2019
Damit nicht genug. Macron unterbrach Trump im Verlauf der Pressekonferenz noch ein weiteres Mal. Trump verteidigte Erdogan dafür, dass dieser ein russisches Luftabwehrsystem kaufte. Dies habe der türkische Präsident nur gemacht, da die Obama-Administration den Verkauf von US-Waffen an die Türkei untersagt habe.
In Wahrheit hat die Obama-Regierung der Türkei sehr wohl ein Luftabwehrsystem angeboten. Doch Erdogan wollte den Deal nicht eingehen, da die USA die zugrunde liegende Technologie des Patriot-Systems nicht liefern wollte.
Die Attacke an die Adresse Obamas liess Macron nicht gelten. «Es war ihre eigene Entscheidung», sagte er über die Türkei und fügte hinzu, dass Europa auch angeboten habe, Erdogan ein Luftabwehrsystem zu verkaufen. «Selbst mit einer europäischen Option, die völlig im Einklang mit der Nato steht, haben sie beschlossen, sich nicht an die Nato zu halten.»
Macron on Turkey: How is it possible to be a member of NATO and buy Russia's S400?
— Frida Ghitis (@FridaGhitis) December 3, 2019
Trump blames Obama. Says Turkey wanted to buy Patriot Missiles
Macron says that's not the story pic.twitter.com/UV3gH71f1p
Erst heute Abend wird der zweitägige Nato-Gipfel offiziell eingeläutet. Bereits jetzt ist klar, dass die Teilnehmer zerstritten sind. Ob sie sich auf eine gemeinsame Erklärung einigen können, wird sich weisen.
(Mit Material von sda/dpa)