Gladys Sicknick, die Mutter von Brian Sicknick, dem Polizisten, der beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar ums Leben kam, wollte gestern die Senatoren der Grand Old Party (GOP) davon überzeugen, eine Untersuchungskommission zur Abklärung dieses gewalttätigen Umsturzes einzusetzen. Ein paar wenige republikanische Senatoren sprachen mit ihr, ein paar weitere schoben ihre Mitarbeiter vor. Die meisten jedoch verrammelten die Türen ihrer Büros.
Man stelle sich vor: Die Partei, die Recht und Ordnung auf ihre Fahnen geschrieben hat, die der Black-Lives-Matter-Bewegung den Slogan «Blue Lives Matter» entgegenstellt und sich damit vor die Polizisten stellt. Die Partei, die nach dem Angriff von Terroristen auf die amerikanische Botschaft in der libyschen Stadt Benghazi jahrelange Untersuchungen durchgeführt hat – diese Partei weigert sich nun, den Ursachen und Folgen des historisch einmaligen Sturms aufs Kapitol nachzugehen.
Mit der Ausrede, die Demokraten würden die Kommission zu politischen Zwecken missbrauchen, verweigern die Republikaner ihre Zustimmung. Stattdessen setzten sie auf einen Filibuster, ein obskures Gesetz, das mindestens 60 Stimmen im hundertköpfigen Senat verlangt, und wollen so die Kommission verhindern. Eine Kommission übrigens, welche im Abgeordnetenhaus mit 35 republikanischen Stimmen bereits verabschiedet wurde.
Die Republikaner haben Angst, dass eine solche Untersuchung unangenehme Wahrheiten an den Tag bringen würde. Etwa, dass Präsident Donald Trump stundenlang nichts unternommen hatte, um die Chaoten zum Aufgeben zu überreden, dass die Polizeiführung versagt und die Nationalgarde zu spät aufgeboten wurde, etc.
Obwohl sie sich kurz nach dem Sturm kritisch gegenüber Trump geäusserten hatten, änderten die beiden republikanischen Leithammel, Kevin McCarthy im Abgeordnetenhaus und Mitch McConnell im Senat, bald darauf ihre Meinung. Der Ex-Präsident hatte die Untersuchungskommission als eine «Falle der Demokraten» bezeichnet. Damit war die Sache für die wackeren Mannen an der Spitze der GOP gegessen.
Die Verweigerung einer 6/1-Untersuchungskommission ist ein weiterer trauriger Höhepunkt im Kampf gegen die Demokratie. Nach wie vor hält die GOP an der Big Lie fest, der unsinnigen Behauptung, Trump habe die Wahlen gewonnen. In verschiedenen republikanisch dominierten Bundesstaaten sind daher Bestrebungen im Gange, die Wahlgesetze zuungunsten der Minderheiten einzuschränken und vermeintliche Beweise für die Big Lie zu finden.
In Arizona beispielsweise ist eine Gruppe von Trump-Anhängern seit Wochen dabei, die Stimmen des grössten Wahlbezirks nochmals neu auszuzählen. Die republikanische Mehrheit im Kongress hat damit eine Firma namens Cyber Ninjas beauftragt. Ihr Boss ist nicht nur ein erklärter Trump-Fan, sondern ein bekennender Anhänger von QAnon.
Ähnliche Bestrebungen sind auch in anderen Swingstates wie Wisconsin, Michigan, New Hamsphire und Pennsylvania im Gang. Obwohl mehr als 60 Richter Klagen über angeblichen Wahlbetrug abgewiesen haben, hält eine Mehrheit der GOP an der Big Lie fest. Jüngste Umfragen zeigen, dass zwei von drei Republikanern überzeugt sind, dass Biden die Wahlen nicht legitim gewonnen hat.
Die GOP schreckt daher nicht zurück, die älteste Demokratie der Welt systematisch zu untergraben. Im Bundesstaat Georgia beispielsweise haben Kongress und der Gouverneur dafür gesorgt, dass ein allfälliger Sieg der Demokraten künftig unterbunden wird.
Erinnert ihr euch an Brad Raffensberger? Der Staatssekretär – übrigens ein Republikaner – hatte sich geweigert, die 11’000 Stimmen «zu finden», die Trump benötigt hätte, um den Sieg Bidens umzukehren. Deshalb soll Raffensberger nun von einem gewissen Jody Hice ersetzt werden. Dieser hat bereits den Segen aus Mar-a-Lago erhalten. Kein Wunder. Hice hat in einem Brief an Konservative die absurde Behauptung aufgestellt, Raffensperger habe der demokratischen Wahlmanagerin Stacy Abrams geholfen, «die Präsidentschaft und den Senat der radikalen Linken» zu überlassen.
Auch in anderen Bundesstaaten sind ähnliche Bestrebungen im Gang. Die Führer der GOP haben erkannt, dass sie auf demokratischem Weg kaum mehr Wahlen gewinnen werden. Um ihre Macht zu erhalten, setzen sie deshalb nicht mehr auf politische Programme. Sie heizen den Kulturkrieg an, hetzen gegen Immigranten und Transsexuelle und jammern über eine angebliche Cancel Culture.
In Texas, einer republikanischen Hochburg, drehen die Republikaner völlig durch. Neue Gesetze machen die Abtreibung fast unmöglich. Das offene Tragen von Waffen ist nun erlaubt, ohne dass man dafür eine Prüfung ablegen müsste. «Was einst das Hobby von ein paar Vertretern des äussersten rechten Randes war, ist zum Mainstream geworden», stellt der «Economist» fest.
Die Radikalisierung der GOP zeigt Wirkung. Mittlerweile glauben 14 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner an die absurden Verschwörungstheorien von QAnon. Das zeigen jüngste Umfragen des Public Religion Research Institute. «Wäre QAnon eine Religion, wäre sie inzwischen so gross wie alle evangelikalen Protestanten zusammen», stellt Robby Jones von diesem Institut in der «New York Times» fest.
Bezeichnend auch, dass es der GOP-Leitung nicht gelingt, die einst bekennende QAnon-Anhängerin, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, in den Griff zu bekommen. Diese entblödet sich mittlerweile nicht, Impfverweigerer mit Holocaust-Opfern zu vergleichen. Mehr als eine hilflose Ermahnung hatte Kevin McCarthy, der Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, nicht zu bieten.
Es besteht kein Zweifel mehr: Die GOP hat sich in einen Trump-Kult verwandelt und ist so zu einer ernsten Bedrohung für die Demokratie geworden. Abtrünnige von der Trump-Doktrin sind sehr selten geworden. Eine davon ist Liz Cheney, eine konservative Hardlinerin. Die Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney hat sich offen gegen Trump gestellt und ihre Partei gewarnt, dass der 45. Präsident sie in den Abgrund führen würde.
Nun schlägt auch Paul Ryan, der ehemalige Speaker, ähnliche Töne an. Der einst als kommender Star der Republikaner gepriesene Politiker hat in einer Rede in der Ronald Reagan Presidential Library in Kalifornien erklärt: «Seien wir uns im Klaren. Sollte die Sache der Konservativen abhängig sein von der Ausstrahlung eines Populisten, oder einer schlechten Kopie davon, dann werden wir nirgendwo hinkommen.»
Ryan erwähnt den Namen Trump nie – doch die Botschaft war klar.
Aber auch in der Schweiz haben wir leider eine Partei die in ihren Reihen Exponenten haben, die offen für Trump einstehen und seine Politik, seine Person und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft begrüssen.
Schlimm dabei ist, dass sich die Partei nicht gegen diese Hetzer stellt sondern sie stillschweigend unterstützt und damit befürwortet.
Und genau diese Gruppierung setzt sich vordergründig für Recht und Ordnung ein. Aber eben nur vordergründig...
Und die meisten haben gedacht, mit der Wahl Bidens wird die Demokratie wieder gestärkt, aber das Gegenteil passiert.
Getrieben von Machtgier tut die GQP jetzt erst recht alles, um wieder an die Macht zu kommen und falls das passiert folgen dunkle Zeiten in den USA.
Habe irgendwie keine Lust auf ein neues dunkles Zeitalter.