Zufälle pflastern den Weg manches Wissenschafters. Das ist beim Genfer Astronomen Michel Mayor nicht anders. In den Anfängen seiner wissenschaftlichen Laufbahn gibt es vieles, was ihn interessiert: die Gehirnforschung zum Beispiel, die Ozeanografie oder die Biologie.
Dann aber entscheidet er sich doch für die Physik. Und entdeckt nach dem Abschluss seines Studiums eine Anzeige der Sternwarte Genf. «Sie suchten einen Assistenten», beschreibt Mayor seinen Einstieg in die Astronomie. Und ein weiterer Zufall führt ihn in jenes Gebiet, das dem heute 77-Jährigen zusammen mit seinem damaligen Assistenten, dem mittlerweile 53-jährigen Didier Queloz, gestern die eine Hälfte des Nobelpreises für Physik beschert hat.
Denn ursprünglich waren die beiden interessiert an einer Klasse von Objekten, die in der Astronomie «Braune Zwerge» genannt werden. Braune Zwerge sind schwerer als Planeten, sie zerren stärker als diese am Stern, den sie umkreisen.
Dann zeigte sich, dass das 1993 gemeinsam entwickelte Messgerät Elodie viel präziser arbeitete, als eigentlich vorgesehen war. «Statt der verlangten Genauigkeit von dreissig Metern pro Sekunde konnte Elodie aus dem Licht eines Sterns dessen Geschwindigkeit auf dreizehn Meter pro Sekunde genau lesen», beschreibt Reto U. Schneider in seinem Buch «Planetenjäger» den unerwarteten Fortschritt – und seine Konsequenzen: «Damit waren Mayor und Queloz unversehens in die Kategorie der Planetenjäger aufgestiegen, denn dreizehn Meter pro Sekunde ist die Geschwindigkeit, zu der Jupiter unsere Sonne zwingt, indem er mit seiner Masse an ihr zerrt.»
Mehrere Forschergruppen in den USA und in Kanada hatten in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts begonnen, den Himmel mit extrem genauen Messgeräten zu durchforsten, und so zu finden, was nicht zu sehen war. Denn Planeten leuchten nicht, deshalb kann man sie aus der Ferne nur erkennen, wenn man jene feinen Bewegungen messen und deuten kann, die sie dem Stern in ihrer Mitte abverlangen.
Ob um andere Sterne auch Planeten kreisen, das war deshalb lange durchaus umstritten. Bis etwa 1940 herrschte die Theorie vor, dass unser Sonnensystem aus einem seltenen Zusammenstoss zweier Sterne hervorgegangen und deshalb in gewissem Sinn einzigartig sei. Skeptische Stimmen hatte es schon immer gegeben. «Es gibt unzählige Welten, sowohl solche wie unsere als auch andere», hatte im 3. Jahrhundert vor Christus der Grieche Epikur geschrieben.
Die moderne Physik gibt ihnen recht. Denn mithilfe von Elodie gelang es Mayor und Queloz im Jahr 1995, den Planeten 51 Pegasi b aufzuspüren, einen Gasball etwa in der Grösse unseres Jupiters.
Ein Anfang war gemacht – jener Anfang, dem gestern das Nobelkomitee mit der einen Hälfte des Nobelpreises Anerkennung gezollt hat. Immer ausgefeiltere Technik, zu der auch weitere von Mayor und Queloz entwickelte Spektrografen gehören, hat dazu geführt, dass seither in der Milchstrasse über 4000 solcher Exoplaneten gefunden worden sind – einige davon so weit entfernt von ihrem Stern, dass Leben auf ihnen möglich wäre. Ob es dieses Leben aber gibt, und wie es beschaffen ist, das bleibt eine grosse Frage.
Auch der Amerikaner James Peebles von der Princeton University, der die andere Hälfte des Physik-Nobelpreises bekommt, hat es mit vielen offenen Fragen zu tun. Der heute 84-Jährige ist theoretischer Physiker, und er wird geehrt für jene Beiträge, die er zum Verständnis des grossen Ganzen geleistet hat. Er habe das Fundament dazu gelegt, dass sich unsere Vorstellung vom Kosmos «von der Spekulation zur Wissenschaft» entwickelt habe, erklärt das Nobelkomitee.
Peebles hat zum Beispiel in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts vorhergesagt, dass als Fernwirkung des sogenannten Urknalls vor rund 14 Milliarden Jahren eine ganz schwache Hintergrundstrahlung übrig sein muss – die dann wenige Jahre später auch tatsächlich gemessen werden konnte.
Schon früh hat er sich mit Galaxienbildung beschäftigt, und dabei jene Auffassung bestätigt gefunden, dass es im Universum eine grosse Menge unerkannter, deshalb auch «dunkel» genannter Materie gibt. Heute weiss man: Nur fünf Prozent dieses Universums sind uns bekannt, es sind jene Sterne und Planeten, die wir erkennen können. Der Rest, das ist eine Form von Materie, die mit herkömmlicher Materie nicht in Wechselwirkung tritt, und «dunkle Energie», die ebenso rätselhaft bleibt. Diese Phänomene aufzuklären, das wird die Aufgabe kommender Generationen von Physikern sein.(aargauerzeitung.ch)
Und das wird kein Mensch jemals wissen!