Sechs Stunden und 18 Minuten nach dem ersten Puck-Einwurf ist das Spiel beendet. Ist die Serie beendet. Ziehen die New York Islanders dank einem 3:2-Sieg nach Verlängerung in die Division Finals ein. Es ist ein Spiel für die Geschichtsbücher: Länger hat vorher und nachher kein siebtes Spiel einer Playoff-Serie um den Stanley Cup gedauert. Die renommierte «Hockey News» wählt die Partie auf Rang 2 der besten NHL-Spiele der Geschichte.
Nach dem vierten Spiel der Serie führen die Washington Capitals mit 3:1 Siegen. Doch die Islanders, zwischen 1980 und 1983 vier Mal in Folge Stanley-Cup-Sieger, kämpfen sich zurück. Sie erkämpfen sich ein entscheidendes siebtes Spiel in der Hauptstadt.
Als dieses um 19.32 Uhr beginnt, ahnt noch keiner der 18'130 Zuschauer im ausverkauften Capital Centre, dass es ein langer, langer Abend werden wird.
Zwei Mal gehen die Capitals in Führung, zwei Mal gleichen die Islanders aus. Dank Bryan Trottiers 2:2 fünf Minuten vor der Schlusssirene kommt es zur Verlängerung. Zur ersten Verlängerung. In der kein weiterer Treffer fällt. Genausowenig wie in der zweiten und in der dritten Verlängerung. Zwei ganze Eishockeypartien haben die Akteure an diesem Abend also schon in den Knochen.
Das Spiel wiegt hin und her. Beide Teams haben die Entscheidung auf dem Stock. Capitals-Assistenztrainer Bob Nystrom erinnert sich, wie er irgendwann bemerkte, dass er andauernd ein Lächeln auf den Lippen hatte: «Ich wusste, dass wir alle Teil von etwas ganz besonderem sind. Es war beinahe absurd, welche gute Chancen sich beiden Teams boten.»
Schiedsrichter Andy Van Hellemond drückt oft mindestens ein Auge zusammen, lässt das Spiel laufen, um die Serie nicht durch einen Entscheid des Unparteiischen zu entscheiden. Das geht so weit, dass nach der ersten Verlängerung Capitals-Coach Bryan Murray den Ersatzschiedsrichter Kerry Fraser fragt, ob es an diesem Abend überhaupt noch Strafen gebe. Fraser darauf: «So lange niemand ermordet wird, gibt es keine …» Zwar wird kein Spieler umgebracht, doch in 68 Minuten Verlängerung gibt es nur eine Überzahlsituation: Die Islanders können sie nicht ausnutzen.
Und so dauert und dauert die Partie. «Irgendeiner hat Pizza bestellt und so assen wir ein, zwei Stücke», erzählt der New Yorker Verteidiger Gord Dineen hinterher. Längst sind dem Team Energiegetränke und -riegel ausgegangen. Dem jungen Stürmer Mikko Mäkelä fällt ein, dass die Rettungssanitäter im Stadion bestimmt Sauerstoff organisieren könnten. Sie können. «Wir hätten es nicht gedacht», erzählt der Finne, «und glauben Sie mir: Washingtons Management war nicht glücklich darüber, als sie es herausfanden.»
Islanders-Goalie Kelly Hrudey betont, müde sei er nie geworden. «Aber die Füsse begannen zu schmerzen, weil ich enge Schlittschuhe trug.» Mit 73 Saves wird er zu einem der Matchwinner. Aber auch Bob Mason im Kasten von Washington erwischt einen glänzenden Abend. Und so können die Spieler den Puck noch so oft aufs oder vors Tor schiessen – der Weg ins Netz bleibt versperrt.
Den Zuschauern kommt entgegen, dass die Partie an einem Samstagabend stattfindet. So bleiben auch nach Mitternacht noch die meisten, da sie am nächsten Tag frei haben. Sie sehen eine Partie, die zwischendurch mehr Kampf als Spiel ist.
«Die Spieler wurden getacklet, als wäre es ein Football- und kein Eishockeyspiel», schildert Capitals-Goalie Mason. Und Islanders-Verteidiger Dineen sagt zum Fakt, dass in der gesamten dritten Verlängerung keine einzige Strafe verhängt wurde: «Der Schiedsrichter entschied, dass nicht er, sondern die Spieler für eine Entscheidung sorgen mussten. Entsprechend verlief dieses Drittel. Er hätte höchstens einen Zweihänder bei einem Konter alleine auf den Goalie geahndet.»
Auch diese dritte Verlängerung hat keinen Sieger gebracht. Das Warten geht weiter. Längst ist es Ostersonntag. In der Kabine der Islanders greift sich Materialwart Jim Pickard vor der vierten Verlängerung eine Wasserflasche. Er blickt sich um und geht dann auf Stürmer Pat LaFontaine zu. «Du schiesst das Tor, du machst es!», sagt er ihm – und drückt auf die Flasche, dass das Wasser LaFontaine den Nacken hinunter rollt.
Und natürlich ist es genau Pat LaFontaine, der die Islanders aus der Drehung tatsächlich ins Glück schiesst. Wobei er einen Moment benötigt, um es zu realisieren: «Ich hörte den Pfosten und dachte scheisse … aber dann stoppten alle.» Nach 8:47 Minuten der vierten Verlängerung schlägt der Puck im Netz der Capitals ein. 1.58 Uhr ist es mittlerweile. Zeit, um nach dem längsten Spiel 7 der Stanley-Cup-Geschichte ins Bett zu gehen.
Für die Washington Capitals ist die Saison damit beendet. Die New York Islanders müssen auch in der Runde darauf gegen die Philadelphia Flyers über sieben Spiele, doch dieses Mal verlieren sie in der Entscheidung diskussionslos 1:5. Den Stanley Cup holen sich 1987 die Edmonton Oilers. Für das Team um Superstar Wayne Gretzky ist es der dritte von fünf Titeln zwischen 1984 und 1990.