Diesen Sommer erhielten die Verantwortlichen des gebührenfinanzierten Fernsehens einen Rüffel von höchster Stelle. In seinem Service-public-Bericht beanstandete der Bundesrat, die Grenzen zwischen den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern der SRG und den privaten Anbietern seien gerade bei der Unterhaltung «nicht immer ersichtlich». Die Landesregierung forderte, dass Informationssendungen auch in Zukunft Priorität haben.
Luft nach oben gibt es insbesondere bei der Politikberichterstattung. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Freien Universität Berlin kommt zum Schluss, dass die öffentlich-rechtlichen TV-Sender in der Schweiz deutlich weniger oft über Innen- und Aussenpolitik sowie internationale Politik berichten als ihre Pendants in Deutschland.
Für ihre Studie haben die Forscher der renommierten Hochschule das Programm der ersten Kanäle von SRF, RTS und RSI jenem der deutschen Sender ARD und ZDF gegenübergestellt. Das Resultat ist für die SRG ernüchternd: Der Anteil der Politikberichterstattung bewegt sich zwischen 4,5 Prozent in der Westschweiz, 8,8 Prozent in der Deutschschweiz und 10,8 Prozent im Tessin. In Deutschland widmet die ARD 16 Prozent ihrer Sendezeit der Politik. Das ZDF kommt auf 12,7 Prozent. Wie erklären sich die grossen Unterschiede?
Die Autoren der Studie bezeichnen wirtschaftliche Faktoren als wichtigen Grund, weshalb die SRG-Sender weniger über Politik berichten. In der Schweiz seien die Produktionskosten für eigene Inhalte «ebenso hoch wie in grossen Märkten», die Ertragsmöglichkeiten jedoch deutlich geringer.
Statt auf «qualitativ hochwertige Inhalte» wie Politsendungen setzten die Fernsehmacher deshalb häufiger auf «ökonomisch erfolgsversprechende Inhalte»: Boulevard, Unterhaltung und Sensationalismus. Das Programm orientiere sich an den «vermeintlichen Unterhaltungserwartungen des Publikums».
Für die SRG kommen die Forschungsergebnisse aus der deutschen Hauptstadt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Der knappe Ausgang bei der Abstimmung über das neue Radio- und TV-Gesetz im Juni 2015 sitzt ihr noch in den Knochen. Zahlreiche bürgerliche Politiker im Parlament wollen das Angebot der Öffentlich-rechtlichen einschränken.
Anfang Jahr ist die «No Billag»-Initiative zustande gekommen, welche die SRG im Fall einer Annahme faktisch abschaffen würde. Das Volksbegehren dürfte an der Urne kaum Chancen haben, könnte SRG-Kritikern aber als Vehikel dienen, um eine Verkleinerung des Mediengiganten durchzusetzen.
Entsprechend deutlich und ausführlich wehrt sich die SRG auf Anfrage gegen die Befunde der Berliner Studie. Ein Sprecher räumt zwar ein, dass die Forschungsarbeit wissenschaftlich sauber durchgeführt worden sei.
Doch ein 1:1-Vergleich zwischen den deutschen und schweizerischen Sendeanstalten sei nicht möglich. Es sei «heikel», die TV-Programme unterschiedlicher Sprach- und Kulturkreise einander gegenüberzustellen. Die Unterschiede im Fernsehverhalten und den Publikumsansprüchen seien gross. Auch die Betrachtungsperiode – eine Woche im April 2013 – sei «eine schmale Grundlage für allgemeine Schlüsse über die politische Berichterstattung».
Die Autoren hätten auch nur die ersten Kanäle von SRF, RTS und RSI berücksichtigt. Gerade im Fall der Tessiner und Westschweizer Sender finde politische Berichterstattung auch auf den zweiten Kanälen statt. Ausserdem sei die Schweiz im Vergleich zu Deutschland «ein ausgeprägtes Radioland». «Ein wichtiger Teil der Politikberichterstattung findet am Radio statt.»
Als wichtigstes Argument gegen die Befunde der Studie nennt die SRG jedoch «die krasse Diskrepanz der finanziellen Mittel». «Die viel knapperen Ressourcen sind der einzige Grund, weshalb die SRG SSR insgesamt weniger politische oder nicht-politische Sendungen produzieren kann.»
Alleine die ARD verfüge umgerechnet über ein Budget von 8.4 Milliarden Franken und produziere an einem Tag bis zu zwölf Nachrichten-Sendungen. Das könnten sich SRF, RTS und RSI «bei weitem nicht leisten». Die öffentlichen Anbieter in der Schweiz müssten mit nur 1.6 Milliarden auskommen für Radio und Fernsehen in vier Sprachen.
Die SRG hat laut eigenen Angaben in den vergangenen drei Jahren Geld von der Verwaltung ins Programm verlagert und dabei auch die politische Berichterstattung ausgebaut: «2015 war es der grösste Zuwachs in unserem Budget.» (aargauerzeitung.ch)