US-Präsident Donald Trump ist dafür bekannt, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Gerne legt er sich die «Wirklichkeit» so zurecht, wie sie ihm zugutekommt. Kürzlich postete Trump dieses Bild auf Twitter:
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 1, 2019
«Try to impeach this» – «Versucht, das hier zu impeachen» steht in weissen Lettern vor einer Karte der USA, die in Wahlbezirke unterteilt ist. Die roten Bezirke stehen für solche, in denen Trump bei seiner Wahl 2016 gewonnen hat, die blauen für jene, in der Hillary Clinton die meisten Stimmen bekam.
Trump reagierte damit auf steigende Umfragewerte, wonach die Unterstützung für sein Amtsenthebungsverfahren zunimmt.
Auffallend dabei: Fast alles ist rot. Wie kann das sein? Trump hat doch weniger Stimmen bekommen als Clinton. Ist diese Karte gefälscht?
Nein. Sie entspricht tatsächlich der Realität. Nun ja, zumindest fast. Hier die interaktive Karte der New York Times:
Doch. Die Karte von Trump mag zwar stimmen, nur berücksichtigt sie keineswegs die Bevölkerungsverteilung- und dichte der USA. Weite Teile im Mittleren Westen sind Wüste oder Pampa und deshalb fast komplett unbewohnt. Hier eine Heat-Map der Wahlen des (sehr empfehlenswerten) Kartografen Ken Field:
Je dunkler und kräftiger die Farbe, desto mehr Leute haben gewählt. Die weissen Flecken stellen also eindrücklich dar, dass fast die Hälfte der USA so gut wie menschenleer ist.
Trump hat, wie erwähnt, insgesamt fast 3 Millionen Stimmen weniger geholt als Clinton. Die Leute, die Clinton ihr Votum gegeben haben, stammen grösstenteils aus den Bevölkerungsreichen Städten wie New York, Los Angeles, San Francisco, Seattle oder Chicago.
Weil all diese Personen auf verhältnismässig kleinem Raum leben im Vergleich zur immensen Grösse der USA, ist eine 3D-Karte ebenfalls hilfreich:
Hier sieht man deutlich, dass die wenigen Wahlbezirke, die Clinton gewonnen hat, überproportional bevölkerungsreicher sind. Am Ende der Präsidentschaftswahl gewann Clinton 487 Wahlbezirke, Trump deren 2626. Trotzdem holte Clinton mehr Stimmen.
Nichtsdestotrotz gewann Trump die Wahl. Wie genau das mit Electoral College funktioniert, ist ein anderes Thema. Kann man hier nachlesen:
Trump will beweisen, dass er eine riesige Unterstützungsbasis hat und dass es niemals gelingen wird, ihn aus dem Amt zu befördern. Ein Impeachment würde jedoch im Repräsentantenhaus initiiert, eine Kammer, in der die Grösse der Delegation eines Staates direkt an die Bevölkerung und nicht an die Landmasse gebunden ist.
So ist das mehrheitlich demokratische Los Angeles und seine umliegenden Gebiete flächenmässig rund 200 Mal kleiner als der republikanische Staat Wyoming, trotzdem vertreten 15 Kongressabgeordnete Los Angeles. Wyoming bloss einer.
Das bedeutet, dass die roten Abschnitte in Trumps Karte kein Übergewicht der Stimmen gegen die Anklage bedeuten. Der Präsident hat weniger Verbündete im Kampf gegen die Amtsenthebung, als seine Karte vermuten lässt.
Bereits bei Hurrikan Dorian benutzte er einen «Sharpie», um eine Karte so zurechtzumalen, dass sie seinen Aussagen entsprach.
Karten können hervorragend genutzt werden, um Geschichten zu erzählen. Und zwar so, dass sie zu einer bestimmten Sichtweise passen. Viele sehen keinen Grund darin, Karten zu hinterfragen, die einem gezeigt werden. Vielleicht sollten sie das aber.
Der kann doch irgendwas zeigen. Der durchschnittliche Amerikaner ist einfach zu ungebildet, zu faul oder beides um solche Dinge zu hinterfragen.
Nicht einmal die Realität wurde verzerrt, wie im Titel suggeriert. Für das US Wahlsystem kann Trump wohl nicht auch noch beschuldigt werden.
Aber ändert ohnehin nichts. Die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus ist bekannt, aber irrelevant. Ohne Mehrheit im Senat passiert vorerst einmal gar nichts...