Knapp sechs Wochen vor der Abstimmung über das Freihandelsabkommen mit Indonesien ist der Ausgang völlig offen. In der ersten Tamedia-Umfrage gaben 20 Prozent der Befragten an, noch keine Stimmabsicht zu haben. 41 Prozent sprechen sich dafür aus, 39 Prozent dagegen. Die Meinungsbildung befindet sich somit im Frühstadium.
Neben den emotional aufgeladenen Vorlagen E-ID und Verhüllungsverbot könnte es das Indonesien-Abkommen schwer haben. Die Gegner versuchen, mit einem umstrittenen Rohstoff zu punkten: «Stop Palmöl!» lautet der Slogan ihrer Kampagne. Auch das Sujet weckt Emotionen: Ein von Flammen bedrohtes Orang-Utan-Weibchen mit Jungtier.
Indonesien ist mit knapp 265 Millionen Einwohnern das bevölkerungsmässig viertgrösste Land der Welt. Das mehrheitlich muslimische Land zählt nicht zu den asiatischen «Tigerstaaten», gilt aber als aufstrebende Volkswirtschaft mit Potenzial. Und damit als attraktiver Absatzmarkt für die exportlastige Schweizer Wirtschaft.
Im Dezember 2018 unterzeichneten die Efta-Staaten (Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen) und Indonesien in Jakarta ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. National- und Ständerat genehmigten es, worauf der Genfer Biowinzer Willy Cretegny und die «Bauerngewerkschaft» Uniterre erfolgreich das Referendum ergriffen. Deshalb wird am 7.März abgestimmt.
Das Abkommen sorgt laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) für Rechtssicherheit. Für 98 Prozent aller heutigen Schweizer Ausfuhren nach Indonesien fallen sämtliche Zölle weg, teilweise nach einer Übergangsfrist besonders im Textilbereich. Umgekehrt gewährt die Schweiz Indonesien einen sofortigen zollfreien Marktzugang für Industrieprodukte.
Beim Palmöl senkt die Schweiz die Einfuhrzölle um 20 bis 40 Prozent – allerdings nur für maximal 12'500 Tonnen pro Jahr und nur, wenn Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit erfüllt sind. Wirtschaftsminister Guy Parmelin betonte, dass Indonesien sich erstmals formell zu solchen Regeln verpflichtet habe. Auch sei die Produktion von Raps- und Sonnenblumenöl in der Schweiz nicht gefährdet.
Palmöl ist ein sehr hochwertiger Rohstoff, das anerkennen auch Kritiker. Für den Anbau vorab in Südostasien aber werden häufig artenreiche Urwälder gerodet und durch Monokulturen ersetzt. Auch Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen an der indigenen Bevölkerung werden im Zusammenhang mit Palmöl kritisiert.
Im Abkommen verpflichtet sich Indonesien deshalb gemäss Seco, «die Abholzung, die Entwässerung von Torfmooren sowie Brandrodungen zu stoppen und die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Arbeitnehmenden zu respektieren». Importeure könnten von den tieferen Zöllen nur profitieren, wenn das eingeführte Öl diesen Kriterien entspreche.
Transportiert werden darf dieses Palmöl nur in Behältern von maximal 22 Tonnen. Damit sei sichergestellt, «dass die Herkunft des Palmöls rückverfolgt werden kann», argumentiert das Seco. Der Bund verspricht eine «wirksame Umsetzung» und entsprechende Kontrollen. Importeure, die gegen die Nachhaltigkeits-Auflagen verstossen, sollen gebüsst werden.
Das Uniterre-Referendum wird unter anderem von Grünen, EVP, Juso, Klimastreik und Globalisierungskritikern unterstützt. «Wir dürfen uns nichts vormachen: Es gibt kein nachhaltiges Palmöl», sagte Juso-Präsidentin Ronja Jansen an einer Medienkonferenz. Das Komitee bezweifelt den Willen Indonesiens, ökologische und soziale Standards einzuhalten.
«Während wir in Europa alle Pflanzenöle haben, die wir brauchen, zerstören wir Tausende von Hektar Primärwälder und vernichten die lokale Fauna wie die Orang-Utans», sagte Referendumsführer Willy Cretegny mit Bezug auf das Plakatsujet. Gemäss eigenen Angaben verfügt das Nein-Komitee über ein Budget von rund 120'000 Franken.
Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände unterstützen das Freihandelsabkommen. Sie verwiesen an einer Medienkonferenz am Montag auf den erleichterten Marktzugang insbesondere für Schweizer KMU. Sie erhielten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber EU und USA, die (noch) keine entsprechende Vereinbarung haben.
Die SP fasst ihre Parole am 13. Februar an einer virtuellen Delegiertenversammlung. Die Bundeshausfraktion aber sagte mehrheitlich Ja. Das Abkommen sei «nicht perfekt», meinte der Zürcher Nationalrat und Ex-Juso-Präsident Fabian Molina am Montag auch mit Blick auf das Palmöl. «Aber es ist das fortschrittlichste Handelsabkommen, das die Schweiz je abgeschlossen hat.»
Die Konzernverantwortungsinitiative etablierte die Nichtregierungsorganisationen als Machtfaktor in der Schweizer Politik. Vor ziemlich genau drei Jahren hatten sie zusammen mit dem Schweizerischen Bauernverband in einem offenen Brief den Ausschluss von Palmöl aus dem Freihandelsabkommen mit Indonesien verlangt. Bekanntlich ohne Erfolg.
Dennoch ist diese «schweizerische Koalition zu Palmöl» zerbrochen. Neben Uniterre engagieren sich Pro Natura, der Bruno Manser Fonds und die Stiftung PanEco, die Projekte in Indonesien unterstützt, für ein Nein. Der Bauernverband hingegen verlässt sich auf die Zusagen des Bundesrats zum Schutz der einheimischen Pflanzenöle.
Die meisten NGOs halten sich im Abstimmungskampf zurück. PublicEye, die frühere Erklärung von Bern, listet auf ihrer Website Argumente für und gegen das Abkommen auf, die sich nicht auf Palmöl beschränken. Eine klare Grundlage für ein Ja oder Nein gäbe es nicht, weshalb PublicEye sich nicht engagieren werde, «auch aus Ressourcengründen».