«Freilassung des jungen Aargauer Mörders ist unrealistisch»

Institutionen müssen Straftäter aufnehmen

«Freilassung des jungen Aargauer Mörders ist unrealistisch»

Der 23-jährige T. B. ermordete 2008 in Aarau eine Prostituierte. Seine Haftzeit ist um, doch B. gilt als gefährlich. Das Bundesgericht will nun vermeiden, dass er freikommt und sucht nach einer Einrichtung.
19.03.2014, 17:5719.03.2014, 18:26
Hier sitzt T.B. momentan ein: Haftanstalt Lenzburg.
Hier sitzt T.B. momentan ein: Haftanstalt Lenzburg.Bild: KEYSTONE

Erst 17 Jahre alt ist T. B., als er im Jahr 2008 im Aarauer Sex-Club Metro eine 40-jährige Prostituierte vergewaltigt und ermordet. Zu dieser Zeit wohnt er in einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche in Gränichen. Fünf Tage nach der Tat nimmt ihn die Kantonspolizei Aarau fest. In der Untersuchungshaft ist B. geständig. Der 17-jährige kommt ins Jugendheim Aarburg, als er dort aber ausbricht, wird er in die geschlossene Jugendvollzugsanstalt Lenzburg gebracht.

Die Tat von B. fällt unter Jugendstrafrecht, drei Jahre nach der Tat wird die Höchststrafe von vier Jahren Haft ausgesprochen. B. kommt ins Massnahmezentrum Uitikon, wo er seine Haft absitzt. Als er 2012 entlassen werden soll, greifen die Aargauer Behörden zu einem Spezialinstrument: Sie fordern den fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE). Die Massnahme wird vom Bundesgericht bewilligt, B. wird in die geschlossene Anstalt Lenzburg verschoben, wo er bis heute ist.

«Der Staat muss Institutionen zu Verfügung stellen»

Doch der Sicherheitstrakt in Lenzburg ist nicht der richtige Ort, um einen Täter wie B. unterzubringen. Der mittlerweile 23-Jährige ist psychisch krank, leidet laut Gutachtern an «sexuellem Sadismus» und an einer «Persönlichkeitsstörung von antisozialem Typus». Die Behörden schätzen seine Rückfallgefahr als «erheblich» ein. Das Bundesgericht ordnet an, eine andere Einrichtung zu suchen – doch keine Anstalt will B.  

Das «krasseste Fehlurteil des Jahres 2012»
Mit dem fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE) werden normalerweise psychisch Kranke, die sich selbst oder andere gefährden, in psychiatrische Einrichtungen eingewiesen – etwa nach einem Suizidversuch. Dieses Urteil basiert auf einem medizinischen Gutachten. 

Im Fall von B. wurde die Bewilligung des FFE durch das Bundesgericht scharf kritisiert. Die juristische Fachzeitschrift «Plädoyer» bezeichnete den Entscheid als das «krasseste Fehlurteil des Jahres 2012.» Der Grund: Mit der Gefährdung der Öffentlichkeit (wie im Fall B.) kann kein FFE begründet werden – das verstösst gegen rechtsstaatliche Grundsätze.

Den Behörden kam die Altersgrenze des Jugendstrafgesetzes in den Weg. Diese liegt bei 22 Jahren. «Weil bei Jugendlichen nicht die Sühne massgebend ist, sondern die Möglichkeit auf Besserung in Aussicht gestellt wird, werden jugendliche Täter therapiert», sagt der publizistische Leiter von «Plädoyer», René Schuhmann. Weil die Therapie in bestimmten Fällen (wie bei B.) mit dem 22. Altersjahr nicht für beendet erklärt werden könne, müsse diese Grenze in bestimmten Fällen aufgehoben werden. Entsprechende Bestrebungen seien im Gang, so Schuhmann.

Spekulationen einer möglichen Freilassung machen die Runde: Wenn geeignete Therapieplätze fehlen würden, bliebe nur die Entlassung von B., so die Mutmassungen. Die Aargauer Behörden schweigen über eine mögliche Freilassung.

René Schuhmacher, publizistischer Leiter des juristischen Fachmagazins «Plädoyer» bezeichnet die Spekulationen als «Blödsinn». Der Fall B. stütze sich auf ein umstrittenes Urteil des Bundesgerichts im FFE (siehe Infobox).  Eine Freilassung sei unrealistisch. «Der Staat muss für alle Einweisungen in den FFE Institutionen zu Verfügung stellen. Diese sind auch vorhanden.»  

Therapiesitzungen im Gefängnis

Psychiatrische Anstalten erhalten bei Fällen wie B. Anfragen der Einweisungsbehörden, können die Akten prüfen und entscheiden, ob sie den Straftäter, oder Patienten, aufnehmen wollen oder nicht. Da nicht der Bund, sondern Konkordate – Zusammenschlüsse aus mehreren Kantonen – verantwortlich für die Einweisung sind, wird die Verantwortung oft gegenseitig abgeschoben.

«In der Regel werden Patienten aber aufgenommen», sagt Schuhmacher. «Schliesslich zahlt der Kanton die Anstalten dafür.» Dass alle ablehnten, sei unrealistisch. Und falls doch, «könnten die Behörden bestimmte kantonale Einrichtungen zwingen, Patienten aufzunehmen», so Schuhmacher. Bei B. sucht das Bundesgericht noch immer eine geeignete psychiatrische Anstalt. Bis auf Weiteres erhält der 23-Jährige nun drei Therapiesitzungen pro Woche – im Gefängnis. (dwi)

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