Das Ende von Teflon Trump
Der Mann ist zweimal impeacht und viermal angeklagt worden, er wurde wegen 34 Straftaten für schuldig befunden, und Zivilgerichte haben ihn wegen sexueller Belästigung und geschäftlichem Betrug verurteilt. Dazu hatte er unglaubliches Glück. Zweimal konnte er von seinen Vorgängern eine intakte Wirtschaft übernehmen. In seiner ersten Amtszeit konnte er gleich drei oberste Richter ernennen und sich damit gegen Verfolgung durch die Justiz mehr oder weniger unverwundbar machen.
So gesehen ist es nicht erstaunlich, dass Donald Trump sich wie ein König fühlt – und auch dementsprechend handelt:
- Er lässt einen Teil des Weissen Hauses, den Ostflügel, abreissen, um Platz zu schaffen für einen monströsen Ballroom, dessen ursprüngliche Kosten sich von 200 Millionen Dollar mittlerweile auf 400 Millionen Dollar verdoppelt haben.
- Er will zum 250-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung in Washington einen Triumphbogen errichten lassen, der seinen Namen trägt.
- Er hat das renommierte Kennedy Center in Trump-Kennedy Center umtaufen lassen und will auch den Dulles Airport mit seinem Namen schmücken.
- Er zettelt einen Krieg mit Venezuela an, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis des Kongresses einzuholen.
- Er will Grönland kaufen und Kanada zum 51. US-Bundesstaat verwandeln.
All dies kann Trump ungestraft tun. Kein Wunder also, dass sich bei seinen Gegnern Verzweiflung und die Erkenntnis breitmacht: Der Mann ist wie eine Teflon-Pfanne. Alles, aber wirklich alles, prallt an ihm ab.
Oder doch nicht?
Kleine Dinge können grosse Folgen haben. Nach dem Mord am äusserst beliebten Regisseur Rob Reiner und seiner Frau Michele setzte Trump folgenden Post ab:
Mit anderen Worten: Trump hat eine schreckliche Familientragödie – das Ehepaar Reiner wurde wahrscheinlich vom eigenen drogensüchtigen Sohn umgebracht – in einen Werbespot für sich umgemünzt. Das war mehr als ein neuer Tiefpunkt in der langen Reihe von Verunglimpfungen des Präsidenten. Selbst die Maga-Meute goutierte das nicht mehr, und erstmals wurde Trumps unglaubliche Geschmacklosigkeit offen auch von seinen Anhängern kritisiert.
Vor Jahresfrist triumphierten nicht nur Trumps Anhänger, es stellte sich auch ein abrupter Kulturwandel ein. Alles, was woke oder DEI ist, verschwand. Stattdessen begannen Sport- und Showbusiness-Stars Trumps ungelenke Tanzbewegungen zu imitieren. Der Ausdruck «Trump Vibe Shift» machte die Runde.
Dieser Stimmungswandel ist tot, wie Ezra Klein in der «New York Times» feststellt und wie folgt begründet:
Die Rede des Präsidenten an die Nation ist ebenfalls sehr schlecht angekommen. Sie zeigte einen alten wütenden Mann, der viel zu schnell spricht und dabei eine Lüge an die nächste reiht. Vergleicht man dies mit den neuen Stars der Demokraten, mit Zohran Mamdani, dem neu gewählten Bürgermeister von New York, oder James Talarico, einem jungen progressiven, aber gleichzeitig auch christlichen Abgeordneten aus Texas, dann schneidet Trump sehr schlecht ab. «Der prägende Ausdruck von Trumps zweiter Amtszeit ist ein finsterer, drohender Blick», so Klein.
Der Stimmungswandel drückt sich auch in den miserablen Umfragewerten ab. Mittlerweile mögen nur noch 36 Prozent der Amerikaner Trump und seine Politik. Stimmungen können sich bekanntlich rasch ändern, nicht aber politische Inhalte. Und gerade diesbezüglich wird Trump vom Fluch seiner bösen Taten eingeholt:
- Die Epstein-Files wollen und wollen nicht verschwinden, und die plumpen Einschwärzungen, die das Justizdepartement gemacht hat, könnten sich als Eigengoal erweisen.
- Die «Erschwinglichkeit»-Krise ist ebenso hartnäckig und wird zunehmend zu einem Geschenk für die Demokraten. Wenn Trump den Amerikanern seine Wirtschaftspolitik als «A-plus-plus-plus-plus-plus» bezeichnet (eine Sechs mit fünf Sternen), dann spielt er ein gefährliches Spiel. Wie viel Nahrungsmittel und Miete kosten und wie viel ihm am Ende des Monats im Portemonnaie bleibt, kann selbst Johnny Sixpack abschätzen.
- Selbst sein Prunkstück, die Einwanderungspolitik, ist seinen Wählern zu brutal. So erklärt etwa der bereits erwähnte Joe Rogan: «Wenn man Menschen vor den Augen ihrer Kinder verhaftet – normale, gewöhnliche Menschen, die seit 20 Jahren bei uns leben –, dann kann jeder, der ein Herz hat, damit nicht einverstanden sein.»
- Die offensichtliche Korruption des Trump-Clans hat ein Ausmass erreicht, bei dem selbst die Maga-Meute beginnt, Fragen zu stellen.
Auch in der Aussenpolitik läuft nichts so, wie es sollte. Der Handelskrieg mit China erweist sich als ein Schuss ins eigene Knie. «Mr. Xi hat aufgezeigt, wie sehr Amerika von seiner Politik abhängig ist. In dieser Runde im Kampf um die Vorherrschaft im 21. Jahrhundert zwischen den beiden Supermächten hat China klar gewonnen», kommentiert der «Economist».
Das gilt auch für Kanada und Mexiko. Anders als die EU – ja, und auch die Schweiz – sind diese beiden Länder nicht vor Trump zu Kreuze gekrochen und sind bisher damit gut gefahren. «Wir brauchen mehr Carneys (Mark Carney ist der kanadische Premierminister, Anm. d. Verf.)», kommentiert Edward Luce in der «Financial Times». «Wenn es dem Westen nicht gelingt, seine Lebensweise und Freiheit zu verteidigen, wird er auseinander fallen.»
Angesichts des Verhaltens der US Navy im Karibischen Meer, angesichts des Zickzack-Kurses von Trump bezüglich der Ukraine und angesichts der Tatsache, dass der Waffenstillstand im Nahen Osten brüchig geworden ist, kann man den kranken Ehrgeiz von Trump, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet zu werden, nicht einmal mehr als Witz bezeichnen.
Teflon Trump ist zu einem verwundeten Tiger geworden. Das macht ihn gefährlich, zumal die Anzeichen für eine Altersdemenz unübersehbar geworden sind. Anzeichen, die das sind: sein unbezähmbarer Wunsch, überall seinen Namen hinzukleckern, Portraits vergangener Präsidenten nicht nur in einer speziellen Galerie aufzureihen, sondern auch mit Texten zu versehen, für die sich ein Fünftklässler schämen würde. Oder Geschichten zu erfinden – wie diejenige, wonach der Unabomber ein Student seines Onkels gewesen sein soll –, die nicht nur frei erfunden sind, sondern die er auch selbst glaubt.
Susie Wiles, die Stabschefin im Weissen Haus, hat kürzlich in einem Interview ausgesagt, Trump verhalte sich wie ein Alkoholiker. Das ist eine Untertreibung. Der US-Präsident ist ein greiser, dementer Mann geworden. Das weckt die bange Frage: Wenn das mal gut geht?
