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Tesla und der China-Fluch: Elon Musk und die Abhängigkeit von Peking

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Analyse

Tesla und der China-Fluch

Elon Musk hat sich in eine fatale Abhängigkeit von Peking manövriert.
10.04.2024, 13:0810.04.2024, 17:14
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Als vor rund vier Jahren in der Tesla-Fabrik in Shanghai die ersten Autos vom Band rollten, legte Elon Musk einen Freudentanz aufs Parkett. Sein kapitalistischer Traum ging ausgerechnet im kommunistischen China in Erfüllung: Arbeiter, die klaglos rund um die Uhr schufteten, Behörden, die sämtliche Wünsche des Unternehmens erfüllten und ein Netz von Zulieferern, das keine Wünsche offen liess.

Wie die «New York Times» in einer längeren Analyse aufzeigt, setzte Tesla dank der Fabrik in Shanghai zu einem unglaublichen Höhenflug an. Die Aktie legte bis zu 2000 Prozent zu. Im zunehmend wichtigen Elektroauto-Markt wurde Tesla zum Alpha-Tier und konnte endlich die ungebremste Nachfrage erfüllen. Musk durfte sich derweil als Umwelt-Champion feiern lassen. Zusammen mit den Behörden von Kalifornien entwickelte er ein Programm, das mithalf, den notorischen Smog von Chinas Grossstädten zu bekämpfen.

epa10666595 A handout photo made available by Tesla, Inc. shows Tesla CEO Elon Musk (front C) posing for a group photo with his employees at the auto maker's Shanghai factory, in Shanghai, China, ...
Elon Musk posiert mit Arbeitern in der Tesla-Fabrik in Shanghai.Bild: keystone

«China hat geholfen, Tesla zum wertvollsten Autounternehmen der Welt zu machen», stellt die «New York Times» fest. Doch das hat seinen Preis: «Elon Musk hat tiefe finanzielle Abhängigkeiten in China – auch wegen seiner Fabrik in Shanghai», sagt Mark Warner, ein einflussreicher US-Senator.

Diese Abhängigkeit lässt sich auch in den politischen Äusserungen von Musk beobachten. Er unterstützt offen die Pläne Pekings, Taiwan unter seine Fittiche zu nehmen. Während andere Unternehmen ihre Produktionsstätten in der Provinz Xinjiang schliessen, weil dort die muslimische Bevölkerung unterdrückt wird, hat Musk kein Problem damit, ebenso wenig mit der Situation in Tibet. Er habe «einige berechtigte Interessen», gab Musk im vergangenen Summer gegenüber Kongressmitgliedern verschämt zu. Und er sei «irgendwie pro-China».

Das kann Musk laut sagen. Inzwischen hat die Fabrik in Shanghai das Mutterhaus in Fremont (Kalifornien) als wichtigste Produktionsstätte abgelöst. Kein Wunder: Während des Lockdowns war Fremont während zwei Monaten geschlossen, die Fabrik in Shanghai während zwei Wochen. Und um die Produktion nicht abreissen zu lassen, schliefen die Arbeiter wie einst Musk selbst auf dem Fabrikboden.

In der kapitalistisch-kommunistischen Ehe beginnt es jedoch zu kriseln. Der Fluch von Musks böser Tat beginnt zu wirken. Auch dank Tesla ist in China die mächtigste Konkurrenz entstanden. Der Batteriehersteller CATL hat von einer Partnerschaft mit den Amerikanern gewaltig Auftrieb erhalten und ist heute zum führenden Hersteller geworden. Der Werkzeugmaschinenhersteller LK Group floriert ebenfalls dank Tesla und beliefert mittlerweile auch die chinesische Konkurrenz.

The New BYD Seal U electric car is presented during the press day at the 91th Geneva International Motor Show (GIMS) in Geneva, Switzerland, Monday, Feb. 26, 2024. The Motor Show will open to the publ ...
Hat Tesla als Branchenleader abgelöst: BYD.Bild: keystone

Die chinesischen Elektroauto-Hersteller entwickeln sich zu einem Albtraum für die westlichen Autobauer. Sie werden massiv vom Staat unterstützt und können mittlerweile Fahrzeuge produzieren, die technisch besser und deutlich billiger sind als diejenigen von VW, Ford & Co.

Auch Tesla bekommt dies zu spüren. BYD hat die Amerikaner zwischenzeitlich als Branchenleader abgelöst, und dies, obwohl Musk in jüngster Zeit die Preise mehrfach und deutlich gesenkt hat. Schlimmer noch: Noch vor kurzer Zeit musste man geradezu betteln, um einen Tesla käuflich erwerben zu können. Heute muss Tesla froh sein, seine Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Das Unternehmen musste kürzlich bekannt geben, dass die Produktion im ersten Quartal 2024 rückläufig war, das erste Mal in der Firmengeschichte.

Das alles hat brutale Konsequenzen. Die Börsenkapitalisierung von Tesla, die auf ihrem Höhepunkt bei 1,2 Billionen Dollar lag, ist um rund ein Drittel eingebrochen. «Tesla verlässt eine goldene Ära und muss sich für eine herausfordernde Zeit rüsten», erklärt daher Mark Fields, der ehemalige CEO von Ford, gegenüber dem «Wall Street Journal».

Nicht nur die chinesische Konkurrenz setzt Tesla zu. Auch das Marktumfeld ist derzeit generell garstig für Elektroautos. Der Autovermieter Hertz beispielsweise hat noch vor Jahren 100'000 Teslas geordert, um einen erwarteten Boom zu befriedigen. Weil die Nachfrage ausbleibt, hat Hertz ein Drittel dieser Flotte wieder abgestossen.

File - An "X" sign sits atop the social media platform's headquarters, in San Francisco, on July 28, 2023. IBM has stopped advertising on X after a report said its ads were appearing al ...
Ungeliebter Twitter-Nachfolger X.Bild: keystone

Mit dem Kauf von Twitter und vor allem, was er damit anstellt, macht Musk Tesla zusätzlich das Leben schwer. Der ehemalige Umwelt-Held ist zum politischen Buhmann geworden. «Twitter ist eine Ablenkung», sagt der Tesla-Investor Gary Black im «Wall Street Journal». «Es lenkt alle Aufmerksamkeit auf sich und niemand spricht mehr von den Elektroautos.»

Musk, der sich einst rühmte, die Demokraten zu unterstützen, ist weit an den rechten politischen Rand gerückt. Nicht nur ehemalige Fans wie Roger Schawinski bereuen es deshalb heute, einen Tesla gekauft zu haben. Sie werden auch künftig dieses Produkt nicht einmal mehr mit einer Mistgabel anrühren. Derweil loben die neuen Fans im konservativen Lager zwar Musk wegen seines angeblichen Einsatzes für die freie Meinungsäusserung. Doch einen Tesla rühren auch sie ebenfalls nicht einmal mit einer Mistgabel an. Sie setzen auf PS-trächtige Verbrenner.

Wie aber will Musk Tesla wieder auf den Erfolgspfad zurückführen? Er setzt auf künstliche Intelligenz (KI). Im August will er Robotaxi vorstellen, ein Elektroauto ohne Steuer und Pedale, das von einer Software gelenkt wird. Allerdings ist Musk dafür bekannt, dass er Dinge grossmäulig ankündigt, um sie dann immer und immer wieder zu verschieben.

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Ein Tesla-Roboter an einer Ausstellung für künstliche Intelligenz in Cannes. Bild: keystone

Das scheint auch auf seine KI-Pläne zuzutreffen. Musk will nicht nur ein Robotaxi lancieren, sondern auch einen Androiden. Dieser hat zwar bereits einen Namen – Optimus –, scheint aber noch nicht ganz ausgereift zu sein. Bei seiner Vorstellung war nicht Software am Werk, sondern ein als Roboter verkleideter Mensch.

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Das Internet
10.04.2024 13:48registriert August 2020
Ich mag den Typen ja auch nicht. Aber bezüglich des Umgangs mit China und Russland dünkt es mich, Elon steht stellvertretend für den einst stolzen, demokratischen Westen. Wir haben auf dem Altar der Gewinnmaximierung und der "Geiz ist geil"-Haltung schon längst unsere Werte geopfert. Das fliegt uns nun allen um die Ohren, nicht nur Musk....
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Snowy
10.04.2024 14:15registriert April 2016
"Sie werden massiv vom Staat unterstützt und können Fahrzeuge produzieren, die technisch besser und deutlich billiger sind als diejenigen von VW, Ford & Co."

Reden wir nicht um den heissen Brei:
Dass die europ. und die US-Autoindustrie den Wandel zur Elektromobilität komplett verschlafen hat, ist neben der massiven staatlichen Unterstützung des chinesischen Staats der Hauptgrund für die riesigen Probleme der hiesigen Autobauer.
Ohne Strafzölle wird sich diese Problematik noch massiv akzentuieren. Wohl bemerkt in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige unseres wichtigsten Handelspartners.
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Jesses Maria
10.04.2024 13:22registriert Januar 2024
Ich habe es schon immer (sorry 🫣) gesagt und sage es wieder:

a) TSLA war schon immer und ist immer noch massiv überbewertet

b) ich würde nie irgendein Produkt kaufen das nur im entferntesten mit Musk zu tun hat
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