Es war ein Wettrennen ohne Publikum, damals in den 90er-Jahren. Auf der ganzen Welt sassen Astrophysiker in langen Nächten vor Computerbildschirmen und starrten unterhalb von grossen Teleskopen auf ein unscharfes Kontrollschild. Ein weisser Punkt auf schwarzem Grund bedeutete: ein Stern. Sie massen die Geschwindigkeiten und hofften, Abweichungen zu finden. Das hätte auf einen umkreisenden Planeten hindeuten können. Oder einen Messfehler.
Zwei dieser Planetenjäger waren der damals 52-jährige Genfer Astrophysiker Michel Mayor und sein 28-jähriger Doktorand Didier Queloz. Alle zwei Monate fuhren sie nach Südfrankreich zu einem supergenauen Spiegelteleskop. Sie massen ein paar Nächte lang das Licht der Sterne – so lange sie eben das von vielen Forschern heiss umworbene Teleskop nutzen durften. Ihre Frauen bekamen sie im Winter und im Sommer 1995 nicht oft zu Gesicht.
Mit einer Flasche «Clairette de Die» und einem Stück Kuchen hätten die beiden damals nach der letzten Messungsnacht ihre nun mehrfach überprüfte Entdeckung gefeiert. Dies berichtet die Physik-Journalistin Hanna Wick, welche die beiden mehrmals getroffen hat.
Im Herbst publizieren sie ihre Messungen und wurden zu internationalen Stars. Auch die Schweizer Illustrierte besucht sie und schreibt von einer Vater-Sohn-ähnlichen Beziehung. Trotzdem waren die beiden noch beim Sie. «Das Du hat sich nie ergeben», sagt Didier Queloz damals. «Vielleicht fehlte uns die Zeit dazu.»
Sie lebten bescheiden und seien typische, passionierte und hartnäckige Forscher, sagt Wick. Der Umgang mit ihnen sei sehr angenehm, und die beiden seien bodenständig. Als sie Didier Queloz fragte, wie sich diese grossartige Entdeckung anfühlte, antwortete er: «So, wie wenn man mit den Ski als Erster über einen frischverschneiten Hang fährt.»
Mayor beschrieb die Entdeckung auch als Lottogewinn: Er hatte 200 Sterne zum Untersuchen auf seine Liste gesetzt, viel mehr als andere Planetenjäger. «Planetensuche ist ein wenig wie Lotterie. Wer mehr Lose kauft, hat die grössere Chance zu gewinnen», so zitiert ihn Reto U. Schneider im Buch «Planetenjäger».
Hanna Wick findet, der Nobelpreis sei «total verdient». Sie sei sich sicher gewesen, dass die beiden einst den Nobelpreis für ihre Forschung erhalten würden. Verdient, ja – aber sicher hatten sich die beiden nicht sein können: Dazu waren zu viele Forscher an der Planetenjagd beteiligt gewesen und hatten ebenfalls Erfolge vorzuweisen.
«Wir haben einen Nobelpreis in der Exoplaneten-Community erwartet», sagt Kevin Heng, Direktor am Exoplaneten-Zenter CSH in Bern, «aber ich kenne international mindestens fünf Personen, welche ihn hätten bekommen können. Ich hoffte, dass es Didier und Michel sein würden, denn sie sind die richtige Wahl.»
Kevin Heng berichtet, er sei überwältigt gewesen, als er am Dienstag von der Auszeichnung erfahren habe. Dies, weil er am vergangenen Freitag noch neben Didier Queloz zu Mittag gegessen hatte und sie über alles andere als den Nobelpreis gesprochen hätten.
Die beiden hatten sich in Cambridge, wo Queloz Professor ist, zu einem Workshop getroffen. Dies geschah im Rahmen der Cheops-Mission der Europäischen Weltraumorganisation, welche Exoplaneten untersuchen will. Didier Queloz ist Teamleiter bei dieser Mission. «Er ist sehr bescheiden und nimmt sich nicht sehr ernst», sagt Heng. «Die Teamsitzungen mit ihm machen Spass. Er ist ein sehr guter Leiter, der es direkt sagt, wenn er etwas nicht gut findet.»
Michel Mayor beschreibt Heng als «Grossvater-Figur» und ebenfalls bescheiden. «Wegen ihnen beiden habe ich damals, als ich in Singapur noch in der Highschool war, beschlossen, in der Schweiz zu studieren», sagt er. «Sie waren eine Quelle der Inspiration.»
Queloz und Mayor waren sich erstmals 1988 bei einer Einführungsvorlesung in Astronomie begegnet. Queloz war Student und erfuhr von Mayors Gerät «Coravel». Er nahm die Ausführungen seines Professors offenbar mit Schulterzucken zur Kenntnis. «Ich hatte überhaupt nichts verstanden», wird er im Buch «Planetenjäger» zitiert. Zwei Jahre später beginnt Queloz bei Mayor seine Doktorarbeit und hilft beim Bau von «Elodie», einer Art Präzisionsradarfalle.
Am 29. Oktober 1995 titelte die «Sonntags-Zeitung»: «Der unbekannte Planet macht sie unsterblich – Genfer Wissenschafter finden als erste einen neuen Trabanten – Diskussion um ausserirdisches Leben neu angefacht.» Doch die beiden sind keine Aliens-Fanatiker. Mayor sagt lediglich, er sei überzeugt, dass die Chemie auch auf anderen Planeten für Leben gesorgt habe. Ihr entdeckter Planet, der um die Sonne 51 Peg kreist, ist es nicht: Dazu ist es dort mit 1000 bis 2000 Grad viel zu heiss.