Ukraine

Ostukrainische Separatisten verkünden Sieg nach Abspaltungsvotum 

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Ostukrainische Separatisten verkünden Sieg nach Abspaltungsvotum 

11.05.2014, 23:0812.05.2014, 08:22
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Bei dem international nicht anerkannten Referendum in der Ostukraine hat sich nach Angaben der Separatisten eine deutliche Mehrheit für die Unabhängigkeit ausgesprochen.

In Donezk hätten 89,7 Prozent der Teilnehmer für die Autonomie gestimmt, sagte der Leiter der selbst ernannten Wahlkommission, Roman Ljagin, in der Nacht zum Montag. «Das Ergebnis kann als endgültig und offiziell gesehen werden.» Damit sei die für den 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl in der Region hinfällig.

In der zweiten Region, Luhansk, hätten sich nur fünf Prozent gegen die Autonomie ausgesprochen, erklärten Vertreter der Separatisten-Gruppierung. Mit den endgültigen Ergebnissen der hastig angesetzten Abstimmung wurde am Montagnachmittag gerechnet. Bereits vor dem Ende der Abstimmung hatte der Separatistenführer Denis Puschilin erklärt, die ukrainischen Soldaten würden nun als fremde Besatzungsmacht eingestuft. Es müssten jetzt so schnell wie möglich eigene politische und militärische Strukturen geschaffen werden.

Stimmenzählen in einem Wahllokal in Donezk.
Stimmenzählen in einem Wahllokal in Donezk.Bild: AP

Das Referendum fand bei strahlendem Sonnenschein statt und hatte zum Teil den Charakter eines Volksfestes. Vor den Abstimmungslokalen hatten die Menschen geduldig in zum Teil Hunderte Meter langen Schlangen gewartet. Allerdings gab es auch nur wenige Stellen, an denen abgestimmt werden konnte. In der 500'000-Einwohner-Stadt Mariupol etwa waren gerade einmal acht Wahllokale eingerichtet.

Lange Schlange vor einem Wahllokal in Mariupol.
Lange Schlange vor einem Wahllokal in Mariupol.Bild: EPA

Bei einem Militäreinsatz wurde am Sonntag mindestens ein Mensch getötet. Das berichteten russische Medien am Sonntagabend unter Berufung auf prorussische Aktivisten in der Stadt Krasnoarmejsk im Donezk-Gebiet.

Demnach hatten ukrainische Regierungstruppen in einem Wahllokal die Stimmabgabe für das umstrittene Referendum über die Unabhängigkeit des Donezk-Gebiets gestoppt. In einem darauf folgenden Handgemenge fielen mehrere Schüsse.

Bürger von Krasnoarmejsk helfen einem Verwundeten, der von ukrainischen Milizen angeschossen wurde.
Bürger von Krasnoarmejsk helfen einem Verwundeten, der von ukrainischen Milizen angeschossen wurde.Bild: EPA

Die Separatisten zeigten sich im Vorfeld sicher, dass die Bürger der Unabhängigkeit zustimmen. Umfragen zeigten dagegen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung im Osten für den Erhalt der staatlichen Einheit der Ukraine ist.

Zudem fand das Referendum nur in 14 Städten oder Orten unter Kontrolle der Rebellen statt, in denen weniger als die Hälfte der gut sieben Millionen Menschen in den Regionen Donezk und Lugansk lebt.

Strittig war, worum es in der Abstimmung genau ging – mehr Autonomie, Unabhängigkeit oder gar einen Schritt Richtung Anbindung an Russland. Auf den Stimmzetteln sollte mit Ja oder Nein beantwortet werden, ob eine Selbstbestimmung der Region unterstützt wird. 

«Damit lassen wir die faschistische, proamerikanische Regierung in Kiew hinter uns.»
Sergej, Mariupol

Dass auch die Ostukrainer Unterschiedliches darunter verstehen, ergab eine Befragung. «Wir sind alle für die Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk», sagte der Ingenieur Sergej, der seine Stimme in Mariupol abgab. «Damit lassen wir die faschistische, proamerikanische Regierung in Kiew hinter uns.»

In der gleichen Schlange wie Sergej stand auch Irina. Ein Ja-Votum sei die Zustimmung zu mehr Autonomie innerhalb der Ukraine, sagte sie.

Auch in Slawjansk bahnten sich Wähler ihren Weg durch Barrikaden aus gefällten Bäumen und Reifen zu den Wahllokalen. «Ich wollte so früh wie möglich kommen», sagte der 20-jährige Schenja Denjesch. «Wir wollen alle in unserem eigenen Land leben.» Auf die Frage, was nach dem Referendum kommen werde, sagte er: «Es wird weiter Krieg herrschen.»

Gepanzertes Armeefahrzeug in Slawjansk
Gepanzertes Armeefahrzeug in SlawjanskBild: EPA

Die ukrainischen Sicherheitskräfte werden nach einem Bericht der Zeitung «Bild am Sonntag» von 400 Elitesoldaten des US-Militärdienstleisters Academi - früher Blackwater - unterstützt. Academi bestritt jedoch, Elitekämpfer in der Ukraine einzusetzen. Academi habe nirgendwo in der Ukraine Personal präsent oder im Einsatz, sagte Vize-Unternehmenschefin Suzanne Kelly am Sonntag dem Onlineportal «Zeit Online».

Die ukrainische Armee nimmt in Mariupol einen Mann fest.
Die ukrainische Armee nimmt in Mariupol einen Mann fest.Bild: Reuters

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte gewarnt, dass der Osten des Landes mit seinen Industriezentren bei einem Ja «in einen Abgrund stürzen» würde mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Es wird auch befürchtet, dass die am 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl platzen könnte.

Zum Referendum will sich der russische Präsident Wladimir Putin erst nach einer Analyse des Ergebnisses äussern. Das sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow der Moskauer Zeitung «Kommersant» am Montag. Er nahm die prorussischen Separatisten in Schutz, die trotz einer Aufforderung Putins an der Befragung festgehalten hatten. Das militärische Vorgehen der Regierung in Kiew habe ihnen keine andere Wahl gelassen. 

Die Androhung schärferer Sanktionen der EU und der USA gegen Russland nannte Peskow eine absolute Dummheit. Der Westen hat mit schärferen Sanktionen gegen Russland gedroht, sollte die anstehende Präsidentenwahl in der Ukraine gestört werden. Im Laufe des Montags wollen die EU-Aussenminister zusammenkommen, um ihre Sanktionsliste zu erweitern. Entschieden werden soll über zusätzliche Einreiseverbote und Kontensperrungen, aber möglicherweise auch über eine Ausdehnung der Sanktionen auf Organisationen und Unternehmen.

Bisher hat die EU nur Visa- und Kontensperrungen gegen russische Akteure verhängt, denen vorgeworfen wird, für den Griff nach der Krim und die Destabilisierung in der Ost- und Südukraine verantwortlich zu sein. (kad/sda/reu/afp)

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