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Zürcher Obergericht zitiert «Jim Knopf»

Zürcher Obergericht zitiert «Jim Knopf» – und will Vater mit Sohn zusammen bringen

31.10.2019, 17:0031.10.2019, 15:21
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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Hat es ans Obergericht Zürich geschafft: Jim Knopf.Bild: Warner Bros.

Bei einem Kindesschutz-Fall hat das Zürcher Obergericht das Kinderbuch «Jim Knopf und der Lokomotivführer» als Begründung beigezogen. Denn dort gibt es den Scheinriesen «Herr Tur Tur», der beim Näherkommen gar nicht mehr furchteinflössend ist.

Dass Juristen auf Kinderbücher verweisen, kommt selten vor. Bei einem Kindesschutz-Fall im Kanton Zürich kam das Obergericht aber zum Schluss, dass der Scheinriese «Herr Tur Tur» aus «Jim Knopf» eine hervorragende Veranschaulichung sei.

Denn «Herr Tur Tur» sieht nur von Weitem furchteinflössend aus. Beim Näherkommen schrumpft er auf normale Grösse zusammen. So verhalte es sich auch bei einem Vater, der seit zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem heute 11-jährigen Sohn habe.

Um das furchteinflössende - weil mittlerweile unbekannte - Wesen «Vater» auf Normalgrösse schrumpfen zu lassen, verordnete das Obergericht sechs so genannte «Erinnerungskontakte», wie aus dem kürzlich publizierten Urteil hervorgeht.

Vor dem Bezirksgericht in Bülach ZH werden zwei Mordtaten verhandelt. Die Anklägerin beantragt lebenslänglich für alle drei Beschuldigten und zudem Verwahrung für den Hauptangeklagten. (Archivbild)
Obergericht ZürichBild: KEYSTONE

Diese «Erinnerungskontakte» finden unter Aufsicht statt und sollen eine komplette Entfremdung zwischen Vater und Sohn verhindern. Im vorliegenden Fall wird die Polizei ermächtigt, den Sohn abzuholen und zu den Treffen zu bringen.

Kritik an den Eltern

Die Entfremdung passierte, weil die Mutter der Überzeugung war, dass der Vater ihrem Sohn schade. Ob dies tatsächlich zutrifft, geht aus dem Urteil nicht hervor. Tatsache ist jedoch, dass der Bub mit der Zeit eine grosse Furcht vor seinem Vater entwickelte. Der Vater wurde quasi zum Scheinriesen «Herr Tur Tur».

Vater und Mutter, die nie ein Paar waren, decken sich seit Jahren mit Vorwürfen ein. Das Gericht sparte in seinem Urteil denn auch nicht mit Kritik. Die Eltern sollten ihre Streitigkeiten «künftig vom Kind fernhalten».

Ihr Verhalten sei für eine Elternschaft äusserst hinderlich und für ein Kind schädlich, da es selbst an minimaler elterlicher Übereinstimmung fehle. Der Entscheid ist rechtskräftig. (aeg/sda)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sherlock_Holmes
31.10.2019 18:54registriert September 2015
Eine wunderschöne Metapher.

Bei Manchem was aus der Ferne bedrohlich, furchteinflössend und unüberwindbar erscheint, zeigt sich aus der Nähe betrachtet ein Weg oder ein Zugang.

Dies gilt nicht selten sowohl für Aufgaben oder Problemstellungen als auch für Menschen.

Der erste Schritt auf etwas oder aufeinander zu, ist der schwierigste und zugleich der wichtigste, denn er birgt in sich die Chance zur Veränderung – hin zu einer Lösung.

Nicht immer ist es einfach, Erfahrungen und Ängste zu überwinden und neue Wege zu beschreiten, aber es lohnt sich.

Das erwähnte Buch zu lesen übrigens auch.
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Mandarinchen
31.10.2019 20:08registriert Oktober 2019
Schön zu lesen dass es in der heutigen Zeit auch noch Urteile mit Hirn und Verstand gibt.
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Karl Bukowski
31.10.2019 17:43registriert April 2016
Grossartiger Vergleich. Und der Mutter gehört links und rechts eins an die ...
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