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Wie Corona den Alltag der Pflegefachkräfte verändert hat

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illustration: fh schweiz/flavia korner
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Wie Corona den Alltag der Pflegefachkräfte verändert hat

Isolation, Unsicherheit, Höchstbelastung: Der Ausnahmezustand während der Pandemie hat nicht nur den Alltag von Pflegefachkräften verändert, sondern auch wichtige neue Erkenntnisse gebracht. An der Hochschule fliessen diese bereits ins Studium ein.
10.08.2021, 10:52
Guy Studer
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Die zweite Welle war heftig: «Wir hatten ein sehr hohes Patientenaufkommen, kaum war ein Bett frei, wurde es schon wieder besetzt. Es gab viele Verlegungen zur Intensivstation und zurück.» Auf der Station von Brigitte Lüdi am Berner Inselspital werden ausschliesslich Coronapatienten betreut. Sie hat miterlebt, wie die Pflegefachkräfte auf dem Höhepunkt der Pandemie unter Dauerbelastung standen. Trotz Hygienemassnahmen hätten sich viele angesteckt, was Verunsicherung auslöste. Möglichkeiten zur Erholung gab es kaum: «Man lebte in Angst, sich selber oder andere anzustecken, weshalb man sich privat zurückzog und kaum entspannen konnte.» Während der stressigsten Phase hätten die Leute ihre Kräfte zusammengenommen, waren mit der Situation beschäftigt. «Die Müdigkeit macht sich deshalb erst jetzt langsam breit.»

Nie dagewesene Situationen

Auch Andrea Renz kennt die Situation in den Spitälern, wenn auch mit etwas mehr Distanz. Sehr vieles sei auch für erfahrene Pflegefachkräfte schlicht neu gewesen während der Pandemie. Es habe viel Unsicherheit geherrscht. «Neu war etwa, dass Menschen über Wochen auf den Intensivstationen an Beatmungsgeräten hingen.» Die hohe Anzahl an Menschen, die mit dem Tod rangen, das habe es vorher nie gegeben. Renz ist Studiengangleiterin des Bachelorstudiengangs Pflege an der Fachhochschule OST in St.Gallen. Sie hat Studierende während der Pandemie begleitet und die Situation beobachtet. So leitet sie nun Schlüsse ab, wie man in der Ausbildung an der Hochschule besser auf solche Krisensituationen reagieren kann.

Andrea Renz, Studiengangleiterin Pflege an der Fachhochschule in St.Gallen.
Andrea Renz, Studiengangleiterin Pflege an der Fachhochschule in St.Gallen.bild: zvg

Für sie stellt Corona, bei aller Belastung und Tragik, auch einen reichen Erfahrungsschatz dar. «Vieles, was unsere Studierenden bisher nur in der Theorie gelernt hatten, war nun eins zu eins in der Praxis zu erleben. Was heisst Isolation, wie setzt man ein Hygienekonzept um?» Natürlich sind es zumeist keine schönen Erfahrungen: «Man hat Menschen betreut, die akute Atemnot hatten, da sind existenzielle Ängste im Spiel.»

Resilienz wird gefördert

Ganz oben auf der Liste der Rückschlüsse für die Ausbildung stehen Gesundheitsförderung und Resilienz des medizinischen Personals. «Wie können wir Pflegende besser unterstützen, ihnen Tools mitgeben, damit sie künftig besser gewappnet sind für solche belastenden Situationen?», fragen sich Renz und die Verantwortlichen an der Fachhochschule beispielsweise. Gerade Mehrfachbelastung gelte es künftig besser abzufedern. Hier sei man auch im Austausch mit dem Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), der seinerseits Informationen anbietet.

«Es fühlte sich an, als verliessen alle um uns das sinkende Schiff.»

Des Weiteren sei die Erkenntnis gereift, dass der interprofessionelle Austausch und Fallbesprechungen noch stärker berücksichtigt werden müssten. Damit sind es vor allem weiche Faktoren wie Kommunikation, Reflexion, soziale Achtsamkeit, bei denen Renz noch Potenzial sieht für den Erfolg im Kampf gegen eine Pandemie. Denn technisch gesehen sei man weitestgehend vorbereitet gewesen. Epidemiologie und Pflegediagnostik sind im Studium verankert. «Bei der Medikation haben wir einige neue Erkenntnisse gewonnen.»

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Doch auch die psychische Situation der Patienten und ihren Familien sei in der Pandemie in den Fokus gerückt, «gerade im Zusammenhang mit Long Covid», so Renz. Neben der körperlichen Erholung sei die mentale genauso wichtig, um die Zeit für den Weg zurück zu einem normalen Leben zu verkürzen. «Es sind existenzielle Ängste im Spiel, wenn zum Beispiel eine Person in den Dreissigern plötzlich nur noch halb so leistungsfähig ist wie zuvor.» Dazu passt, dass derzeit an der OST ein neues interdisziplinäres Kompetenzzentrum psychische Gesundheit aufgebaut wird. Die Erfahrungen im Zusammenhang unter anderem mit Long Covid oder regionale Herausforderungen in familiären Versorgungssituationen werden dort direkt einfliessen.

Mehr digitale Hilfsmittel

Gemäss Andrea Renz habe Corona auch die vielfältigen Möglichkeiten im digitalen Lehren und Lernen oder in der Gesundheitsversorgung gezeigt und damit die Digitalisierung beschleunigt. «Gerade in der Betreuung von Long-Covid-Fällen hat man im Bereich der Telemedizin sehr viel Potenzial entdeckt.» Es gebe viele Anstösse, um Tools für digital Health voranzutreiben.

Auf der Station von Brigitte Lüdi ist es inzwischen wieder ruhiger. Wenn sie zurückdenkt bleibt eine spezielle Erinnerung haften. «Als die Covid-Patienten zu uns verlegt wurden, hat das unsere Abteilung automatisch isoliert. Mitarbeitende, die nicht in die Betreuung involviert waren, sind von der Abteilung weggezogen. Es fühlte sich an, als verliessen alle um uns das sinkende Schiff.» Gegen diesen so notwendigen wie auch psychisch schwierigen Umstand gibt es wohl kein Rezept, ist sich auch Lüdi bewusst. Dem gegenüber stünden immerhin auch positive Eindrücke: «Wir erhielten vom ganzen Haus Anerkennung.» Die Spitalleitung sei vorbeigekommen, «und wir erhielten auch Unterstützung von Stationen, von denen man das sonst nicht kannte».

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Leute, denen es auf der Arbeit offensichtlich langweilig war
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