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Apotheken verkaufen untaugliche Selbsttests – Kunden erfahren nichts

Apotheken verkaufen untaugliche Selbsttests – Kunden erfahren davon nichts

Testkäufe in den Apotheken grosser Ketten wie Amavita, Toppharm oder Medbase zeigen: Kundinnen und Kunden erhalten Selbsttests, die nur bei sehr hoher Virenlast verlässlich sind. Eine Kioskkette schneidet besser ab.
22.01.2022, 16:55
Stefan Ehrbar / ch media
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Eine Apothekerin zeigt abgepackte Coronavirus Antigen-Selbsttests, am Dienstag, 6. April 2021, in einer Apotheke in Stabio. Ab dem 7. April kann jede Person gratis fuenf COVID-19 Selbsttests pro Monat ...
Nicht alle Tests in den Apotheken taugen etwas.Bild: keystone

Wer sich in falscher Sicherheit wiegen will, sollte einen Selbsttest machen. Viele der in der Schweiz verkauften und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugelassenen Produkte zeigen nur bei einer sehr hohen Virenlast verlässlich ein positives Resultat an, versagen aber schon bei hoher und milder Virenlast. Das zeigt eine Studie des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), über die CH Media berichtete.

Testkäufe in mehreren Apotheken in Zürich zeigen: Viele verkaufen Tests, die besonders schlecht abschneiden. Eine Apotheke von Coop Vitality gibt etwa den «Flowflex Sars-CoV-2 Antigen Rapid Test» des Herstellers Acon Biotech Co. Ltd. ab. Dieser weist bei hoher Virenlast nur zu 4 Prozent eine Ansteckung nach, bei moderater Last in 0 Prozent der Fälle.

Auch eine Toppharm-Apotheke verkauft ihn und führt ihn im Online-Shop, zusammen mit einem Test von Hersteller Roche, welcher in der Kategorie der sehr hohen Virenlast noch schlechter abschneidet.

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Im Online-Shop der Migros-Apothekentochter Medbase, der von der Schweizer Versandapotheke «Zur Rose» betrieben wird, prangt ebenfalls das Roche-Produkt an vorderster Stelle. Eine Apotheke der Kette Amavita wiederum verkauft das «Sars-CoV-2 Antigen Test Kit» des Herstellers Genrui Biotech Inc., das bei moderater Virenlast das Virus nicht nachzuweisen vermag und bei hoher Virenlast nur in 57 Prozent der Fälle.

Bei keinem Testkauf machte das Personal auf die Mängel der verkauften Tests aufmerksam oder stellte den Käufer vor die Wahl, einen besser geeigneten zu kaufen. Auch in den besagten Online-Shops werden die Grenzen der Selbsttests nicht erwähnt. Meist kosten die Selbsttests im 5er-Pack zwischen 20 und 30 Franken.

Nur zu Beginn nützen Selbsttests

Wer hierzulande in einer Apotheke einen Selbsttest kauft, erhält also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt, das nur bei sehr hoher Virenlast eine Coronavirus-Infektion zuverlässig nachweist. Das ist meist gleich zu Beginn der Symptome der Fall.

Dass Selbsttests keinen professionell durchgeführten Test oder gar einen PCR-Test ersetzen können, ist bekannt – genauso wie der Fakt, dass sie bei milder Virenlast an ihre Grenzen kommen. Dass aber so viele Tests verkauft werden, die selbst bei hoher Virenlast versagen, erstaunt, zumal es durchaus Tests gibt, die besser abschneiden.

Valora schwingt obenauf

Im stationären Handel einen solchen zu finden, ist allerdings nicht einfach. Einen den drei besten Tests, der bei hoher Virenlast immerhin auf 87 Prozent Nachweisrate kommt, verkauft ausgerechnet die Kioskbetreiberin Valora. Sie führt den Schnelltest von Siemens im Sortiment der meisten Verkaufsstellen von K Kiosk, Avec und Press & Books. Der stolze Preis: 9.95 Franken pro Test.

Beim Test diese Woche wissen mehrere Valora-Verkaufsstellen in Zürich nichts davon. Valora-Sprecher Martin Zehnder begründet das damit, dass es «unter anderem im Zug der Medienberichterstattung» vereinzelt zu einem Engpass gekommen sei. Er werde voraussichtlich noch diese Woche behoben.

Apotheken sehen keinen Handlungsbedarf

Wie kann es sein, dass eine Kioskkette bessere Tests verkauft als viele Apotheken? Beim Apothekenverband Pharmasuisse gibt man sich wortkarg: Die Apotheken hielten sich an die Liste der vom BAG validierten Tests, heisst es auf Anfrage. Und wie reagieren die Verkäufer der Tests, die schlecht abschnitten?

Selbsttests: Wir zeigen dir, wie's geht!

Video: watson/Salome Woerlen, Emily Engkent

Der Gesundheitskonzern Galenica, der die Amavita-Apotheken und im Rahmen eines Joint Ventures die Coop-Vitality-Apotheken betreibt, schreibt, Galenica habe durch die Thematisierung in den Medien von der Studie erfahren. Gemäss der Studie erfüllten die verkauften Tests von Acon und Genrui das Sensitivitätskriterium des BAG und seien auch von diesem zugelassen.

Behörden sind massgebend

Toppharm wiederum teilt mit, in den Apotheken der Gruppe würden Schnelltests vertrieben, die den geltenden Anforderungen des BAG entsprechen. Die deutsche Studie sei «bisher nicht in die Testempfehlungen eingeflossen».

Ausführlicher äussert sich Medbase. Sprecher Florian Hirschbühl verweist auf die «ungebrochen hohe Nachfrage» nach Selbsttests. Sie sei in den letzten Wochen kaum zu befriedigen gewesen. «Natürlich achten wir in der Beschaffung und im Verkauf auf die Marktkonformität der Tests», sagt er.

«Kein Grund, Tests zurückzuziehen»

Medbase halte daran fest, dass die verkauften Tests von Roche verkaufsfähig seien. «Wenn sie korrekt angewendet werden, sind sie ein Indikator für eine mögliche hohe Virenlast.» Es gebe aktuell keinen Handlungsbedarf, diese zurückzuziehen, sagt Hirschbühl.

So machst du den Corona-Selbsttest richtig

Video: watson

Er verweist darauf, dass Selbsttests eine beschränkte Aussagekraft haben und korrekt instruiert werden müssten. «Das ist der Mehrwert einer Apotheke.» Man versuche, im Beratungsgespräch mit Kundinnen und Kunden das bestmögliche Vorgehen zu besprechen und empfehle je nach Ausgangslage den durch eine geschulte Person angewendeten Antigen-Schnelltest oder einen aussagekräftigen PCR-Test. «Wir müssen uns bewusst sein, dass ein Selbsttest eine tiefere Sensitivität hat.»

Ändert Omikron alles?

Zudem gilt zu bedenken: Omikron könnte die Rangliste noch einmal durcheinanderbringen. Die PEI-Studie wurde zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als die Delta-Variante die vorherrschende war. Erste Ergebnisse einer aktuelleren Studie, an welcher die Virologin Isabella Eckerle vom Universitätsspital Genf beteiligt ist, deuten darauf hin, dass Omikron die Selbsttests generell vor mehr Schwierigkeiten stellt als Delta. Eckerle berichtet auf Twitter über erste Ergebnisse.

Noch am besten schnitt in ihrer Studie der «Flowflex»-Test von Acon ab, der in der PEI-Studie schlecht wegkommt. Allerdings weist Eckerle darauf hin, dass die Studie keine klinischen Tests zu ersetzen vermag. Das PEI wiederum will bis Ende Februar eine neue Liste veröffentlichen, die spezifisch auf die Omikron-Variante zugeschnitten ist.

Hersteller Roche wiederum teilt mit, das Unternehmen habe zusammen mit dem Partner SD Biosensor weitere Studien durchgeführt, um die Testleistung des eigenen Produkts zu bewerten. Diese und unabhängige Bewertungen zeigten, dass die Schnelltests von Roche in der Lage seien, die Omikron-Variante nachzuweisen. (bzbasel.ch)

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fondue
22.01.2022 17:14registriert Januar 2015
Ja was sollen die Apotheken schon machen, wenn die Tests vom BAG freigegeben und zugelassen sind. Der Ball ist wiedermal beim BAG, schon wieder versagt!? Wäre schön, wenn man auch mal was positives von dem Laden hören würde 😏
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Clife
22.01.2022 18:25registriert Juni 2018
Tatsächlich hatte mich die Ambassador Apotheke in Solothurn darauf hingewiesen, dass die Selbsttests reine Geldverschwendung darstellen. Sie haben mir davon abgeraten, ein Päkchen zu kaufen.
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chrimark
22.01.2022 17:56registriert November 2016
Schnelltests waren lange vor Covid entwickelt worden, um auf eine einfache und schnelle Art Diagnosen zu bestätigen. An symptomatischen, sprich kranken, Patienten mit normalerweise genügend hoher Viren- oder Bakterienlast.
Die haufenweise (Selbst-)Testung von nicht oder nur schwach symtomatische Personen entspricht nicht dem ursprünglichen Kernzweck. Das sollte man einfach nicht ganz vergessen.
Die Selbsttests helfen zu verhindern, als symtomloser Superspreader Omi zu besuchen. Eine Garantie völlig Coronafrei zu sein, sind sie nicht. Das wurde von Fachleuten auch so kommuniziert.
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